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Anke Engelke„Ich bin den Schritt zum Smartphone nie gegangen“

7 min
Liest lieber als übers Smartphone zu wischen: Anke Engelke. .

Liest lieber als übers Smartphone zu wischen: Anke Engelke. .

Im Moment ist Anke Engelke das Gesicht der Kampagne der Deutschen Bahn, „Boah, Bahn“. Im Interview erzählt sie, was sie selbst über Beziehungen denkt.

Zehnter Stock eines Berliner Hotels, Anke Engelke betritt gut gelaunt den Raum, in dem das Interview geführt werden soll. Ein paar Süßigkeiten stehen auf einem Tisch. Anke Engelke setzt sich aufs Sofa und will vom Interviewer am Anfang wissen, wir er ihren neuen Film „Dann passiert das Leben“ findet.

Frau Engelke, ich habe ein wenig Respekt vor unserem Interview.

Warum das?

Sie sprechen ja nicht über Ihr Privatleben. In Ihrem Film „Dann passiert das Leben“ geht es aber um Beziehungen. Es wird eine Gratwanderung, Sie persönlich, aber nicht zu privat zu fragen.

Das stimmt, private Fragen beantworte ich nicht. Aber keine Angst! Wir bekommen das hin. Aber zunächst würde mich interessieren, wie Sie den Film fanden?

Ich finde, es ist ein sehr intensives, manchmal auch sehr trauriges Porträt zweier Menschen, die sich auseinandergelebt haben und für die sich – ohne zu viel vorwegzunehmen – durch ein einschneidendes Ereignis einiges ändert. Ich mag zudem die Art, wie der Film erzählt wird, sehr ruhig. Aber wie finden Sie denn den Film?

Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis, ich finde den Film sehr gelungen. Und ich gebe Ihnen recht: Diese Erzählform kann sehr befriedigend sein. Ich finde es wichtig, sich bei solch einem Thema Zeit zu lassen und die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht zu entmündigen. Ich möchte auch nicht, dass mir beim Schauen eines Films alles 100-mal erklärt und am Ende jedes Thema ausdiskutiert wird. Ich bin natürlich wahnsinnig gespannt, wie die Menschen im Kino diese Art des Erzählens jetzt aufnehmen.

Wenn Sie das Publikum schon ansprechen: Ich würde behaupten, „Dann passiert das Leben“ ist eher ein Film für ältere Menschen. Ist es eine Voraussetzung, um eine Verbindung zum Film und zu den drei Hauptfiguren – Vater, Mutter, erwachsener Sohn – aufzunehmen, dass man Erfahrung mit längeren Beziehungen hat?

Das Bild zeigt Anke Engelke bei der Präsentation der Webserie „Boah, Bahn! Wir sitzen alle im selben Zug.“ Die neue Serie startet am 9. Oktober auf dem Youtube-Kanal der Deutschen Bahn (DB). Foto: Helmut Fricke/dpa

: Entertainerin Anke Engelke präsentiert beim Presse-Preview die Webserie 'Boah, Bahn! Wir sitzen alle im selben Zug.' Die neue Serie startet am 9. Oktober auf dem Youtube-Kanal der Deutschen Bahn (DB).

Interessant. Ich hätte spontan gesagt, nö, der Film eignet sich auch für jüngere Menschen. Natürlich schaut den kein zwölfjähriger Mensch, ab Anfang 20 können Menschen mit dem Film aber schon etwas anfangen, denke ich. Dennoch verstehe ich Ihren Gedankengang: Hat man schon genug gelebt? War man schon lange genug Kind von jemandem? Hat schon eine Ablösung von den Eltern beziehungsweise vom Kind stattgefunden?

Im Film geht es um ein älteres Paar, dessen Beziehung in einer Sackgasse steckt. Er ist sehr düster. Haben Sie jemals einen Film gedreht, in dem so viel Dunkelheit herrscht?

