Keira Knightley im Interview„Erpressung gehört zum politischen Tagesgeschäft“

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Keira Knightley als Katharine Gun in „Official Secrets“

  • Keira Knightley spielt im Politthriller „Official Secrets“ (ab 21. November im Kino) die Whistleblowerin Katharine Gun.
  • Die britische Schauspielerin spricht im Interview über ihr Vertrauen in Politiker, die „Koalition der Willigen“ und Kinder am Filmset.

In unserem letzten Interview legte Keira Knightley, 34, sehr viel Wert darauf, „ab jetzt nur noch in wichtigen und relevanten Filmen mitzuspielen.“ Diesen Vorsatz hat sie mit dem Politthriller „Official Secrets“ (ab 21. November im Kino) auf hohem Niveau eingelöst. Sie spielt die britische Whistleblowerin Katharine Gun, die 2003 – als Übersetzerin für den britischen Secret Intelligence Service – ein streng geheimes Dokument entdeckte, aus dem hervorging, dass der US-Geheimdienst NSA den britischen Geheimdienst dazu benutzte, einige Mitgliedstaaten des UN-Sicherheitsrats auszuspionieren. Mit dem Ziel, belastendes Material zu finden und diese Staaten zu erpressen, der UN-Resolution für Bushs zweiten Irak-Krieg zuzustimmen. Katharine Gun wurde klar, dass unter falschen Voraussetzungen ein neuer Krieg angezettelt werden sollte, und das konnte sie mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren. Daraufhin leakte sie die Informationen. Keira Knightley spielt die Whistleblowerin mit großer Ernsthaftigkeit und zeigt ohne falschen Pathos das moralische Dilemma in dem sich Katharine Gun befindet.

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Schauspielerin Keira Knightley

Hochschwanger erschein Keira Knightley in einem Londoner Luxushotel zum Interview. Sie scherzt, dass sie zurzeit ein ganzes Sofa für sich alleine brauchen würde, um sich darauf niederzulassen. Sie trägt ein türkisfarbenes Kleid und hat sich die Fingernägel ebenfalls türkis lackiert. Ein paar Wochen später wird ihre zweite Tochter, Delilah, geboren. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Musiker James Righton, hat sie bereits eine vierjährige Tochter namens Edie.

Mrs. Knightley, sind Sie sehr mutig?

(Lacht) Schwierige Frage. Ich würde mich im Zweifelsfall fürs Überleben entscheiden. Jeder denkt ja von sich, dass er immer die Wahrheit sagt. Ich würde das vielleicht nicht immer tun. Ist das nicht gerade auch die Tragik der Menschheit? Zurzeit stehen die Menschen, die die Wahrheit sagen, jedenfalls nicht gerade sehr hoch im Kurs. Und trotzdem sage ich meinen Kindern, sie sollen immer die Wahrheit sagen. Und ich erzähle ihnen, dass das Gute immer das Böse besiegen wird. Wenn ich mir allerdings die Realität anschaue, in der wir alle leben, ist das eine ziemlich komplexe Angelegenheit.

Definieren Sie doch bitte einmal was das ist: Mut.

Wenn einem bewusst ist, dass man etwas sehr Wesentliches aufs Spiel setzt – und durchaus verlieren kann – und man es trotzdem tut. Katharine Gun wusste genau, was sie tat, und dass es für sie sehr ernste Konsequenzen haben könnte. Und sie tat es trotzdem – aus Gewissensgründen. Sie hat daran geglaubt, das Richtige zu tun. Und das finde ich sehr mutig.

Zur Person

Keira Christina Knightley wurde 1985 in Teddington, London, geboren. Die Tochter eines Schauspielers und einer Schriftstellerin hat einen älteren Bruder namens Caleb. Erste Erfahrungen im Rampenlicht machte sie als Balletttänzerin, bevor sie 1993 ihre erste TV-Rolle in der Serie „A Royal Celebration“ erhielt. Danach folgte ein Engagement für das Drama „Eine unerhörte Affäre“. Im Jahr 1998 spielte Keira Knightley in der deutschen Rosamunde-Pilcher-Verfilmung „Heimkehr“ mit. Für ihre Rolle in „Stolz und Vorurteil“ wurde sie sogar für einen Oscar in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ nominiert. Erneute Chance auf einen Goldjungen bekam sie bei den Oscars 2015. Ihre Darstellung der Code-Knackerin Joan Clarke in „The Imitation Game“ wurde mit einer Nominierung in der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ gewürdigt. (ksta)

War Ihnen die britische Wistleblowerin Katharine Gun ein Begriff?

