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LeserbriefeKriminalisierung von Klimaaktivisten umstritten

Lesezeit 10 Minuten
Auf der Straße marschierende Jugendliche halten ein Banner mit der Aufschrift „Mehr Demokratie: Gesellschaftsrat jetzt!“ Ihnen folgen zahlreiche Fußgänger und Radfahrer mit Plakaten und Fahnen. Vor den Marschierenden ist rechts im Bild ein Motorradpolizist zu sehen.

Protestmarsch von Mitgliedern der „Letzten Generation“ Ende Mai in Köln

Sind die Aktivisten der „Letzten Generation“ lediglich unbequeme Klimaziel-Mahner oder sind sie eine Bedrohung für den Staat? Leser diskutieren.

Raz­zien bei „Letz­ter Ge­ne­ra­tion“ – An­fangs­ver­dacht der Bil­dung einer kri­mi­nel­len Ver­ei­ni­gung (25.5.)

Warnung vor Verharmlosung der „Letzten Generation“

Der Klimaschutz ist doch nur vorgeschoben! Mit der Begründung und auch der Gewissheit, dass man für einen guten Zweck Verständnis haben muss, wird lediglich der Staat vorgeführt – mithilfe der Bürger, die offensichtlich nicht bereit sind, sich einmal näher mit diesen fremdfinanzierten Chaoten zu beschäftigen. Denn deren Ziel ist es, Unruhe unter der Bevölkerung zu stiften, mit dem Ziel eines Systemwechsels.

Nicht mehr und nicht weniger. Man stelle sich vor, Reichsbürger oder Rechtsextreme hätten sich wegen Corona-Maßnahmen in dieser Intensität auf die Straße geklebt, um deren Abschaffung zu erreichen. Glaubt jemand, dass nach über einem Jahr noch darüber berichtet würde? Wohl eher nicht! Rainer Prosik Hattenhofen

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Kriminalisierung der „Letzten Generation“ fragwürdig

Tatsache ist, dass hier völlig unverhältnismäßig eine äußerst unbequeme Jugendbewegung in einer Art und Weise kriminalisiert wird, die an Rechtsbeugung grenzt. Die vom § 129 Strafgesetzbuch (StGB) erfassten Delikte müssen Delikte sein, deren Höchststrafe mindestens zwei Jahre beträgt. Das könnte zwar die Nötigung nach § 240 StGB sein, aber es ist durchaus zweifelhaft, ob es sich bei den Klebeaktionen überhaupt um Nötigungen handelt, weil das Tatbestandsmerkmal der Verwerflichkeit angesichts der angestrebten Ziele – wirkungsvollere Maßnahmen gegen den Klimawandel – durchaus nicht als gegeben vorausgesetzt werden kann.

Hier wird eine Gruppe kriminalisiert und mit rechtsstaatlich fragwürdigen Mitteln in eine extremistische Ecke gedrängt, in die sie nicht gehört. Als Petra Kelly und Gert Bastian in Mutlangen Raketendepots blockiert haben, haben sie das auch systematisch und gezielt gemacht. Dass Frau Faeser sich zur Vollzugsgehilfin von Dobrindts unsäglichem Wort von der „Klima-RAF“ macht, ist eine Schande für diese Koalition und den liberalen Rechtsstaat. Und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat – mit Verlaub – früher hierzu klarere Worte gefunden.Roland Appel Bornheim

Ziele der „Letzten Generation“ rechtfertigen ihre Mittel

Die Aktionen der „Letzten Generation“ mögen zwar nicht alle erfreuen, aber zum Wohle der folgenden Generationen sehe ich sie gerechtfertigt. Die „Letzte Generation“ bewegt sich mit ihren Aktionen auf „dünnem Eis“, denn Straftaten müssen verfolgt werden. Aber die Bevölkerung muss wachgerüttelt werden, damit die Politiker nicht nur Lippenbekenntnisse machen, sondern handeln.

Ein erster Schritt ist das Gespräch mit der Politik, aber dann müssen schnell Änderungen kommen, die uns Bürgern leider nicht immer gefallen werden. Und welcher Politiker will schon unpopuläre Änderungen durchsetzen? Aber ehrlich: Gibt es eine Alternative? Helmut Bergweiler Bergisch Gladbach

Klimaaktivisten sind keine Kriminellen

Egal ob man die Aktionen der „Letzten Generation“ für sinnvoll oder wie Bundeskanzler Scholz für „bekloppt“ hält, Kriminelle sind die Aktivistinnen und Aktivisten in meinen Augen nicht. Sie sind vielmehr ein unbequemer Stachel im Fleisch einer trägen Gesellschaft, die viel zu langsam und allenfalls halbherzig, überfällige Schritte zur Begrenzung der Klimakatastrophe ergreift.

