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Känguru-Autor Marc-Uwe Kling„Dagobert Duck würde nicht mal zu den Top 25 der Reichsten gehören“

6 min
Marc-Uwe Kling sitzt auf einer Treppe

Der Autor und Satiriker Marc-Uwe Kling

Mit „Elon & Jeff on Mars“ veröffentlicht Satiriker Marc-Uwe Kling einen Comicband über die ärmliche Utopie zweier Superreicher.

Marc-Uwe Kling, in Ihren „Känguru-Comics“, die zusammen mit dem Zeichner Bernd Kissel entstanden sind, tauchen die Abenteuer von Elon Musk und Jeff Bezos als einzige Bewohner des Mars unvermittelt in einem Strip als Schnapsidee am Küchentisch auf. Wie war das in Wirklichkeit?

Marc-Uwe Kling: So ähnlich. Ich meine, von Musk weiß man ja, dass er eine Raketenfirma hat und zum Mars will. Irgendwann habe ich über Bezos gelesen, dass er auch eine Raketenfirma hat und zum Mars will. Und ich dachte, wie verrückt ist das denn? Die beiden reichsten Typen der Welt wollen gar nicht auf unserem Planeten sein. Und das muss doch eine superlustige Sitcom werden, wenn man die beiden realitymäßig dabei filmt, wie sie auf dem Mars sind und dann doch nicht miteinander klarkommen.

Jetzt haben Sie und Kissel neue Abenteuer von „Elon & Jeff on Mars“ als Comic-Band veröffentlicht, aus Musk und Bezos sind dabei Dusk und Jezos geworden. War das nicht von der Kunstfreiheit gedeckt?

Ich weiß nicht. Vielleicht hat Carlsen Angst davor, aufgekauft und gegen die Wand gefahren zu werden.

Jeff Jezos überfällt im Band die Erkenntnis. „Wir sind hauptsächlich hier, weil wir als Teenager schon so viel Science-Fiction gelesen haben.“ Die Raumfahrt-Utopie ist in der Generation dieser Milliardäre äußerst positiv besetzt, als hehres Ziel der Menschheit. War das, Ihrer Meinung nach, immer schon eine dumme Utopie?

Ich habe als Kind auch viel Science-Fiction gelesen. Ich ärgere mich, dass diese Typen diese Utopie okkupiert haben.

Viele Zukunftsentwürfe lassen sich gleichzeitig als Satire lesen. Insofern reiht sich Ihr Comic-Band durchaus in den SF-Kanon ein

Vielen Dank. Sie meinen, ich inspiriere die nächsten Kinder dazu, tatsächlich eine WG auf dem Mars aufzumachen?

Muss das denn unbedingt etwas Schlechtes sein?

Ich sage mal so, wenn die beiden Typen zum Mars wollen, dann guten Flug. Das ist gar nicht das Problem. Das Problem ist, dass hier auf der Erde eine Art von Überreichtum entstanden ist, die demokratiebedrohend ist. Also wenn jemand wie diese beiden Typen sich einfach ein Massenmedium kaufen kann und dann als Einzelperson nach gutem Dünken darüber entscheidet, was den Menschen angezeigt wird und was nicht, dann gefährdet das unsere Meinungsfreiheit und unsere Demokratie. Wenn andere Milliardäre, die ihre Kohle mit Kohle gemacht haben und mit Öl und mit Gas, ihre Millionen dafür benutzen, die Klimakrise zu leugnen, dann gefährdet das die Lebensgrundlage auf diesem Planeten. Und dann kommen wir jetzt zum KI-Wettrennen. Das wird nach reinen Profitmotiven betrieben. Niemand guckt darauf und sagt, ihr macht hier gerade eine Technologie, die das Potenzial hat, alles zu verändern.

Der Mars ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass hier auf der Erde eine Art von Überreichtum entstanden ist, die demokratiebedrohend ist.
Marc-Uwe Kling

Was sollte denn geschehen?