Bevor ich mich mit dem Film „Official Secrets“ beschäftigt habe, hatte ich absolut keine Ahnung, wer Katharine Gun ist – geschweige denn, was sie 2003 getan hat. Als die Invasion in Irak stattfand, war ich 18 Jahre alt und hielt mich durchaus für politisch interessiert. Die äußeren Umstände waren mir also durchaus bekannt, nicht aber, was sich hinter den Kulissen abspielte. Und auch nicht, welch wichtige Rolle Katharine Gun dabei spielte. Immerhin hat sie fast im Alleingang verhindern können, dass es zu der von den USA gewünschten UN-Resolution kam.

Katharine Gun kam bald unter Verdacht, die Whistleblowerin zu sein, aber man konnte es ihr nicht beweisen…

… aber irgendwann hielt sie den Druck dann doch nicht mehr aus und gestand, die hochbrisanten Informationen weitergegeben zu haben. Ich kann diese innere Zerrissenheit gut nachvollziehen. Will man es wirklich riskieren – auch wenn man felsenfest davon überzeugt ist das Richtige zu tun, sein eigenes Leben damit zu zerstören? Sind nicht alle Whistleblower danach durch die Hölle gegangen? Katharine wurde jedenfalls wegen Hochverrats angeklagt. Sie rechnete fest damit, den Rest ihres Lebens im Gefängnis zu verbringen, hoffte aber auch, mit dem Geständnis ihren kurdischen Ehemann vor der Abschiebung zu retten. Das ist eine hochaktuelle Story, die mir leider auch heute noch exemplarisch scheint. Denn Erpressung gehört ja anscheinend immer noch zum politischen Tagesgeschäft.

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Sie haben Katharine Gun getroffen. Wie war denn Ihr persönlicher Eindruck?

Sie ist unglaublich nett. Ich habe sie ein paar Mal zur Vorbereitung des Films getroffen und sie hat mich dann auch noch mit ihrer Familie bei den Dreharbeiten besucht. Natürlich hatte ich jede Menge Fragen. Aber die meisten davon konnte sie mir – aus rechtlichen Gründen – nicht beantworten. Denn sie unterliegt immer noch dem offiziellen Geheimhaltungs-Abkommen. Wir haben uns also bei den Treffen mehr über ihre Gefühle unterhalten und über die Beweggründe, warum sie damals so gehandelt hat, wie sie es tat. Sie sagte mir ohne zu Zögern, dass sie das wieder tun würde. Sie bereut nichts!

Katharine Gun lebt nicht mehr in England, sondern im Exil, richtig?

Ja, sie lebt in der Türkei. Warum? Das müssen Sie schon selbst fragen.

Was halten Sie denn von Whistleblowern, wie zum Beispiel Chelsea Manning oder Edward Snowden?

Ehrlich gesagt weiß ich das gar nicht so genau. Ich finde allerdings schon, dass man Gesetze einhalten sollte – und dass diejenigen, die es nicht tun, zur Rechenschaft gezogen werden müssen. So funktioniert Demokratie nun mal. Diese Art Rechtssystem macht sie auch stark. Mir ist aber ebenso klar, dass alle Geheimdienste jeden Tag etliche Gesetze brechen. Das gehört zu deren Geschäft. Machen sie das immer nur aus lauteren Motiven, um ihr jeweiliges Land vor Gefahren zu schützen? Fühle ich mich durch die Arbeit des MI6 beschützt? Und finde ich es bedenklich, dass dabei Gesetze ausgehebelt oder gar missachtet werden? Das ist ja gerade der moralische Zwiespalt, der im Film thematisiert wird. Diese Ambiguität finde ich faszinierend.

