80. GeburtstagHeino überflügelte die Beatles und rockte mit Rammstein

Lesezeit 7 Minuten
Heino in seinem Cafe

Heino steht bei einem Fotoshooting im Cafè des Hotels Kurhaus vor einer Wand mit seinen Platin- und Gold Schallplatten.

  • In Bad Münstereifel hat sich der Schlagersänger mit seinem Café eine eigene Welt aufgebaut.
  • Täglich pilgern Fans zu dem erfolgreichen deutschen Musiker, der sogar die Verkaufszahlen der Beatles schlug.
  • Nun wird er 80 Jahre alt und blickt auf seine Karriere zurück.

Bad Münstereifel – Der Seitentrakt des Historischen Kurhauses hoch über Bad  Münstereifel ist Heino-Land – oben wohnt der Sänger mit seiner Gattin Hannelore, unten liegt die Gaststube von „Heinos Café“. An der Rückwand hängen zwei Dutzend Goldene Schallplatten und einmal Platin für 1,2 Millionen verkaufte Tonträger „Lieder der Berge“;  zahllose Fotos von Heino mit größten Größen aus Politik und Showgeschäft dokumentieren Zeitgeschichte. Durch die Fenster kann man draußen die Haltestelle an der Nöthener Straße sehen: „Heino’s Bus-Stop“ – natürlich mit dem Apostroph. Manchmal steigen hier ganze Reisegesellschaften aus.

Heino sieht ganz gut aus – lockerer Anzug, Hemd, viel schwarz. Er habe soviel zugenommen, war jüngst zu lesen, aber das sieht man ihm nicht an, vielleicht weil nur er so aussieht, wie er aussieht. „Die blonden Haare hab’ ich ursprünglich vom Vater“, wird er nachher erzählen, „die dunkle Brille ist die Folge einer Augenerkrankung. Dass das Ganze solch ein Markenzeichen werden würde – wer hätte sich das ausdenken können?“

Er begrüßt freundlich die anderen Gäste in der Stube, die umgehend zu tuscheln beginnen, als sei nichts. Es ist Ende November, also sagt er: „Für den 80. Geburtstag sind Sie etwas früh, bis zum 13. Dezember  ist ja  noch ein bisschen.“ Er klopft auf Holz. Man weiß ja nie.

Alles zum Thema Musik

Heino in der Dauervermarktungsschleife

„Dürfen wir mal stören?“, fragt jetzt einer der Gäste, „wir sind eigens aus Münster angereist“, sagt  der  Herr und deutet auf seine Frau, „wir haben heute 43. Hochzeitstag“ – und ob man wohl um ein Foto bitten dürfe? Selbstverständlich. Heino  gratuliert erfreut, die Bedienung stellt ihr Tablett auf Seite und macht die Fotos. „Vielen Dank“, die Münsteraner sind selig. Geht das immer so? „Schon“, sagt Heino, „aber ich habe  früh gelernt, mich gut zu benehmen.“ Freundlichkeit gehört zum Geschäft, denn schließlich: „Die Leute sind ja auch meine Kunden.“

In diesen Tagen vor dem runden Geburtstag ist Heino medial wieder allgegenwärtig: Jahresrückblicke, Glitzershows, Interviews.  Am vergangenen Wochenende hatte er zudem zu  seinen traditionellen Adventskonzerten ins Kurhaus geladen, vier ausverkaufte Abende vor einem ganz unironisch ergriffenen Publikum, meist Stammgäste. Hannelore moderiert, sie sieht mit ihrer blonden Kurzhaarfrisur und modischen Brille beinahe aus wie Heinos Schwester. 

Selbst eine dieser intimen „Sing und Rock“-Shows muss er unterbrechen – eine Liveschaltung zum ZDF. Diese Pause nutzt Frau S., die bei uns am Tisch  sitzt und  ansonsten im Kurhaus arbeitet, für eine Geschichte: Wenn Heino morgens die Treppe runter kommt, dann singt er für sie. „Jeden Morgen, immer ein anderes Lied“, sagt sie, „dann wartet er, ob ich das Lied weitersinge. Und wenn ich das kann, dann singen wir gemeinsam.“ Meist kann sie. „Er ist so ein freundlicher Mensch“, sagt sie und es klingt, als erzähle sie von der – kein Zweifel – besten aller Welten.

Im Kampf um Zuhörer

Vor 50 Jahren veröffentlichten die Beatles ihr Weißes Album,  50 Jahre Bandgeschichte von Pink Floyd werden weltweit in  Museums-Ausstellungen zelebriert. „Nein“, sagt Heino, der andere große Jubilar, „diese Musik hat mich damals nicht erreicht. Das muss ich zugeben.“ Aber die Sache war ja so: „Wenn ich damals  das Radio eingeschaltet habe, lief englische Musik – das hat mich gestört.“ Es musste doch ein Repertoire geben, befand er und traf  eine folgenreiche Entscheidung. „Die englischen Bands und Sänger  haben ein bestimmtes Feld besetzt, ein bestimmtes Publikum“, erzählt er, „also habe ich ein anderes Feld gesucht: Leute ab 40. Und vielleicht ein paar Jüngere.“

Die Idee funktionierte. „Pink Floyd, die Beatles und viele andere waren auch bei der Electrola“, erzählt Heino, „in Köln am Maarweg saß in der ersten Etage das Management Deutsch, in der zweiten Etage das Management International. Die haben sich immer gegenseitig auf die Schultern geklopft. Aber wenn ich zum Vertriebschef gegangen bin, dann hieß es: „Sie haben heute wieder mehr Platten ausgeliefert als die Beatles. So war das.“

Heino am Mikro

Heino in der Sendung „2018! Menschen, Bilder, Emotionen“.