Wir brauchen dringend Sicherheitsmaßnahmen. Wir wollen doch nicht, dass das Ganze in einem Terminator-Szenario endet. Die Person, die aktuell diese Sicherheit einfordern müsste, ist Donald Trump, also auch ein ganz übler Milliardär, der hauptsächlich daran interessiert ist, sich selbst zu bereichern. Der Mars selbst ist gar nicht das Problem, der steht hier symbolisch für den Überreichtum.

Wer die Vertragsbedingungen von Musks Starlink-Satellitennetzwerk liest, findet im Kleingedruckten den Unterpunkt: Der Nutzer erkennt den Mars als freien Planeten an. Das ist eine völlig andere Utopie, der Mars als neuer Wilder Westen.

Die eigentliche Frage lautet, was verstehst du unter Freiheit? Diese Libertären verstehen Freiheit gerne als Freiheit von jeglicher Verantwortung. Das ist aber kein gutes Gesellschaftsmodell.

Sie haben den Reichtum von Musk mit dem von Smaug, dem Schatz hordenden Drachen aus dem „Hobbit“, verglichen.

Da gibt es eine „Forbes“-Liste. Das Magazin zählt regelmäßig die reichsten Menschen der Welt auf und hat auch mal eine Liste mit den reichsten fiktiven Figuren gemacht. Da war Smaug eben auf Platz zwei. Tatsächlich hat der aber signifikant weniger Vermögen als Elon Musk. Auf Platz eins war übrigens Dagobert Duck mit seinem Geldspeicher. Der Witz dabei ist, dass auch Dagobert Duck nicht mal zu den Top 25 der realen reichsten Menschen der Welt gehören würde. Wir Schriftsteller und Schriftstellerinnen scheitern offensichtlich daran, uns einen absurd reichen Menschen, oder eine Ente, auszudenken. Der Reichtum dieser Leute ist nicht mehr vorstellbar. Aber wenn ich mir Leute wie Musk oder auch Trump angucke, wirken die alle total unglücklich auf mich. Am Ende ist es halt doch nicht sinnstiftend, noch reicher zu sein als dein Nachbar. Ich finde, wir sollten schon aus reiner Menschenfreundlichkeit anfangen, ihnen Teile ihres Geldes wieder abzunehmen. Damit die glücklich werden können. Wenn die sehen, was man alles Gutes tun kann mit dem Geld, dann geht es denen bestimmt auch wieder besser. Meine Theorie.

Dieser Fantastilliarden-Reichtum scheint geradezu zu Karikatur- oder eben Comic-haften Verhalten zu verführen.

Ja, das sind wirklich Comic-Schurken. Das lässt sich doch kaum fassen, dass sich der reichste Mann der Welt damit beschäftigt, den ärmsten Menschen der Welt die Ernährungshilfe zu streichen. Da habe ich als Satiriker das Problem, dass ich mich frage, wie soll ich das noch überspitzen? Da muss ich sie dann schon zum Mars schicken.

Elon Musk und Jeff Bezos als Comicfiguren messen sich auf dem AMrs im Armdrücken

„Elon & Jeff on Mars“ erscheint am 30. September

Diese extreme soziale Ungleichheit, sagten Sie, gefährdet die Demokratien.

Sie gilt als einer von fünf Auslösern für den Zivilisationskollaps. Ich zähle die kurz mal auf, damit es Ihnen besser geht. Die anderen sind klimatische Veränderungen, technologische Disruption, Seuchen und ein militärisch hochgerüstetes Land, das einfach seinen Nachbarn überfällt. Dass sind die Faktoren, die eigentlich bei jedem gesellschaftlichen Zusammenbruch eine Rolle spielten.

Diese Multi-Krise erzeugt bei vielen Menschen aber zuerst einmal ein Gefühl der Ohnmacht.

Genau, und da kann Humor helfen. Diese politische Ohnmacht hat etwas mit Angst zu tun, vor den Umständen, vor diesen Figuren. Aber wenn man anfängt, sich über sie lustig zu machen, wenn man sie verlacht, dann verliert man zu einem gewissen Grad diese Angst. Das hilft vielleicht, aktiv zu werden.

Aber was kann denn der Einzelne ausrichten?