Der Straftatbestand „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ bezieht sich auf die Bekämpfung von mafiaähnlichen Vereinigungen, die, getrieben vom materiellen Eigennutz, darauf ausgerichtet sind, schwerste Straftaten zu begehen. Diese Vorschrift auf lästige, aber nicht die öffentliche Sicherheit wirklich gefährdende „Klimakleber“ anzuwenden, halte ich für eine rechtsmissbräuchliche Auslegung.

Leider hält sich die Empörung in Grenzen. Bundesinnenministerin Faeser zollt dem Strafverfolgungseifer der bayerischen Justiz sogar noch Beifall. Ich wünsche mir, die in Amt und Würden Gewählten würden mehr gegen die eigentlichen Missstände und weniger gegen die Mahner vorgehen. Uwe Hass Köln

Bisherige Proteste kaum geeignet, um Klimaschutz zu befördern

Sich als Aktivisten zu bezeichnen und sich auf der Straße anzukleben oder am Rad eines angemieteten Pkw hat mit Klimaschutz absolut nichts zu tun. Durch die dadurch gebildeten Staus wird weitaus mehr CO₂ ausgestoßen als durch zügiges Fahren. Ein weiterer negativer Nebeneffekt besteht darin, dass die eingesetzten Polizisten zum Asphalt-Flexen und zum Entfernen der Personen von der Straße missbraucht werden und ihren originären Aufgaben nicht mehr nachgehen können.

Mein Vorschlag: Die Aktivisten sollten endlich pro Klimaschutz aktiv werden. Sie könnten etwa von Haus zu Haus gehen und den Menschen Tipps zum Klima- und Umweltschutz geben. Anfangen könnte man bei Häusern mit Schottergärten. Des Weiteren könnten sie ein- bis zweimal pro Woche auf einem TV-Kanal eine 30-minütige Sendung zum Thema „Was kann der normale Bürger zum Klimaschutz beitragen?“ ausstrahlen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Dies wären positive Aktivitäten – aber dafür müssten die Aktivisten endlich aktiv werden ... Ulrich Molitor Erftstadt

Razzien gegen „Letzte Generation“ unverhältnismäßig und überzogen

Da versucht eine kleine Gruppe vorwiegend junger Menschen, mit friedlichen und gewaltfreien Aktionen, aus Angst um ihre Zukunft, auf das größte ungelöste Problem der Menschheit – den Klimawandel – hinzuweisen, weil die „Fridays for Future“-Bewegung trotz weltweiter Demos mit Millionen Teilnehmern weitgehend wirkungslos geblieben ist.

Endlich haben wir wieder einen Sündenbock, der Sand ins Getriebe unserer gut geölten Kapitalismus-Maschinerie streut und der unser gewohntes Leben unverhofft durch Blockaden von Straßen und Flughäfen ausbremst, und ganz schnell ist unser Staat bereit, diese „frevelhaften“ Taten zu kriminalisieren. Wieder einmal bestätigt sich das Zitat von Kurt Tucholsky: „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht.“

Ich halte diese Razzien für völlig unverhältnismäßig und überzogen und frage mich, wo die staatliche Macht eingreift, wenn Politiker sich weigern, eine zukunftsfähige Politik zu machen? Wer zieht zum Beispiel die Politiker der FDP zur Rechenschaft, die innerhalb der Ampelkoalition längst zur Opposition geworden sind und alle dringend notwendigen Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen ausbremsen?

Wer muss die Verantwortung für klimapolitische Versäumnisse der 32 Jahre unter Kohl und Merkel übernehmen? Wo sind da die Ankläger und Richter? Stattdessen erhält Frau Merkel Orden und Urkunden für ihre Politik! Werner Scholz Brühl

Klimaaktivisten: Nur spektakuläre Aktionen bringen Aufmerksamkeit

Aus Gründen der Fairness sollte Frau Faeser nun auch der FDP zeigen, dass unser Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Wenn junge und auch nicht mehr ganz so junge Menschen sich aus Sorge vor der Klimakatastrophe nur mit sehr spektakulären Maßnahmen Aufmerksamkeit verschaffen können, ist es meines Erachtens nicht mehr erklärbar und nachvollziehbar, wieso die mit den geringsten Wählerstimmen in unserer demokratischen Regierung vertretene Partei soziale Gerechtigkeit und klimafreundliche Maßnahmen völlig verantwortungslos verhindern kann. Klara Geilenkirchen Köln

Während einer Demonstration nimmt ein Klimaaktivist Stellung gegen die Kriminalisierung der „Letzten Generation“, indem er ein Schild mit der Aufschrift „Unsere Kinder sind keine Verbrecher!“ hochhält.

