Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Porzellan-AusstellungWarum soll eine Ming-Schale nicht im Garten hängen?

Lesezeit 5 Minuten
Eine Porzellanschüssel mit blauem Pflanzendekor.

Diese Schüssel aus Fayence wäre gern eine Ming-Vase. Zu sehen ist sie in der Kölner Ausstellung „Mythos Ming“. 

Das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst entzaubert den „Mythos Ming“, seine Direktorin beklagt das rigide Spardiktat der Stadt.

Glaubt man der amerikanischen Komödie, ließen die Kaiser der Ming-Dynastie (1368-1644) ihr Porzellan vor allem deswegen produzieren, damit tumbe Millionäre es Jahrhunderte später auf wackelige Podeste stellen und sich damit blamieren konnten. Dabei wussten auch schon die Götter der Antike das Porzellan in Banausen-Manier zu schätzen – jedenfalls auf einem Gemälde Giovanni Bellinis, das als erste Darstellung des chinesischen Exportschlagers in Europa gilt. Beim „Fest der Götter“ (1514-29) geht es gewohnt hoch her, weshalb der Satyr, der sich eine Ming-Schüssel auf den Kopf setzt, nicht mal sonderlich heraussticht. In der Mitte des Gemäldes thront im Übrigen kein Gott. Stattdessen balanciert eine Nymphe eine weiß-blaue Porzellanschale auf der Hand.

Porzellan wurde zur globalen Marke, zum massenhaft gehandelten Produkt

Leider hängt das „Fest der Götter“ im Kölner Museum für Ostasiatische Kunst nur als Faksimile an der Wand – aber als Beweis dafür, dass Porzellan über Jahrhunderte hinweg als Statussymbol der Herrscherklasse galt, genügt der Nachdruck vollauf. Ansonsten ist (fast) alles echt in der von Daniel Suebsman kuratierten Ausstellung, die den „Mythos Ming“ eher entzaubern als befeuern soll. Während Bellini sein wildes Fest malte, wurde das Porzellan zur globalen Marke, zum massenhaft produzierten und weltweit gehandelten Produkt. Es war beinahe ein Alltagsgegenstand geworden, den man in gewissen Kreisen durchaus zum Hutschmuck degradieren konnte. Dazu passt, dass eine große „Drachenschale“, auf der Speisen gereicht wurden, jahrelang den Garten des Sammlerehepaars Irene und Peter Ludwig schmückte.

Suebsman will die 80 Schauobjekte seiner Ausstellung nicht in Gebrauchsobjekte zurückverwandeln. Aber daran erinnern, dass die musealen Kostbarkeiten einmal Schalen, Flaschen, Wassertropfenfänger oder Geschenkedosen waren. Als solche gingen sie in späteren Zeiten sogar auf Bestellung in den Fernhandel: Auf den ersten Blick mag der zwischen 1628 und 1644 gefertigte Bierhumpen, der eine „Siegburger Schnelle“ imitiert, nicht gerade original-chinesisch wirken. Aber er gehört ebenso zur drei Jahrhunderte umspannende Ming-Dynastie wie eine um 1410 für den Kaiserhof entstandene „Mondflasche“.

Alles zum Thema Historisches Archiv der Stadt Köln

Eine Porzellanschüssel steht auf einem Pokalfuß.

Der „Manderscheidt-Pokal“ aus der Jiajing-Periode (1522-1566) ist wohl das früheste Stück Ming-Porzellan im Rheinland.

Die Idee einer chinesischen „Identität“ des Porzellans gehört ebenso zum „Mythos Ming“ wie seine angebliche Seltenheit. Suebsman zeigt dazu sehr schön, wie persische, islamische, japanische oder europäische Vorlieben in die Ming-Produktion eingingen oder wie sich innerchinesische Stile abwechselten, etwa, als die daoistische Religion im Kaiserreich an Gewicht gewann. Dieser Kulturtransfer wurde in seiner globalkapitalistischen Form allerdings nur möglich, weil Kolumbus zuvor Amerika „entdeckt“ und das chinesische Kaiserreich seine Währung von Kupfer- auf Silbermünzen umgestellt hatte. Den frischen Silberbedarf konnten vor allem die europäischen Kolonialreiche dank ihrer amerikanischen Minen stillen – als Gegenwert im Fernhandel bot sich neben Seide, Baumwolle und Gewürzen auch das Porzellan an.

