Seifiges MelodramWarum der ARD-Dreiteiler „Unsere wunderbaren Jahre“ ein Flop ist

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Ulla Wolf (Elisa Schlott) und Tommy Weidner (David Schütter)

Ulla Wolf (Elisa Schlott) und Tommy Weidner (David Schütter)

Es ist ein Satz, der das Lebensgefühl der Nachkriegszeit in Deutschland perfekt auf den Punkt bringt. „Nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft sollte unser Leben bestimmen“, sagt Benno (Franz Hartwig) in dem Dreiteiler „Unsere wunderbaren Jahre“ irgendwann zu seiner großen Liebe Gundel (Vanessa Loibl). Die Menschen wollen hinter sich lassen, was war und nach vorne blicken.

Dass der gefühlte Neustart in Wahrheit eine Illusion ist, erzählt die Produktion von WDR, Degeto und Ufa Fiction am Beispiel der Fabrikantenfamilie Wolf. Sie lebt im sauerländischen Altena und steht im Mittelpunkt des Geschehens. Eduard Wolf (Thomas Sarbacher) leitet dort die Metallwerke, eine vollständige Demontage der Fabrik durch die Briten kann er verhindern, weil er beteuert, während des Krieges nur Draht und keine Waffen produziert zu haben. Seine Frau Christel (Katja Riemann) verlor während eines Angriffs auf einen Zug ein Bein. Die drei sehr unterschiedlichen Töchter Margot (Anna Maria Mühe), Ulla (Elisa Schlott) und Gundel kämpfen jede für sich mit den Herausforderungen der Nachkriegszeit.

Was wird aus dem Betrieb?

Margot überwirft sich mit dem Vater, weil der den eben aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Schwiegersohn für seine Taten in der SS verachtet. Ulla will Medizin studieren, soll aber eigentlich die Firma übernehmen und ist hin- und hergerissen zwischen Tommy (David Schütter), einem Jungen aus einfachen Verhältnissen, und Apothekersohn Jürgen (Ludwig Trepte). Und Gundel möchte nichts lieber als den Betrieb übernehmen, wird vom Vater aber beständig unterschätzt. Zudem gibt es noch den Kriegsgewinnler und alten Nazi Walter Böcker (Hans-Jochen Wagner), der seinen Reichtum auch nach Kriegsende mehren möchten.

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Ausgehend von der Währungsreform im Juni 1948 erzählt der Dreiteiler, der auf dem Bestseller von Peter Prange basiert, die Lebensgeschichten der Familienmitglieder und ihrer Freunde und Feinde. Leider tut er das mit einem ausgeprägten Hang zur Melodramatik. Wie so häufig in Degeto-Filmen müssen es eben immer die ganz großen Dramen sein. Da wird geliebt, gelogen, betrogen und intrigiert, dass man kaum mitkommt.

Und auch die gewählte Erzählperspektive ist irritierend. Man muss sich schon fragen, ob man im Nachkriegsdeutschland wirklich vor allem Mitleid mit einer Fabrikantenfamilie haben muss, deren anscheinend schlimmste Entbehrung darin besteht, das gute Meissner Porzellan gegen Kartoffeln tauschen zu müssen, ansonsten aber weiterhin in ihrer Villa residiert und das Dienstmädchen herumschubst.

Das größere Problem des Dreiteilers ist aber sein Umgang mit den Verbrechen der Nationalsozialisten. Zwar werden diese ständig thematisiert, aber die Opfer bleiben dabei nur Statisten. Besonders deutlich wird das am Beispiel des jüdischen Apothekers Rosen, den Unternehmer Wolf einst vor der Deportation rettete. Seine dramaturgische Aufgabe besteht einzig darin, den Fabrikaten freizusprechen, als dieser angeklagt wird, für die Nazis Stacheldraht für das Konzentrationslager Bergen-Belsen produziert zu haben. Für seine Geschichte, für sein Leid bleibt bis auf ein paar Sätze kein Platz.

Aufrütteln soll wohl der Einsatz dokumentarischer Aufnahmen aus Bergen-Belsen, das im Film fälschlicherweise Vernichtungslager genannt wird. Eine historische Ungenauigkeit, die gerade bei einem solch sensiblen Thema irritiert. Wolf muss sich die Aufnahmen, die nach der Befreiung des Lagers gemacht wurden, auf Befehl der Besatzer anschauen. Doch die Bilder ausgemergelter Toter, die schmerzverzerrten Gesichter und Leichenberge erzeugen, eingebettet in dieses ansonsten so seifige Melodram, das auf große Gefühle setzt, maximales Unbehagen.

„Unsere wunderbaren Jahre“ überzeugt, wenn es um Ausstattung und Kostüme geht, aber ansonsten ist dieser Dreiteiler trotz der bekannten Schauspieler meist eine Enttäuschung.

Das Erste zeigt den ersten Teil des Dreiteilers am Mittwoch,18. März, um 20.15 Uhr. Teil 2 und 3 folgen am 21. und 25. März. Zudem stehen alle Folgen in der Mediathek.

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