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Kölner NachkriegsbilderSo wie es war, wird es nie mehr sein

Lesezeit 4 Minuten
Aufnahme des Kölner Doms, gesehen durch eine zerstörte Rheinbrücke.

Aufnahme des Kölner Doms von Karl Hugo Schmölz

Die Kölner Galerie Van der Grinten zeigt Aufnahmen des Fotografen Karl Hugo Schmölz, auf denen Kölner Orte vor und nach dem Krieg zu sehen sind. Es sind Bilder eines Trauerspiels.  

Als Karl Hugo Schmölz in die Fußstapfen seines Vaters Hugo trat, war dessen Fotostudio bereits eine Kölner Institution. 1939, ein Jahr nach dem Tod des Vaters, ging sein erster Köln-Bildband in Druck, bald darauf lag das „Antlitz einer großen Stadt“, so der Titel, weitgehend in Trümmern. Auf den Bildern, die Schmölz von dieser Ruinenlandschaft machte, zeigen sich keine Gefühle, sie sind eher nüchterne Bestandsaufnahmen. Aber gerade deswegen gleicht das zerstörte Historische Rathaus bei ihm dem Bühnenbild eines Trauerspiels, nachdem die Darsteller gegangen sind.

Als Architekturfotograf blickte Karl Hugo Schmölz offenbar so sachlich auf die Welt, dass er in seiner zerstörten Vaterstadt immer noch vor allem Baukörper sah. Gerade deswegen eignete er sich bestens für eine Bilderserie, mit der ihn 1947 Hans Schmitt-Rost, Leiter des Kölner Nachrichtenamts, beauftragte. Schmölz sollte eine Reihe von Vorher/Nachher-Bildern produzieren, auf denen sich stadtbekannte Gebäude, Straßen oder Orte in ihrem jeweiligen Zustand vor und nach dem Krieg vergleichen ließen.

Die Bilder sollten die Möglichkeiten des Kölner Wiederaufbaus illustrieren

Schmölz fertige damals 26 Diptychen an, die dem Kölner Stadtrat als Entscheidungshilfe in der Debatte um den Kölner Wiederaufbau dienen sollten. Im Kern ging es dabei um die Frage, inwiefern eine Rekonstruktion der Stadtmitte möglich, sinnvoll und einem echten Neuaufbau vorzuziehen wäre. Schmölz konnte bei diesem Auftrag auf die Glasnegative zurückgreifen, die er und sein Vater vor dem Krieg vom Dom, den romanischen Kirchen oder einer Ikone des modernen Bauens wie dem Disch-Haus angefertigt hatten. Für den bestmöglichen Vergleich stellte er seine Kamera nicht nur am selben Ort zur selben Tageszeit an der exakt selben Stelle auf; er griff dafür auch auf die alte Kamera zurück.

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Jetzt hängen 24 dieser Diptychen an den Wänden der Kölner Galerie Van der Grinten und lassen den verwunderten Besucher mit der Frage zurück, welchen Eindruck der Fotograf damals wohl bei den Zeitzeugen hinterließ: Ein Mann, der sich, wie die Fotopioniere des 19. Jahrhunderts, mit einer schweren Kamera seinen Weg durch die Ruinen bahnt, die 1947 immerhin bereits vom Großteil der mehr als 50 Millionen Kubikmeter Trümmermasse befreit worden waren.

Vielleicht war es für ihn eine Form des „Sühnedienstes“, wie ihn etwa Tausende NS-Parteimitglieder im Winter 1946 beim sechstägigen Schuttabtragen verrichteten; immerhin war Schmölz gerade erst aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt. Vielleicht war es aber auch nur ein Auftrag, den es, wie schon zu Vorkriegszeiten, so sachlich wie möglich zu bewältigen galt.

Seinen Auftrag erledigte Schmölz, der in den 1950er Jahren zu einem herausragenden Chronisten des bundesdeutschen Wirtschaftswunders wurde, mit der gewohnten Sorgfalt und mit wegretuschierten Emotionen. Auch an einem geborenen Architekturfotografen wie Schmölz wird der Anblick der zerstörten Vaterstadt sicherlich nicht spurlos vorüber gegangen sein. Sein Ideal blieb aber das sachliche, neutrale Bild: ohne störende Menschen, ganz auf den Baukörper konzentriert oder, wie in diesem Fall, was von ihm übrig geblieben war. Die Gegensätze sprechen dann für sich: Man sieht skelettierte Wahrzeichen, ausgestorbene Straßen, eine in Trümmer versunkene Welt

Schmölz zeigt den Dom durch ein Gewirr verbogener Stahlstreben

Ergänzt werden die Vorher/Nachher-Aufnahmen bei Van der Grinten um 20 private Ruinenbilder, für die Karl Hugo Schmölz die gleichen Mühen wie bei den Diptychen auf sich nahm. Auch hier scheinen die anklagenden Bilder, die etwa Hermann Claasen vom zerstörten Köln machte, mitunter unendlich weit entfernt, aber auch diese Aufnahmen haben eine nüchterne dokumentarische Qualität. Schmölz zeigt den Dom durch ein Gewirr verbogener Stahlstreben und das berühmte Disch-Haus als löchrige, vom Trümmerbergen gesäumte Baumasse. „In die Steinzeit zurückbomben“, diese zynische Drohung geht nicht von ungefähr auf die deutschen Stadtbilder nach 1945 zurück.

Man eröffne die Ausstellung bewusst zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine, betont Franz van der Grinten, auch wenn man die Bombardierung Kölns durch die Alliierten natürlich anders beurteilen müsse als die Putin’sche Aggression. Zur Mahnung gegen die Zerstörungswucht des Krieges gereichen aber gerade die Doppelbilder, auf denen lediglich ein Wimpernschlag zwischen Leben und Tod zu liegen scheint. Für den Kölner Stadtrat wurden die Diptychen in Bände geklebt, von denen heute noch drei bekannt und erhalten sind. Die Galerieabzüge stammen hingegen aus Schmölz‘ Archiv und haben, wie die Ausstellung als Ganzes, museale Qualität.

„Karl Hugo Schmölz: Über den Krieg“, Galerie Van der Grinten, Gertrudenstr. 29, Köln, Mi.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 12-18h, bis 15. April 2023. Eröffnung: Freitag, 24. Februar, 18-21 Uhr.

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