Klarinettist Andreas Ottensamer in KölnFür Mozart reichte die Puste noch nicht

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Klarinettist Andreas Ottensamer   

Köln – Klar, Mozarts Klarinettenkonzert sollte der Solist nur in körperlich bester Verfassung spielen. Die weitgespannten Kantilenen des langsamen Satzes werden kaum gelingen, wenn er zum Beispiel gerade eine Corona-Infektion mit Atemwegsbeteiligung überstanden hat.

Im Fall von Andreas Ottensamer, der jetzt mit der Lissaboner Orquestra Gulbenkian unter Lorenzo Viotti im Kölner philharmonischen Sonntagskonzert auftrat, wurden zur Begründung, warum er das angekündigte Werk gerade nicht spielen würde, ganz allgemein „medizinische“ angegeben. Welcher Art die waren, darauf zu kommen erfordert  in diesen Tagen aber nur wenig Fantasie.

Mozart also nicht, dafür sieben Bearbeitungen von Mendelssohn-„Liedern ohne Worte“. Das sind von Haus aus bekanntlich Klavierstücke, die der gefeierte Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker jedoch in Auswahl für sein Instrument und Streicherbegleitung umgeschrieben hat – in entsagungsvollen Corona-Zeiten, wie er zur Erläuterung kundtat.

Die Klarinette in Köln zum Singen gebracht

Das Bearbeitungsprinzip ist im Kern simpel: Die „singende“ Diskantstimme wurde der Klarinette übertragen (wenn auch nicht durchgehend), der harmonische Unterbau den Streichern. Hier erstellt Ottensamer etwa durch häufige Pizzicato-Vorschrift für die Bässe eine betont lichte, luftige, schwerelose Begleitung. Und weil er selbst tatsächlich auf seinem Instrument erlesen zu singen versteht, vermittelten diese Bearbeitungen tatsächlich ein ganz besonderes, im Übrigen auch sehr romantisches Flair.

Die Klarinette als melancholische Diva, als neckischer Kobold, als gehetzter Wanderer, als Kinderfreund, als verträumter Gast auf der venezianischen Gondel – alle möglichen Farben und Charaktere wurden da effektvoll bedient. Etwas verloren stand der Dirigent herum, er war angesichts dieses vergnüglichen Kammerspiels zwischen Ottensamer und den geschmeidig und einfühlsam assistierenden Orchestermusikern entbehrlich.

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Nicht Mendelssohn, sondern Brahms stand im Zentrum der Agenda. Los ging es mit der Vertonung des Schicksalsliedes (nach Hölderlin), bei dem sich neben dem gut disponierten Orchester der stark besetzte Coro Gulbenkian hören ließ.  Der vermochte   – auch dann in Peteris Vasks’ neoromantischem, von Viotti in großen, atmenden Bögen vorgegebenen „Agnus dei“  –  zwischen ätherischen Himmelsklängen und tragisch niederschmetternder Gewalt eindrucksvoll eine große Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten zu realisieren.

Einige Mängel in Sachen Homogenität, Einsatzpräzision und Intonation waren darob zu verschmerzen. Ein portugiesisches Traditional mit einem Mezzo aus dem Chor als Solistin verzauberte in der Zugabe.

Ansprechend, wenngleich in der Spielqualität nicht restlos überzeugend geriet auch Brahms’ dritte Sinfonie am Schluss. Hier erwies sich Viotti als Meister der Phrasenspannung –   zumal im traurigen dritten Satz, wo er die Viertel im Hauptthema   bis zum Anschlag dehnen ließ.    Wegen des verschwebenden Schlusses ist diese kürzeste der vier Brahms-Sinfonien eigentlich das Gegenteil eines Rausschmeißers. Der kam dann   in der Zugabe:  mit Brahms’ erstem Ungarischen Tanz. 

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