Ein Demonstrant nimmt Stellung gegen die Kriminalisierung von Klimaaktivisten.

Razzien gegen „Letzte Generation“ Teil des Wahlkampfs?

Wir regen uns über die willfährige Justiz in totalitären Ländern auf. Aber nun, kurz vor entscheidenden Wahlen, verfahren deutsche oberste Juristen ähnlich. Es gibt Razzien in diversen Bundesländern gegen die „Letzte Generation“, mit der Begründung, der Verdacht bestehe, bei dieser Vereinigung handele es sich um eine kriminelle Vereinigung. Damit wird eine gewollte Vorverurteilung ausgesprochen, wenn das Wort kriminelle Vereinigung in den Raum gestellt wird.

Warum erfolgen diese Razzien gerade jetzt? Söder und Faeser gehen mit der Anordnung dieser Maßnahme auf Stimmenfang für anstehende Wahlen. Ich stimme nicht mit allen Maßnahmen der „Letzten Generation“ überein! Aber diese jungen Leute tun etwas – ganz im Gegensatz zu den meisten Politikern. Was fordern sie in erster Linie? Tempo 100 auf den Autobahnen und ein 9-Euro-Ticket. Das sind doch zahme Forderungen. Dem gegenüber steht die „freie Fahrt für freie Bürger“ der FDP, was in Anbetracht der Klimasituation unserer Erde strafbar ist! Warum keine Razzia im Thomas-Dehler-Haus? Volker Krause Rösrath

Klimaaktivisten: Staat muss gegen Radikalisierung vorgehen

Unabhängig davon, ob die aus Bayern veranlassten Razzien gegen die „Letzte Generation“ politisch gesteuert wurden oder nicht, muss das grundsätzlich gesehen werden. In unserer Demokratie ist die freie Meinungsäußerung und das Demonstrationsrecht verfassungsmäßig geschützt. Und das ist gut so. Im Gegensatz zu totalitären Regimen darf hier jeder für seine Sache öffentlich eintreten. Aber die Grenze ist da erreicht, wo mit Aktionen der „Letzten Generation“ mittels Blockaden der Gruppenwille gewaltsam durchgesetzt werden soll. Das kann der Staat nicht dulden.

Es gilt vorzubeugen: Toleriert man eine Gruppe, wird es Nachahmer geben. Dann werden die Rechtsaußen bald auf gleiches Recht pochen und Abtreibungsgegner auch die Öffentlichkeit terrorisieren. Die Justiz hat die Aufgabe, Radikalisierung im Ansatz zu unterbinden, wo eine Gefahr erkennbar ist. Deshalb sind die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft München auch als Warnung zu verstehen. Wir wollen keine Straßenkämpfe wie in der Weimarer Demokratie auf unseren Straßen. Wehret den Anfängen! Bruno Melchert Köln

Kriminalisierung der „Letzten Generation“ abstrus

Ich habe oft gehadert mit einigen Aktionen der „Letzten Generation“, auch wenn ich deren Motivation anerkennenswert finde. Den aktuellen Versuch, ihre Aktionen als kriminellen Akt einzustufen, finde ich – vorsichtig formuliert – abstrus. Aktuell steht der langjährige Audi-Manager Robert Stadler vor Gericht: einer von diversen Verantwortlichen der deutschen Automobilindustrie für Abgasmanipulationen in großem Ausmaß: Ist einer von denen verdächtigt worden, Mitglied einer kriminellen Organisation zu sein? Nein? Warum nicht? Warum aber jetzt die Mitglieder der „Letzten Generation“? Claudia Wörmann-Adam Köln

„Letzte Generation“: Blockadehaltung der Politik aufbrechen

Die friedlichen Aktivitäten der Gruppe „Letzte Generation“ bewegen mich als geschichtsbewussten und politikinteressierten 80-Jährigen sehr. Beschämend finde ich, wie manche Politiker mit der Bewegung umgehen und sich nicht zu schade dafür sind, die jungen Leute mit Beschimpfungen übelster Art zu belegen und stattdessen immer neue Nebelkerzen zünden, um den Kern der Sache zu verwässern.

Auf der einen Seite stehen hier junge Leute, die sich aus berechtigter Sorge um ihre Zukunft bewusst in Situationen begeben, von denen sie wissen, dass sie mit Geld- oder Haftstrafen belegt werden. Auf der anderen Seite haben wir es an entscheidenden Stellen mit Politikern zu tun, die selbst bei den Dingen, die sofort umsetzbar wären, eine erstaunliche Unlust an den Tag legen.

