„Hart aber fair“Bauer kritisiert Bundesregierung – Sendung startet in neuem Format

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Carsten Schneider (SPD, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland), Carsten Linnemann (CDU, Generalsekretär), Sahra Wagenknecht (BSW) und Moderator Louis Klamroth.

Carsten Schneider (SPD, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland), Carsten Linnemann (CDU, Generalsekretär), Sahra Wagenknecht (BSW) und Moderator Louis Klamroth.

Zurück aus der Winterpause: Am Montag wurde bei „Hart aber fair“ wieder diskutiert – diesmal über die Unzufriedenheit in Deutschland.

Tausende Menschen sind in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen, um zu demonstrieren. Ob sie sich gegen Beschlüsse der Ampel-Regierung wehren oder ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen wollten - sie haben eins gemein: Die aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland haben sie vor die Tür gebracht.

Zwischen Wut, Protesten und neuen Parteien fragt Louis Klamroth in der jüngsten Ausgabe des Polittalks „hart aber fair“ im ARD angesichts dieser Herausforderungen, wer Deutschland noch zusammenhält. Spoiler: In seiner Sendung hielt an diesem Abend kaum einer zusammen.

Die Gäste bei „Hart aber fair“

Alles zum Thema Hart aber fair

  • Carsten Schneider (SPD), Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland
  • Carsten Linnemann (CDU), Generalsekretär
  • Sarah Wagenknecht (BSW), Gründerin und Vorsitzende Bündnis Sahra Wagenknecht
  • Zuhra Visnijc, Friseurmeisterin aus Remscheid
  • Tijen Onaran, Unternehmerin und Autorin
  • Nils Kumkar, Soziologe an der Universität Bremen, Projektleiter am „Forschungsinstitut gesellschaftlicher Zusammenhalt“
  • Maria Fichte, engagiert im Netzwerk „Freiberg für alle“

Nachdem „hart aber fair“ im letzten Jahr eine neue Produktionsfirma engagierte, startete das Format an diesem Montag mit neuem Konzept. Ziel soll es zukünftig sein, auch jüngeres Publikum anzusprechen, digitaler zu werden und Bürger stärker in den Fokus zu rücken. Die Bürger kamen zu Wort – allerdings nicht wirklich ins Gespräch mit den anwesenden Politikern.

„Ich habe immer gedacht, dass wenn man fleißig arbeitet, man dafür belohnt wird – das ist heute nicht mehr so“, beginnt die Friseurmeisterin Zuhra Visnijc die Debatte um die Unzufriedenheit in Deutschland. Sie habe Existenzängste, berichtet sie. Warum die SPD als Arbeiterpartei sich nicht um die Arbeiter in Deutschland kümmere, ist ihr ein Rätsel.

„Die Politiker streiten und reden, machen aber nichts“

Showtime für die anwesenden Politiker, allen voran für Carsten Schneider von der SPD, der die Chance hat, seine Partei vor seiner Wählerin zu verteidigen. Schneider plädiert dafür, dass Arbeit sich weiterhin lohnen und sinnstiftend sein soll. Die Wirtschaftslage sei viel besser als die allgemeine Stimmung im Land, sagt er. Eine wunderbar optimistische Einschätzung, die bei der Friseurmeisterin aber nicht ankommt. Ihr Gefühl, nicht gehört zu werden, verstärkt sich wohl eher.

Auch Sarah Wagenknecht kommt erstmals zu Wort. Sie schließt sich der Enttäuschung über die Bundesregierung an, es kommt zur aufgeladenen Diskussion und zum Stimmenwirrwarr zwischen ihr und Carsten Schneider. Carsten Linnemann erkennt das Problem, das sich in den Augen der weiteren Gäste durch den ganzen Abend ziehen wird: „Die Politiker streiten und reden, machen aber nichts“.

82 Prozent seien unzufrieden mit der Ampel-Regierung

Die Unzufriedenheit mit der deutschen Politik ist der Knackpunkt der Debatte. 82 Prozent seien enttäuscht von der Ampel-Regierung, sagt Klamroth. Eine ernüchternde Zahl. Wenn man sich die Diskussion der Anwesenden anschaut, ist diese Unzufriedenheit auch mehr als spürbar.

2024 wird zwar die Einkommenssteuer gesenkt, allerdings werden viele Abgaben auch erhöht. Dazu gehören Energiepreise, Krankenkassenbeiträge und auch die Mehrwertsteuer in Restaurants. Das Institut der deutschen Wirtschaft kommt zum Schluss, dass von den Einsparungen der Einkommenssteuer meist nur wenig bleibt; Alleinerziehende mit niedrigem Einkommen müssen sogar draufzahlen.

Reichlich Klagen, doch an Vorschlägen mangelt es

Vorschläge, wie man dieses Problem beheben kann, sind rar. Sarah Wagenknecht wirft die Senkung der Energiekosten in den Raum, die Abschaffung des Bürgergelds kommt von Carsten Linnemann, Carsten Schneider baut auf die Stärke der deutschen Volkswirtschaft, die gerade eben im Wandel sei. Louis Klamroth bringt das Klimageld ins Gespräch, das jedoch in dieser Legislaturperiode nicht mehr verwirklicht werden könne, so Carsten Schneider.

Zuhra Visnijc hätte das Klimageld sowieso nicht geholfen, sagt sie. Und so gehen die Klagen weiter: Ein Bauer, der zu Wort kommt, ist sich sicher: „Schlechter hätte die Politik es nicht machen können“. Maria Fichte, die eine Demonstration gegen rechts in Freiberg organisierte, bemängelt die schlechte politische Repräsentation auf kommunaler Ebene. Die Unternehmerin und aus „Die Höhle der Löwen“ bekannte Investorin Tijen Onaran ist enttäuscht über die Ohnmacht der Regierung.

Das Grundrauschen Enttäuschung

Die Enttäuschung sei ein Grundrauschen in der Demokratie, erklärt Nils Kumkar, und sei somit völlig normal. In den letzten Jahren sei sie durch die sozialen Medien nur noch viel sichtbarer geworden. Selbst die sachlich gerechteste Politik könnte die Bürger dann nicht glücklich machen. Und genau diese Enttäuschung könne von Parteien wie der AfD ausgenutzt werden.

Handlung muss also her, um dem entgegenzuwirken. Auch Onaran wünscht sich eine starke Politik, die Mut zum Handeln hat. Mehr noch: Sie wirft der Politik vor, nicht ihre Aufgaben erfüllt zu haben. Auf der Straße zu demonstrieren sei nicht die Aufgabe der Bürger, sondern nur notwendig, weil die Regierung es zuvor verpasst habe, passende Rahmenbedingungen zu schaffen. Doch genau diese Haltung könnte fatal sein. Denn die Beteiligung der Bürger sei wichtig.

Obwohl das Gespräch an diesem Montag keinen wirklichen Konsens hervorbrachte, so lässt sich nämlich zumindest eine Essenz daraus ziehen: Die Unzufriedenheit erschwert die Gespräche. Umso wichtiger ist der Schlusssatz Linnemanns. „Wir sind alle Demokratie. Wir dürfen nicht in ‚Wir oben‘ und ‚Wir unten‘ einteilen.“ So kann auch das Vertrauen in die Demokratie zurückkehren. (abs)

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