Max Ernst Museum BrühlWarum die Gemälde von Karin Kneffel visuelle Fallen sind

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Brühl – Eine Künstlerin presst die Nase an die Fensterscheibe eines Museums, das ihr in mehr als einer Hinsicht verschlossen ist. „Ich will da rein“, denkt sie sich, ein wenig vielleicht wie Gerhard Schröder, als er am Gitterzaun des Kanzleramts rüttelte, und danach beginnt sie diesen Blick zu malen und sich hinter dem magischen Glas eine Kunstgeschichte auszudenken, zu der sie auch selbst gehört.

So ähnlich und auch wieder ganz anders begann die Karriere der Düsseldorfer Malerin Karin Kneffel, deren Werk jetzt im Max Ernst Museum Brühl zu sehen ist. Als Kneffel um das Jahr 2008 vor den beiden Krefelder Museumshäusern Esters und Lange stand, hielt sie die Schlüssel zu den einstigen Industriellenvillen bereits in den Händen.

Karin Kneffel bewarb sich mit Museumsbildern fürs Museum

Sie sollte die im Bauhausstil entworfenen Nachbarhäuser für eine Ausstellung mit neuen Gemälden beliefern und suchte nach Fotografien aus ihrem privaten Innenleben. Allerdings fand sie nur Schwarzweiß-Aufnahmen, die nichts über das Leben der reichen Vorbewohner verrieten – außer ihrem Sinn für Kunst.

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Jetzt steht man in Brühl vor den Krefelder Fensterfront-Formaten und sieht, was Kneffel im Inneren der leergeräumten Villen sah: ein geschmackvoll eingerichtetes, etwas diffuses Leben, in dem die Gemälde und Büsten an der Wand zum modernen Grundriss passen und umgekehrt.

Man schaut auf diese Welt wie in ein träumerisch beleuchtetes Aquarium, an den Glasscheiben hängen riesigen Wassertropfen und werfen Lichtflecke ins Innere. Das ist so virtuos gemalt, wie es sich für eine Meisterschülerin von Gerhard Richter zu gehören scheint, und wenn man sich vorstellt, man stünde in den Krefelder Museumsvillen vor und zugleich in dieser Bild-im-Bild-Malerei, sieht man Kneffel statt mit dem Pinsel mit dem Zaunpfahl winken. Ihre Gemälde treten die Nachfolge der Gemälde an, die auf ihren Gemälden zu sehen sind.

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Es ist keine Schande, sich mit Bildern, die Kunsträume zeigen, für den Einzug in eben diese Kunsträume zu bewerben, schließlich brauchen auch Museumsdirektoren manchmal einen kleinen Schubs in die richtige Richtung – bei privaten Sammlern war Kneffel hingegen schon vor ihrem Krefelder Gastspiel sehr erfolgreich.

Man könnte es allenfalls etwas durchsichtig finden, wie Kneffel uns von der eigenen Museumsreife überzeugen will und gedankliche Tiefe durch die gemalten Tiefenstrukturen ihrer Bilder beschwört.

Von ihrem Lehrer Gerhard Richter hat Kneffel die Vorliebe für eine verschwommene Fotooptik übernommen, die sie anders als Richter allerdings mit kräftigen Farben und diskreten fantastischen Elementen mischt. Auf ihren Dalmatiner-Gemälden löst sich das Spiegelbild des Tiers von seinem Körper, was man allerdings erst erkennt, wenn man die in Bohnerwachs geradezu schwimmenden Böden näher betrachtet.

Auf anderen Bildern verwischt die Grenze zwischen Innen und Außen, Realität und Fiktion, etwa indem Kneffel Filmszenen mit malerischen Effekten überblendet oder Fernsehbilder aus dem Wohnzimmer in den Garten spiegelt. Überhaupt scheint sie sich eher in der Wunschmaschine des Kinos zuhause zu fühlen als in der Wirklichkeit einer Fotografie.

Von ihrem Lehrer Gerhard Richter übernahm sie die verschwommene Fotooptik

Auch der Filmkomödie ist Karin Kneffel nicht abgeneigt. Sie baut Stolperfallen in ihre Bilder ein, malt einen schlafenden Kellner im Museumscafé, rührt manchmal mit Wonne Kitsch zusammen oder legt einem jagenden Fernsehmädchen einen Tiger als Bettvorleger vor die Flinte.

Selbst Gerhard Richter bleibt nicht verschont, wenn Kneffel Museumsbesucher in einer Serie vor dessen berühmten „Betty“-Gemälde zeigt. Auch hier schaut sie durch eine Fensterscheibe von draußen nach drinnen, auf dem Glas liegt ein zarter Wasserhauch, durch den sie den Menschen mit dem Finger Fratzen und Konturen zieht.

Am Ende geht man schmunzelnd heim. Und letztlich ist es schon wieder bewundernswert, dass sich heute überhaupt noch jemand den gesteigerten Mühen des Illusionismus unterzieht.

„Karin Kneffel. Im Augenblick“, Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstr. 42, Brühl, Di.-So. 11-18 Uhr, bis 28. August. Katalog: 45 Euro.

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