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Keira Knightley (l.) als Katharine Gun und Adam Bakri als Ehemann Yasar

Aber ist es manchmal nicht doch eine Frage von „Schwarz oder Weiß“?

Genauso denkt Katharine Gun. Für sie war dieser Erpressungsversuch schlicht kriminell. Ebenso die Tatsache, dass England von den USA in diesen Krieg mit hineingezogen wurde, in dem hunderttausende Menschen ihr Leben verloren. Und ganz ehrlich: Ich weiß bis heute nicht, warum England sich an diesem Krieg überhaupt beteiligt hat.

Dass England die USA in diesem Krieg aktiv unterstützte, daran war Tony Blair nicht ganz unschuldig. Was halten Sie von Ihrem ehemaligen Premierminister?

Ich komme aus einer Familie, die politisch ziemlich links eingestellt war, und ich erinnere mich noch sehr gut daran, als er zum Premierminister gewählt wurde. Da liefen die Leute, inklusive meiner Eltern, auf die Straße, um diesen Sieg lautstark zu feiern. Nach 17 Jahren Tory-Regierung gab es plötzlich eine wunderbare Aufbruchsstimmung. Da lag so viel Hoffnung in der Luft! Anfangs hat Tony Blair und die Labour-Partei ja auch sehr gute Arbeit geleistet. Doch dann kam 2003 die Tragödie mit dem Irakkrieg. Danach waren wir alle brutal desillusioniert. Gerade weil Blair auch zu einem Hoffnungsträger stilisiert worden war. Es ist immer ein Problem, wenn man so einer vermeintlichen Lichtgestalt blind vertraut. Die Frage, die mich auch heute noch wirklich beschäftigt, ist: Wer war tatsächlich für diesen Völkermord verantwortlich? Irgendjemand muss doch endlich Verantwortung dafür übernehmen!

Kennen Sie etwa einen Politiker, der kein Narzisst, kein Egomane ist?

Nein. Aber ich kenne keinen persönlich. Hoffentlich gibt es darunter auch welche, die ehrlich und integer sind. Das hoffe ich zumindest. Andererseits wird kein Heiliger jemals in die Politik gehen. Im Grunde genommen wählen wir doch Leute, die unser Zusammenleben in der Gesellschaft organisieren. Das ist ihr Job. Und dafür kriegt man selten die Besten. Ehrlich gesagt habe ich viel Verständnis für Politiker und für die Art und Weise, wie sie sich öffentlich äußern. Da wird doch oft jeder Satz zerpflückt und sinnentstellt…

Fühlen Sie sich von den Medien gut informiert?

Eigentlich schon. Ich lese sehr viel Zeitung: den „Guardian“, die „New York Times“ und am Wochenende auch noch die „Financial Times“. Und bei der Vorbereitung auf meine Rolle habe ich natürlich stapelweise Info-Material durchgeackert.

Die Dreharbeiten zu diesem Film waren sehr anstrengend, sagten Sie bei unserem letzten Treffen…

Oh ja. Es war wirklich keine gute Idee, meine dreijährige Tochter mit ans Set zu nehmen. Denn da konnte ich mich zwischen den Takes nicht wirklich erholen. Und es ist dann ganz besonders hart, wenn man vor der Kamera meist sehr viel Text auswendig sagen muss. Aber da hat mir mein Regisseur Gavin Hood sehr geholfen. Er hatte nämlich vor Jahren mal einen Film gedreht, als seine Zwillinge – heute elf – noch sehr klein waren. Er wusste also ganz genau, was ich da durchmachte. Er sagte zu mir: „Wenn du mal wieder eine schlechte Nacht hattest, komm morgens einfach ans Set und sage ‚mies!‘. Dann weiß ich, was los ist!“ Also habe ich von da an fast jeden Morgen „Mies! Mies! Mies!“ gesagt… Er nahm mich dann in den Arm und alles war gut.

Und was lernen wir schließlich aus diesem Film?

Sagen Sie‘s mir!

Traue nie einer Regierung!

(Lacht) Das wäre ja schlimm. Wie wär‘s mit: Vertraue deiner Regierung – aber nie blind!

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