Ich glaube, wir brauchen große politische, systemische Veränderungen. Es ist großartig, wenn die Leute ihr eigenes Verhalten umstellen, um gegen die Klimakrise vorzugehen oder gegen die digitale Abhängigkeit von den USA. Aber das wird nicht reichen. Wir müssen das politisch und systemisch angehen. Und damit es überhaupt dazu kommen kann, muss man endlich wieder über Sachen reden, die hier totgeschwiegen werden. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Vermögenssteuer? Oder können wir mal darüber reden, dass wir uns im globalen Westen seit 45 Jahren in einem neoliberalen Experiment befinden? Es wurde behauptet, damals von Reagan und Thatcher, dass das Geld nach unten tröpfele, wenn die Reichen weniger Steuern bezahlen müssten, dass wir alle etwas davon haben. Nach so vielen Jahrzehnten können wir sagen: Das ist totaler Bullshit – und immer mehr Menschen scheinen das zu erkennen. Leider sitzen die noch nicht in unserer Regierung. Jetzt müssen wir nur noch dahin kommen, dass die Leute, die das erkannt haben, aufhören, Leute zu wählen, die das noch nicht erkannt haben.

Oder können wir mal darüber reden, dass wir uns im globalen Westen seit 45 Jahren in einem neoliberalen Experiment befinden?
Marc-Uwe Kling

Sie jedenfalls sind aktiv geworden und haben unter anderem eine Petition gegen Deepfakes durch KI ins Leben gerufen. Die haben Sie gerade der Justizministerin und dem Digitalminister überreicht. Wie haben die reagiert?

Sie haben zumindest erkannt, dass das wirklich ein Problem ist. Sie arbeiten jetzt mal dran, wir verfolgen das weiter und in einem halben Jahr gibt es ein zweites Treffen. Mehr konnte man sich von dem Treffen erstmal nicht erwarten.

Es ist jedenfalls höchste Zeit. Noch hat man zumindest das Gefühl, Fake-Videos als solche zu erkennen.

Na ja, wenn du getäuscht worden bist, weißt du ja nicht, dass du getäuscht worden bist. Deswegen entsteht da ein falscher Eindruck. Weil jedes Mal, wenn du es erkennst, weißt du, ich habe es erkannt. Deswegen denkst du, ich erkenne es in 100 Prozent der Fälle. Aber so ist es ja gar nicht.

Dass Gesetze nicht einfach über Nacht verändert oder beschlossen werden, hat ja gute Gründe. Aber im Moment hat man das Gefühl, dass die technologische Entwicklung diesen demokratischen Prozessen einfach davonläuft.

Ich glaube, man müsste deutlich vorausschauender Politik machen. Dieses Deepfake-Problem verschärft sich gerade massiv. Es war allerdings seit Jahren absehbar, man hätte auch früher aktiv werden können. So ist das bei ganz vielen Problemen. Die Klimakrise ist das beste Beispiel dafür. Die aktuelle Regierung verschleppt wieder alles, spielt auf Zeit und denkt, für unsere Legislaturperiode wird es schon noch halten.

Und wie geht es Ihnen als Satiriker? Haben Sie auch das Gefühl, die Entwicklungen kaum noch einholen zu können?

Nein. Ich kann schneller arbeiten als die Politik. Bei all dem, was aus „Qualityland“ schon wahr geworden ist, gibt es doch auch noch viele Sachen in meinem Roman, die zum Glück noch nicht so weit sind.

Sie haben nicht nur einen hohen Output als Autor, ihre Ideen, von den „Känguru-Chroniken“ bis zum „NEINhorn“, zünden ja auch. Warum funktioniert das so gut bei Ihnen?

Ich glaube, zumindest im Humorbereich, haben das Publikum und die Bühne viel damit zu tun. Ich bin inzwischen über tausendmal aufgetreten und dabei hat mir Publikum hart eingetrichtert, wie eine Pointe funktioniert, wie sie sitzen muss und wann sie nicht funktioniert. Irgendwann ist das so ein bisschen wie Fahrradfahren, dann kannst du das, ohne darüber nachzudenken.


Marc-Uwe Kling: „Elon & Jeff on Mars“, Carlsen, 80 Seiten, 20 Euro erscheint am 30.September 2025