Neuer Köln-ComicDämonen im Karnevalskostüm, Höllenmassaker im Dom

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Seite aus Comic "Ein verdammter Handschlag"

Seite aus Comic 'Ein verdammter Handschlag'

„Ein verdammter Handschlag“, das Comic-Debüt von Matze Ross und Jan Bintakies, macht Köln zum Schauplatz einer schwarzhumorigen Fantasy-Geschichte. 

Luca Stoffels heißt weder Magister noch Doktor gar, aber als ihm ein Fremder in einem Café unweit des Kölner Doms einen faustischen Pakt anbietet, schlägt er sofort ein. Nicht, um mit Teufels Hilfe zu irgendeiner Art von tieferer Einsicht zu gelangen. Sondern schlicht, weil er die 6000 Euro, Cash auf Kralle, die ihm der rotbärtige Spinner für einen Handschlag angeboten hat, gerade dringend gebrauchen kann.

Stoffels schlägt sich nämlich als Kleinkrimineller durch und ist als solcher der wahrscheinlich erfolgloseste Mann des Milieus. Gerade hat er den Porsche seines Drogenlieferanten aus Versehen – die Handbremse! – im Rhein versenkt. Mit dem wiederum er sich nur eingelassen hat, weil seine Ex-Freundin, die Domina Lilly, seine Wohnung ausgeräumt hat, nachdem sie ihn dort mit einer neuen Flamme erwischt hat.

Nein, eine Gelehrtentragödie wie beim guten Goethe ist „Ein verdammter Handschlag“, das Comic-Debüt von Szenarist Matze Ross und Zeichner Jan Bintakies weiß Gott nicht. Eher ein wilder, schwarzhumoriger Ritt. Ein echter Köln-Comic sozusagen: Offensiv schlampig, leicht prollig, mit einem Bein im Mittelalter. Um die Vorteile des Deals zu genießen – Reichtum, Gesundheit, schöne Frauen – bleiben Stoffels gerade mal 24 Stunden, dann, mahnt der Fremde, werde sich ein Dämon namens Faffner seine Seele holen.

Ein faustischer Pakt an Weiberfastnacht

Egal, denkt sich Stoffels, et hätt noch immer jot jejange, Hauptsache Bargeld. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem er nach erfolgtem Handschlag volltrunken und selbstbesoffen seine Wohnung betritt. Was er dort sieht, lässt ihn alle Hoffnung fahren.

Mit dem furchteinflößenden Gegenschuss lassen sich Ross und Bintakies 24 Seiten Zeit. Zuerst einmal lassen Sie ihre Leserinnen und Leser ähnlich hilflos in die Geschichte stolpern wie Stoffels in sein Verhängnis. Er erzählt einem Freund im Ganzkörper-Hasenkostüm von seiner Notlage, schachtelt langsam Fehlentscheidung um Fehlentscheidung dazu, bis dieser Reißaus nimmt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Dabei geht der Spaß erst richtig los.

Warum das Hasenkostüm, fragen Sie? Weil die Geschichte selbstverständlich an den tollen Tagen spielt, vom Wieverfastelovend bis zur Nubbelverbrennung. Zwischen denen hier seltsamerweise nur die erwähnten 24 Stunden Vorhölle liegen. Entweder, weil der Straßenkarneval sowieso zu einem einzigen langen Durchfeiertag verschmilzt. Oder weil der Showdown – Dämonenkampf! Beziehungsdrama! – sehr viel mehr Zeit als Comic-Seiten einnimmt.

Als hätte Ralf König für das Comic-Magazin „Métal hurlant“ geschrieben

Angesichts der Handlungs- und Actionfülle von „Ein verdammter Handschlag“ fällt das eh kaum auf. Es ist fantastisch, manchmal extrem blutig – Nonnen werden geopfert, Polizisten gevierteilt – aber nie bierernst. Stellen Sie sich vor, der große Kölner Comic-Autor Ralf König („Der bewegte Mann“, „Bullenklöten“) hätte eine Geschichte für das französische Magazin „Métal hurlant“ entworfen, dann sind sie ungefähr da. Um dem aufdringlichen Dämonen Faffner zu entkommen, rennt Luca Stoffels stracks in den Dom: „Alter, ich hab gesündigt! Aber so was von! Die Kirche beschützt einen doch vorm Bösen, oder?“

Nein, so läuft es nicht. Weder ein Taser, noch Weihwasser halten den Finsternisfürsten auf. „Ich bin doch nicht katholisch!“, lacht der die arme Seele aus. Es kommt zum unchristlichen Massaker, Stoffels sieht die Vergeblichkeit seines Handels ein, beinahe jedenfalls, und Mensch und Dämon bilden ein gar zu schönes Odd Couple. Schließlich findet sich selbst für Faffner ein passendes Karnevalskostüm.

Genau genommen ist er der einzige Sympathieträger, wenigstens steht er zu seinem Wort. Dass man dennoch dran bleibt, liegt nicht zuletzt daran, dass Moss, hauptberuflich Fernsehautor für Scripted-Reality-Formate sämtlichen seiner so ruch- wie orientierungslosen Antihelden auch erlösende Eigenschaften zuschreibt.

Nada und Ante, das osteuropäische Gangsterpärchen, mag über Leichen gehen und diese zu Schweinefutter verarbeiten, aber ihre Liebe zueinander ist ebenso echt wie die von Lilly, der Domina mit den Abgrenzungsproblemen, zu ihrem Luca. Sie ist sogar bereit, sich für ihren Ex zu opfern. Das rührt selbst den härtesten Höllenbuben. Auf verquere Weise: „Ihr beide macht euch unglücklicher, als ich und alle Dämonen der Hölle es je könnten.“

Am Ende sind alle gearscht. Das Leben ist nur das Durchwursteln vor dem Tod. So viel kölscher Realismus muss sein. Schön, wenn man 152 bunte Seiten lang darüber lachen kann.

„Ein verdammter Handschlag“ von Matze Ross und Jan Bintakies ist im Splitter Verlag erschienen, 152 Seiten, 25 Euro

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