Nein, nicht, dass ich wüsste. Ich habe in einem Kinderfilm mitgespielt, „Lippels Traum“, eine Paul-Maar-Verfilmung. Der Film hatte auch etwas Düsteres, in der Traumwelt des Protagonisten habe ich eine sehr böse Person gespielt. Auch Helmut Dietl hat in seinem Ehedrama „Vom Suchen und Finden der Liebe“ manchmal Dunkelheit inszeniert, immerhin die griechische Unterwelt. Aber so dunkel wie hier war es noch nie.

Man könnte ja fast sagen, eine wichtige Nebenrolle spielen die Rollläden.

Die sind ganz relevant, die sind der Regisseurin des Films, Neele Vollmar, enorm wichtig. Das Haus spielt ebenfalls eine Nebenrolle. Die Suche nach einem passenden Gebäude war sehr intensiv, Neele hat uns daran teilhaben lassen: Welches Haus wird’s, welches Haus bekommen wir?

Im Gegensatz zu Fensterläden in Ländern wie Italien, die aufgeklappt werden, wodurch das Licht sofort einfällt, schleicht es bei Rollläden erst allmählich in den Raum. War das wichtig?

Absolut. Hans spricht an einer Stelle von „diesen Scheiß Rollläden“. Rita hingegen ist erstens hartnäckige Energiesparerin, und zweitens bedeutet es ihr viel, dass sie langsam in den Tag hineingeht. Und sich langsam vom Tag verabschiedet. Das erzählt eine Menge über sie als Person. Darum geht sie ja auch schwimmen. Sie zieht langsam ihre Bahnen, um ihre innere Ruhe zu bewahren. Rita geht deswegen eben nicht joggen. Ich musste in so vielen Filmen schon joggen. Aber ich habe dadurch den jeweiligen Produktionen auch schon sehr viele Laufschuhe zum halben Preis abkaufen können…

Rita und Hans leben bereits seit mehr als 30 Jahren zusammen. Wenn Sie Ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen zugrunde legen: Ist es ein zwangsläufiger Prozess, dass man nach so langer Zeit irgendwann nur noch nebeneinanderher lebt?

Ich habe für diesen Film nicht intensiv recherchiert, nach dem Motto: Ich kann die Rolle erst spielen, wenn ich mich mit soundso vielen älteren, eheerfahrenen Paaren unterhalten habe. Ich habe viele Gespräche mit Neele geführt, wir haben zu dritt mit meinem Filmpartner Ulrich Tukur viel geprobt. Ansonsten konnte ich aus meinen Beobachtungen schöpfen und habe die unbefriedigende Antwort, dass ich beides kenne.

Nämlich?

Ich kenne Paare, die schon sehr lange Zeit zusammen sind, die sich eingerichtet haben, aber keine Nähe mehr zueinander spüren. Das ist dann wie bei Rita und Hans. Ich beobachte aber auch das andere Extrem. Ich kenne ebenso Paare, die etwas Symbiotisches haben. Aber nicht in dem negativen Sinne, in dem das Wort häufig benutzt wird. Sondern diese Paare leben miteinander, sie wohnen nicht nur, sie leben miteinander. Und man merkt, dass sie einander zum Leben brauchen. Das finde ich toll.

Geht es ohne Beziehungsarbeit?

Ist, um eine gute Beziehung zu führen, immer auch – schreckliches Wort – Beziehungsarbeit notwendig?

Natürlich gibt es Beziehungen, in denen es einfach flutscht. Aber ich denke, in den meisten Fällen ist Beziehungsarbeit angebracht. Man muss immer wieder mal zwischendurch checken: Ist das für dich okay? Ist es in Ordnung so, wie es jetzt gerade in unserer Beziehung läuft? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Warum fühlt es sich für dich gerade nicht gut an? Warum bist Du gerade nicht glücklich? Das ist dann alles Beziehungsarbeit.

Ist es für Beziehungen wichtig, einander Fragen zu stellen?