In Europa blieb die Nachfrage nach dem „Mythos Ming“ solange groß, bis 1710 in Sachsen eine Porzellanmanufaktur entstand, die es mit der chinesischen Produktion aufnehmen konnte. Über Jahrhunderte waren die europäischen Höfe zuvor schmählich daran gescheitert, ähnlich haltbare und zierliche Keramiken herzustellen. Auch in China selbst glich die Porzellanproduktion einer Geheimwissenschaft, die, so Suebsman, von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt mehr als 70 Arbeitsschritte brauchte. Den uneingeweihten Europäern musste das Ganze schon deswegen wie Alchemie erscheinen, weil die getuschten Motive „blind“ in Kobaltgrau auf die weiße Tonerde aufgetragen wurden; erst bei 1000 Grad Celsius färbte sich das Kobalt blau.

Hertel sprach von einer „Krisenlage“ und „einer Art Haushaltssperre“

Die Geschichte des „weißen Goldes“ erzählt Suebsman in chronologischer Folge und schöpft dabei vor allem aus der Museumssammlung. Ergänzt werden die eigenen Bestände um 28 Leihgaben, die teils aus anderen Museen, vor allem aber aus privaten Haushalten stammen. Anders als auch in Köln bislang üblich, mussten diese Leihgeber den Transport ihrer Werke selbst bezahlen – eine Folge, so Museumsdirektorin Shao-Lan Hertel, der strikten Sparvorgaben der Stadt, unter denen auch die Museen litten. Hertel sprach von einer „finanziellen Krisenlage“ und von „einer Art Haushaltssperre“, die ihr Haus im letzten Jahr beinahe lahmgelegt habe. Man musste den Ratsbeschluss zum Doppelhaushalt abwarten, ergänzte Suebsman, ehe man die notwendigen Aufträge für neue Ausstellungsprojekte vergeben konnte.

Offenbar hätte die „Mythos Ming“-Ausstellung ohne die Zuwendungen der privaten Peter-und-Irene-Ludwig-Stiftung als Ganzes oder in der jetzigen Form nicht stattfinden können – und auch die selbst zahlenden Leihgeber müssen besonders freundliche Menschen sein. Aus privater Hand stammt eines der Hauptwerke der Schau, der auf 1583 datierte „Manderscheidt-Pokal“. Sein Vorbesitzer, der Kölner Domkapitular Graf Eberhard von Manderscheidt-Blankenheim, brachte offenbar das erste Stück Ming-Porzellan ins Rheinland, möglicherweise ein Geschenk des osmanischen Sultans Murad III, und verwandelte die kleine Schale mit einem untergesetzten Fuß in einen Pokal. Ein Zwilling dieses Kulturtransfers befindet sich im Londoner Victoria & Albert Museum.

Eine Rarität ist auch eine Schüssel aus der Wanli-Periode (1573-1620), aus der uns ein Ungeheuer sieben Köpfe entgegenstreckt – zwei davon gehören Menschen. Wer derart unvorteilhaft porträtiert wurde, gab der Forschung bislang Rätsel auf. Suebsman glaubt, in ihnen die Reformatoren Luther und Calvin erkannt zu haben, vor denen die Gegenreformation auch auf chinesischem Porzellan warnen wollte. In der biblischen Apokalypse, so der Kurator, stehe das siebenköpfige Untier für den Antichristen, den allein die Muttergottes besiegen könne. Die Auftraggeber der Schüssel vermutet Suebsman daher unter katholischen Missionaren. Auch Europa kannte eben seine Drachen.


„Mythos Ming“, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 100, Köln, Di.-So. 11-17 Uhr, 22. Mai bis 9. November 2025.