Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Mockumentary „Andere Eltern“Jetzt sind sie endgültig verrückt geworden

4 min
Paula (Maike Jütendonk) und Walter (Henning Krautmacher) sind mit den selbsternannten Lehrern komplett überfordert.

Paula (Maike Jüttendonk) und Walter (Henning Krautmacher) sind mit den selbsternannten Lehrern komplett überfordert.

In Köln-Nippes macht Regisseur und Produzent Lutz Heineking jr. in der Spielfilm-Fortsetzung seiner Serie Eltern zu Lehrkräften.

Die Hölle, das sind die anderen, heißt es bei Sartre. Im Fall der Mockumentary über die Gründung einer Kita in Köln-Nippes, die vor sechs Jahren von TNT Comedy veröffentlicht wurde, war auch klar, wer diese anderen genau sind. „Andere Eltern“ nannte Regisseur und Produzent Lutz Heineking jr. seine Serie, in der die Journalistin Ini Züger (Johanna Gastorf) ihre Tochter Nina (Lavinia Wilson) und andere Mütter und Väter dabei begleitete, wie sie eine Kita, die „Krimskramkids“ gründeten.

Den Wahnsinn des Lebens von Helikoptereltern fingen Heineking jr. und Autor Sebastian Züger von der ebenfalls in Nippes ansässigen Produktionsfirma Eitelsonnenschein mit einem improvisierenden Ensemble auf das Schönste ein. Zwischen veganer Ernährung, Globuli und Schamanismus konnte man auf sehr, sehr unterhaltsame Weise viel über unsere Gesellschaft lernen.

Die Helikopter-Eltern kehren in Spielfilmlänge zurück

Es gab eine Nominierung für den Grimme-Preis und eine zweite Staffel, die ähnlich unterhaltsam war. Fünf Jahre ist das her. Doch jetzt sind die Helikopter-Eltern aus der Nippeser Wohlstands-Bubble in Spielfilm-Länge und dieses Mal im ZDF zurück. Und man muss es deutlich sagen: Nun sind sie endgültig verrückt geworden. Das ist Fluch und Segen zugleich. 

Die Kinder sind der Kita entwachsen, und so haben Nina (Lavina Wilson ist dieses Mal nur in einer Nebenrolle zu sehen, weil Nina als erfolgreiche Buchautorin ständig unterwegs ist) und ihr Mann Jannos (Jasin Challah), Anita (Nadja Becker) und Lars (Sebastian Schwarz), Nike (Henny Reents), ihr Bruder Malte (Daniel), Björn (Serkan Kaya) und Yaa (Rebecca Lina) die famose Idee, einfach eine Grundschule zu übernehmen und gleich selbst zu unterrichten.

Dass das nur schiefgehen kann, ist natürlich abseits der enthusiastischen Neupädagoginnen und -pädagogen allen klar, allen voran Lehrer Walter (Ex-Höhner-Frontmann Henning Krautmacher schlägt sich erstaunlich gut), Lehrerin Paula (Maike Jüttendonk), die einst Erzieherin in der besagten Kita war und auf Grundschullehramt umschulte, um den irren Eltern zu entkommen, und Schulleiterin Frau Marx (Veronica Ferres). Doch der Lehrermangel setzt den Fachkräften zu und weil Start-up-Unternehmer Björn auch noch Geld für den Förderverein gibt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als dem Plan zuzustimmen.

Frau Marx (Veronica Ferres, M.) hat schlechte Neuigkeiten für Jannos (Jasin Challah, l.), Nike (Henny Reents, r.) und die anderen Lehrkräfte: Die Schule muss schließen!

Frau Marx (Veronica Ferres, M.) hat schlechte Neuigkeiten für Jannos (Jasin Challah, l.), Nike (Henny Reents, r.)

Ein bisschen krankt die Neuauflage (Buch: Lutz Heineking, jr., Laura Solbach, Sebastian Züger, Tankred Lerch, Archana Arumainayagam) daran, dass die Grundidee dieses Mal zu abgedreht ist. Eltern, die eine Kita gründen, ist ein realistisches Szenario, Eltern, die zwar keine Ahnung haben, aber selbst unterrichten, nicht. 

Wem man diese Kröte aber einmal geschluckt hat, macht auch „Andere Eltern - Die 1. Klasse“ vor allem einfach großen Spaß und beleuchtet ganz nebenbei auch noch die Probleme unseres Bildungssystems. Lutz Heineking jr. kann sich einmal mehr auf sein äußerst spielfreudiges Ensemble verlassen. Wie schon in den zwei Staffeln der Serie gibt das Buch die Handlung vor, doch die Dialoge sind weitestgehend improvisiert. Und das funktioniert erneut erstaunlich gut.

Ob nun Björn, der seinen neu erworbenen Reichtum nutzt, um esoterische Weisheiten von sich zu geben oder Malte, der es als Schauspieler den Kindern persönlich übelnimmt, wenn sie im Krippenspiel nicht so performen, wie er es sich vorstellt - hier haben alle mindestens eine, wenn nicht eine ganze Handvoll Schrauben locker. Das macht sie aber irgendwie auch sehr liebenswert.

Das Konzept des Films geht vor allem deshalb auf, weil alle selbst im größten Irrsinn mit heiligem Ernst agieren. Veronica Ferres beweist ihr komödiantisches Talent, spielt aber angenehm zurückgenommen, was einen guten Kontrast zu den irrlichternden Eltern bietet. Auch Johanna Gastorf lässt Ini mit nur kleinen Gesten verdeutlichen, was sie von dem Geschehen hält. 

Es ist vielleicht ganz gut, dass das ZDF diesen Film in den Sommerferien ausstrahlt. Wer sich dieses Chaos angesehen hat, braucht danach dringend ein bisschen Abstand von allem, was mit Schule zu tun hat.


„Andere Eltern - Die 1. Klasse“ ist in der ZDF-Mediathek zu sehen. Das ZDF strahlt den Film zudem am 24. Juli um 20.15 Uhr aus.