Ja. Absolut! Und gar nicht immer nur die Frage: Bist Du gerade glücklich? Sondern auch den Alltag erkunden: Mit wem war heute nochmal dein Meeting, und wie war es denn, du hattest ja ein wenig Bammel davor, oder? Und dann natürlich als Partner, als Partnerin den Ball zurückspielen. Im Idealfall ist das dann nicht irgendein geplantes Abfragen, sondern wirklich genuines Interesse. Bestenfalls entsteht daraus ein wirkliches Gespräch. Aber wir reden hier gerade viel über klassische Beziehungen, wie sie eben auch Rita und Hans führen. Mich faszinieren auch moderne Ansätze.

Welche meinen Sie?

Ich finde es oft sehr schön anzusehen, sehr schön zu erleben, wie in manchen Beziehungen Freiheit definiert wird. Ich mag es auch, offene Beziehungen zu beobachten. Ich kenne jetzt eine Dreierbeziehung, zwei Männer und eine Frau, die ein Kind miteinander haben. Tipptopp läuft das, das gefällt mir total gut.

In offenen Beziehungen ist es noch wichtiger, viel miteinander zu reden.

Ja, die reden. Und reden. Ich würde es nicht aushalten. Aber es läuft super. Da freut man sich jetzt schon für das Kind.

Großes Interesse an der Schulzeit

Sollte man denn alles in einer Beziehung miteinander teilen, alles besprechen?

Das ist die Frage: Was will ich denn alles wissen? Sollte man früh klären, denke ich. Will ich wirklich alles über die vergangenen Beziehungen des Partners, der Partnerin erfahren? Ich zum Beispiel bin immer interessiert an Erfahrungen aus der Schulzeit: Wie war’s für den Partner in der Schule, und so weiter, das finde ich extrem wichtig. Deswegen empfinde ich auch Klassentreffen als superspannend.

Was auch deutlich wird, ist ja die Beziehung zwischen Rita und Gitti, die Arbeitskollegen sind, die aber auch etwas Freundschaftliches verbindet. Für manche Menschen bilden Freunde und Freundinnen mittlerweile einen Familienersatz, manchmal sogar einen Beziehungsersatz. Was bedeuten Ihnen Freundschaften?

Ich habe zwei beste Freunde, männlich, und eine Lieblingsfreundin, wir sind einander sehr verbunden. Alle drei sind ganz wichtige Menschen in meinem Leben. Definitiv! Sie wissen alles über mich. Aber Partnerschaft und Freundschaft zu vergleichen oder zu bewerten finde ich verkehrt. Freundschaften haben sich in den vergangenen Jahren ja auch verändert, sind in die digitale Welt gewandert.

Was im Film kaum vorkommt, sind Handys. Man liest heute öfter, dass junge Menschen sich von ihren Smartphones verabschieden und sogenannte Dumbphones anschaffen…

… Dumbphones?

Telefone, die nichts können, außer Telefonieren und SMS schreiben, die also „dumm“ sind.

Da bin ich Spezialistin, weil ich noch nie ein Smartphone besessen habe, sondern nur einfache alte Nokia-Dinger nutze. Ich werde immer noch sehr oft gefragt: Wie schaffst du das? Antwort: Ich kenne es nicht anders, also ist das keine große Errungenschaft, keine Heldentat oder Superkraft. Ich fühle mich einfach wohl ohne Smartphone.

Spüren Sie keine Einschränkungen, wenn nahezu alle anderen Menschen um Sie herum ein Smartphone besitzen und nutzen?