Wer etwa gegen alle Vernunft beharrlich ein Tempolimit blockiert, will zulasten des Klimaschutzes Wählerstimmen generieren. Das ist ein Affront gegen alle, denen mehr Klimaschutz am Herzen liegt. Die „Letzte Generation“ verfolgt ein zweifellos berechtigtes Ziel und erträgt tapfer die von vorneherein erwartbaren juristischen Folgen ihrer „Taten“.

Bleiben sie erfolglos, brauchen sich die jungen Leute später aber nicht vorzuwerfen zu lassen, nicht alles für mehr Klimaschutz versucht zu haben. Dem gegenüber stehen Politiker, die für die Folgen ihrer früheren unzureichenden Klimaschutzaktivitäten nicht haftbar gemacht werden können und stattdessen Ruhegelder einstreichen. „Letzte Generation“: Bleibt weiter wachsam und aktiv! Josef Trimborn Köln

Ziele der „Letzten Generation“ realitätsfern

Der Satz der Klimaaktivistin Aimée van Baalen: „Müssen wir in Deutschland erst eine Dürre erleben, an Nahrungsmittelknappheit leiden (...), bevor wir verstehen, dass die ‚Letzte Generation‘ für unser aller Leben einsteht und dass das nicht kriminell ist?“ zeigt die ganze Unsinnigkeit ihrer Argumentation. Angenommen, die Forderungen würden akzeptiert und umgesetzt, was dann? Bestenfalls wird der global knapp zweiprozentige Anteil des deutschen CO₂-Ausstoßes verschwinden. Gegen eine Dürre, die global bedingt wäre, würde das allerdings überhaupt nicht helfen, solange Länder wie China und die USA ihren CO₂-Ausstoß nicht drastisch senken. Peter Schneider Leverkusen

„Letzte Generation“: Angemessenere Protestformen suchen

Wenig Verständnis für die Ängste junger Menschen, besonders der Gruppe „Letzte Generation“, zeigt Kommentatorin Kristina Dunz, wenn sie deren Aktionen als Erpressung bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft geht zwar von einer kriminellen Vereinigung aus, nicht aber von Terroristen und Extremisten. Ich wache allmorgendlich mit einem bedrückenden Gefühl auf, wenn ich an die klimatischen Folgen vieler Fehlentscheidungen deutscher Politik denke. Und ich werde bald 76.

Ich habe Angst vor dem rasanten Wandel des Klimas, der auch mich schon heute in Form von steigenden Lebenshaltungskosten trifft. Daher versuche ich, so weit es mir möglich ist, meinen „Fußabdruck“ zu verkleinern und hoffe, dass die Gerichte einen Weg finden, dem Anliegen der „Letzten Generation“ gerecht zu werden. Ich bin nicht der Meinung, dass die Proteste der „Letzten Generation“ in dieser Form fortgesetzt werden sollten.

Angemessen protestiert werden sollte vor dem Parlament und den Gebäuden der Parteien, die den Weg in eine umweltgerechte Zukunft verhindern, aus parteipolitischen Gründen und aus falscher Rücksichtnahme auf Wähler, die nicht bereit sind, ihr Verhalten aus Bequemlichkeit zu ändern oder auf Luxus zu verzichten. Umgekehrt muss auch ein grüner Minister vermeiden, Politik mit der Brechstange zu betreiben und mehr Fantasie walten lassen, was etwa die Art der Beheizung in alten Gebäuden betrifft. Lutz Winkler Gummersbach

Verkehrsblockaden von Klimaaktivisten bestrafen

Wann werden die Personen richtig bestraft, die Straßensperren durchführen? Straßensperren sind ein Eingriff in den Straßenverkehr. Sie sind eine Behinderung, aber auch eine Gefährdung, die strafbar ist. Hier ist der Gesetzgeber am Zuge. Leider geschieht nichts. Wenn man als Autofahrer einen behindert oder gefährdet, wird man bestraft. Bedenkt man, dass auch Rettungsfahrzeuge behindert werden, ist das unverantwortlich.

Da sehr viele junge Menschen dabei sind, sollten sie eine Berufsausbildung machen und so für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Aber nein, sie erpressen den Staat. Die Parteien greifen nicht richtig durch und die Presse verharmlost das. Wenn das so weiter geht, wird eines Tages ein Bürgerkrieg entstehen. Darum finde ich es gut, wenn diese Gruppe als kriminelle Vereinigung eingestuft wird. Bernhard Dennert Frechen