Dazu gibt es eine Geschichte: „Im Jahr 1980 wurde der Beatle John Lennon ermordet“, erzählt Heino, „also kam aus England die Vorgabe an die Electrola, den Lennon mit voller Kraft zu promoten und den Aufwand für Heino zurückzufahren.“ Die Firma habe dann beschlossen, beide Künstler mit gleicher Power zu fördern. Das Resultat der Mühen: „Von John Lennon wurden 200.000 Platten verkauft, meine »Lieder der Berge« aber 1,2 Millionen mal.“ Heino lacht: „Das  konnte man damals aber nirgendwo lesen, die Journalisten hätten sich ja übergeben, wenn sie das hätten schreiben müssen.“

Zunächst eine Bäckerlehre, dann der Musikunterricht

Was man hätte beschreiben können, wäre der Faktor Fleiß:   „Ich habe immer viel gearbeitet. Diese 1,2 Millionen zum Beispiel, die habe ich verkauft, weil ich jeden Morgen  um sechs Uhr aufgestanden bin, und um sieben Uhr war ich unterwegs auf Promo-Tour von Interview zu Interview, von Auftritt zu Auftritt – jeden Tag und das wochenlang.“ Der Arbeitsethos ist eisern.

Heinos Vater war 1941 im Krieg gefallen. „Meiner Mutter zuliebe habe ich Bäcker gelernt bis ich 18 Jahre alt war“, erzählt er, „dann habe ich zwei Jahre drangehängt, um Konditor zu werden.“ Und apropos: „Wollen Sie wirklich keine Haselnusstorte? Die ist wirklich vom Feinsten!“  Doch, gerne. Danke. Fantastisch, muss man sagen.

„Danach endlich fing ich an mit Musikunterricht“, sagt er.  Gitarre und Gesang bei einer Frau, das war wichtig: „Die Gefahr bei einem männlichen Lehrer ist recht groß, dass man später so klingt  wie der Lehrer. Das wollte ich nicht.“

Irgendwann war dann genug mit Unterricht. Produzent Ralf Bendix intervenierte: Die  Stimme sei gut jetzt, werde aber  langsam zu schwer, zu opernhaft. Es sollte kraftvoll klingen, aber mitsingtauglich. Denn das war das Programm: Volks- und Fahrtenlieder, Wander- und Seemannslieder.

Kritik für Aufnahme der kompletten Nationalhymne

Bendix, mit dem „Kriminal-Tango“ oder dem „Babysitter-Boogie“ in den 50er/ 60er Jahren selbst ein erfolgreicher Sänger, hatte den jungen Heino entdeckt und ein hochkompetentes Team um sich geschart. Wolfgang Neukirch war einerseits Spitzenjurist und andererseits ein bereits   erfolgreicher Texter; musikalischer Leiter des Projekts war Erich Becht, der für Kurt Edelhagens Jazz-Orchester Klavier gespielt  und arrangiert hatte. Musikalische Champions League, keine Frage. Und es war wie eine Band: „Es wurde alles demokratisch entschieden, sagt Heino, „um jeden Titel haben wir uns intensiv gekümmert – wir haben jedem Lied  das richtige Kleid verpasst.“

Es waren Lieder von Fahnen und Stürmen und treuen Bergvagabunden, Volkslieder der Jugendbewegungen Wandervogel und Bündische Jugend . Dass die Nazis später einiges von diesem Liedgut übernommen hatten, kontaminierte rückwirkend die gesamte Kategorie Volkslied  – und  den wackeren Sänger gleich mit.  „Ach  ja“, sagt Heino heute, „ich wusste, dass ich  angefeindet  würde: Da kommt ein junger Mann, blaue Augen, blonde Haare, züchtet Schäferhunde und singt Fahrten- und Wanderlieder.  Dabei war meine politische Einstellung  ganz weit weg von dem, was damals alle glaubten.“

Aber die Sache mit der Nationalhymne hatte Schäden hinterlassen – Willy Brandt hatte dem Barden öffentlich die Freundschaft entzogen, nachdem  dieser 1977 alle drei Strophen des Deutschland-Liedes aufgenommen und dem CDU-Mann Hans Filbinger überreicht hatte. Warum?

„Filbinger hatte sich das gewünscht“, sagt Heino heute, und natürlich habe er das Problem gesehen. „Also habe ich beim Bundespräsidenten Walter Scheel nachgefragt, ob das in Ordnung sei?“ Es habe keine Einwände gegeben. „Als dann die Sache öffentlich aus dem Ruder lief – da wollte keiner mehr was davon wissen“, erzählt er und es klingt nach Achselzucken.  Nun gut:   „Ich werde vermutlich nie das Verdienstkreuz bekommen. Aber was hätte ich auch davon?“

Heino mit Rammstein

Der deutsche Sänger Heino steht für ein Lied gemeinsam mit den Musikern der Gruppe Rammstein auf der Bühne.

Immerhin: Vor zwei Wochen hat der Rat der Gemeinde Bad Münstereifel  beschlossen, Heino die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. Begründung: „Seit mehr als 50 Jahren steht Heino auf der Bühne, mehr als 1000 Lieder hat er aufgenommen und über 50 Millionen Tonträger verkauft. Er ist nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit bekannt.“  Und es ist ja noch mehr als das: Seit seinem umjubelten Auftritt mit den Brachial-Rockern „Rammstein“ beim  Festival  in Wacken   wurde eine Generationenkluft geschlossen: Heino hat seither als cool zu gelten. Nicht schlecht für einen, der 80 Jahre alt wird.

KStA abonnieren