Ich möchte es nicht, deswegen bin ich den Schritt zum Smartphone nie gegangen. Ich möchte nicht ständig erreichbar sein, ich möchte auch nicht die andauernde Auseinandersetzung mit dem Telefon. Und ich möchte auch nicht alles sofort verhandeln. Wenn Sie mir eine Mail schreiben, wissen Sie, da kommt jetzt erstmal keine Antwort, weil ich die Mail unterwegs gar nicht lesen kann. Sie müssen dann mal bis abends warten, wenn ich wieder am Laptop sitze, oder auch bis zum nächsten Tag, wenn ich beispielsweise mit dem Zug fahre und dort den Laptop anschalte. Das ist natürlich ein Privileg, dass sich Menschen mit denen ich verwandt oder befreundet bin, damit arrangieren. Das Feedback lautet übrigens oft: So hätte ich das auch gerne. Aber die Umsetzung ist wohl zu schwierig.

Das Bild zeigt Schauspielerin Anke Engelke in der WDR-Talksendung Kölner Treff in den WDR-Studios in Bocklemünd. Foto: xChristophxHardtx/IMAGO/Panama Pictures

Ist auch ein gerngesehneer Gast im Fernsehen: Schauspielerin Anke Engelke in der WDR-Talksendung Kölner Treff in den WDR-Studios in Bocklemünd.

Momentan wird viel über Handyverbote an Schulen diskutiert. Finden Sie dies sinnvoll? Oder müssen Kinder in den Schulen auch Medienkompetenz lernen?

Dann nehme ich B. Denn die Smartphones haben nicht nur Nachteile. Wir dürfen die Dinger auch nicht verteufeln, da wäre ich vorsichtig. Ich würde auch die sozialen Medien nicht verteufeln, weil dort auch viel Bemerkenswertes passiert, was essenziell und richtig und gut ist. Ich würde mir allerdings eine Welt wünschen, in der Menschen wieder mehr miteinander reden und aneinander interessiert sind, sich Zeit füreinander nehmen. So ein Smartphone suggeriert ja oft, du gewinnst Zeit.

Was überhaupt nicht stimmt.

Nein. Ich merke an keiner Stelle, dass die Menschen dank ihrer Smartphones mehr Zeit zur Verfügung haben. Stattdessen bin ich häufig die Einzige, die Zeit hat, und die sich die Ruhe nimmt und die Muße hat, Bücher zu lesen, Gespräche zu führen, zuzuhören oder auch mal die Klappe zu halten – und auch mal etwas nicht zu wissen. Ich weiß sehr viel nicht. Ich kenne viele Phänomene nicht, die im Internet ein großes Thema sind. Aber ich überlebe dieses Nichtwissen. Ich bin deswegen ja nicht gestrig und auch nicht uninformiert. Ich habe andere Quellen. Ich finde Lesen einfach interessanter als über ein Smartphone zu wischen.

Im Moment sind Sie in der Marketingkampagne der Deutschen Bahn, „Boah, Bahn“, zu sehen. Dafür haben Sie sogar ein Praktikum bei der Bahn absolviert. Warum ist Ihnen wichtig, das Image des Unternehmens aufzubessern?

Gesicht der Kampagne „Boah, Bahn“

So groß habe ich vor dem Praktikum gar nicht gedacht, mir ging es ja mehr darum, die Stimmung in den Zügen zu studieren und zu verstehen. Dass das Bordpersonal bitte weniger beschimpft werden sollte, hat ja mit Image nix zu tun: Ich würde mich einfach freuen, wenn wir einander höflicher begegnen würden und das Unternehmen für Pünktlichkeit sorgen könnte.

Verstehen Sie die Kritiker, die jetzt sagen: Mit ein bisschen Humor und einer solchen Kampagne verbessert sich nichts, das Unternehmen sollte stattdessen Probleme wie die massiven Verspätungen ernst angehen?

Klar. Wenn ich meinen Urlaubsflieger verpasse, weil Züge ausfallen, oder ich nicht pünktlich zum Familienfest komme, helfen auch keine lustigen Bahn-Spots.

Wird die Kampagne fortgeführt? Machen Sie weiter?

Also, Ideen und Lust hätte ich unbedingt, die Zusammenarbeit war traumhaft.