Krieg in der UkraineAuch an der Medienfront wird gekämpft

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Alexej Wenediktow, Chefredakteur des verbotenen russischen Radiosenders Echo Moskwy 

Köln – Jeder Krieg ist auch ein Krieg um Bilder und Worte, und so verwundert es nicht, dass die russische Regierung den Druck auf die ohnehin seit Jahren drangsalierten einheimischen Medien seit dem Einmarsch in die Ukraine weiter erhöht. In den staatlich kontrollierten Fernsehsendern wird selbst das Wort „Krieg“ nicht verwendet, und auch die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien wurden angewiesen, ausschließlich offizielle Informationen der Behörden für ihre Berichterstattung zu verwenden. Nach deren Sprachregelung ist der Angriffskrieg auf die Ukraine ein „spezieller Militäreinsatz“ zum Schutz der russischstämmigen Minderheit vor einem angeblichen „Völkermord“.

Russischen Journalisten drohen hohe Haftstrafen

Seit Beginn der Invasion wurden mehrere unabhängige Medien mit Sendeverboten belegt, darunter der Radiosender „Echo Moskwy“ (Moskauer Echo) und der Fernsehsender „Doschd“. Der russische Generalstaatsanwalt hatte die Medienaufsicht angewiesen, den Zugang zu beiden Sendern zu blockieren, da diese „absichtlich falsche Informationen“ über den russischen Einmarsch verbreitet hätten. Am Mittwoch gab „Echo Moskwy“ seine Auflösung bekannt, „Doschd“-Chefredakteur Tichon Dsiadko floh ins Ausland. Aus gutem Grund, denn die Duma, das russische Parlament, berät zurzeit über einen Gesetzentwurf, der bis zu 15 Jahre Haft für die Veröffentlichung von „Fake News“ über die russischen Streitkräfte vorsieht.

Auf dem Papier wird die Pressefreiheit auch in Russland durch die Verfassung garantiert, wie in Deutschland ist Zensur offiziell verboten. Allerdings schränkt die russische Regierung diese Freiheit seit langem umfassend ein, etwa durch Gummiparagrafen, die eine angebliche Unterstützung von Extremismus unter Strafe stellen und allenfalls vage formulieren, was darunter zu verstehen ist. Zudem gerieten regierungskritische Medien zusehends als „ausländische Agenten“ in Bedrängnis, sofern sie sich mit Hilfe nicht-russischer Institutionen finanzieren. Ein entsprechendes Gesetz war offenbar eine Reaktion darauf, dass sich der russische Staatssender RT in den USA als Sprachrohr und Lobbyist der russischen Regierung registrieren musste.

Das könnte Sie auch interessieren:

„In Russland gibt es genug Gesetze, um einen Journalisten aus jedem beliebigen Grund zu verurteilen“ und Medien „auszuschalten“, sagt Galina Timtschenko, Leiterin der in Lettland ansässigen russisch- und englischsprachigen Nachrichtenwebsite „Medusa“. Der „Krieg gegen die Medien“ sei „die zweite Front“ der Invasion in der Ukraine. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hatte allen Medien die Begriffe „Angriff“, „Invasion“ oder „Kriegserklärung“ im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg untersagt. Auch alle Hinweise auf von russischen Streitkräften getötete Zivilisten wurden verboten.

Im Rahmen des Krieges versucht der russische Staat seine Informationshoheit im eigenen Land auch gegen ausländische Nachrichtensender und in den sozialen Medien durchzusetzen. Der Zugang zu Facebook und Twitter ist für russische Staatsbürger ohnehin eingeschränkt, Schlagzeilen machte zuletzt das Verbot des russischsprachigen Dienstes der Deutschen Welle, das aus heutiger Sicht wie eine vorbereitende Maßnahme des Propagandakriegs erscheint. Die britische BBC strahlt ihr englischsprachiges Radioprogramm für die Ukraine mittlerweile wieder auf Kurz- und Mittelwelle aus. So dürfte es auch in russischen Grenzregionen zu empfangen sein.

Es bleibt unklar, wie erfolgreich die Desinformationskampagne der russischen Regierung im eigenen Land ist. Anders als in China sind die russischen Möglichkeiten, das Internet zu zensieren, begrenzt, im Prinzip kann sich jeder russischer Bürger trotz umfassender Überwachung auf Englisch über den Krieg gegen die Ukraine informieren. Aus diesem Grund versuchen Staatsfunk und die Kremlnahen Medien, die ausländische Berichterstattung als feindliche Propaganda zu diskreditieren. Auch dies ist alles andere als verwunderlich. (mit afp)

KStA abonnieren