Historische Ausstellung am NeumarktSo lebten die kölschen Römer einst am Rhein

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Blick in die Ausstellung - im Hintergrund ein Modell des römischen Köln.

Köln – Der Nachhall des Römischen Reiches im zeitgenössischen Köln ist gewaltig – schon weil alle Baustellen in der Innenstadt zum Erliegen kommen, sobald die Archäologen auf alte Steine, Scherben und manchmal sogar völlig intakte Kelche oder Ledergürtel stoßen, die sich in der feuchten Kölner Erde gut erhalten haben. Ein Kalkboden hätte solchen Schätzen längst den Garaus gemacht.

Beim Bau der Nordsüd-Bahn kam so vor noch nicht langer Zeit ans Tageslicht des dritten Jahrtausends nach Christus, welche Waren die Bewohner der Colonia Claudia Ara Agrippinensium einst im 50. Jahr nach seiner Geburt im Rheinhafen umgeschlagen haben: Wein aus Griechenland, Kleinasien und Frankreich, Fischsaucen aus Italien, Olivenöl aus Tunesien.

Kulinarische Tradition

Die kulinarische Tradition setzt sich fort, wie sich beim Betreten der Ausstellung „Rom am Rhein“ im Kulturzentrum am Neumarkt leicht feststellen lässt. Hier begrüßen die Besucherinnen und Besucher als erstes Etiketten der Marke „Agrippa Kölsch“, mit denen die Rheinische Bürgerbräu GmbH & Co KG an imperiale Zeiten anknüpfte. Aber auch ein Cover der „Römer Illustrierten“ stimmt auf die höchst sehenswerte Schau ein – mit dieser Publikation schlug das Römisch-Germanische Museum 1974, im Jahr seiner Eröffnung, einen Bogen zwischen Antike und Moderne, mit einer auf dem Boden liegenden Büste von Agrippina, der Jüngeren, einer im Stil popkultureller Magazine fett prangenden Jahreszahl und einer Passagiermaschine, die auf dem Flughafen Köln/Bonn auf die Starterlaubnis wartet. Wer hier abhob, landete in der Vergangenheit.

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Römer Illustrierte, 1974

Die Kölner Ausstellung ist Teil eines nordrhein-westfälischen Projekts. Nachdem die Unesco den Niedergermanischen Limes als Weltkulturerbe anerkannt hat, wurde die turnusmäßig anstehende Archäologische Landesausstellung NRW dieser Grenze beziehungsweise den fließenden, den nassen Grenzen des einstigen Römischen Reiches gewidmet – wobei der hochinformative, opulent illustrierte und umfangreiche Katalog ein ums andere Mal betont, wie durchlässig gerade die von Iulius Caesar bei seiner Eroberung Galliens so nachdrücklich gezogene Rheingrenze, wie vielfältig die Kontakte zwischen der westlichen römischen und der germanischen Seite östlich des Flusses waren.

„Roms fließende Grenzen“, wie der überwölbende Titel des Ausstellungsprojekts heißt, berühren fünf Standorte: neben den beiden coloniae Köln und Xanten den ehemaligen Legionsort Bonn, den westfälischen Stützpunkt Haltern am See sowie das lippische Detmold.

Spaziergang durch die CCAA

„Rom am Rhein“, die Kölner Schau, lädt ein zu einem Spaziergang durch die CCAA, die Colonia Claudia Ara Agrippinsensium – durch die Handwerkerviertel der Hauptstadt der niedergermanischen Provinz, durch die Großbauten wie den Statthalterpalast, das Praetorium, durch die Tavernen und Thermen der von Augustus gegründeten nördlichsten Metropole Italiens, wie sich Köln heute einer gewissen mediterranen Leichtigkeit und Lebensfreude rühmt – die man auch auf die alten Römer zurückführt, deren Kult um Saturn zum Beispiel, die sogenannten Saturnalien, sich im Karneval wiederfindet.

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Antike Urnen - rechts: Aufbau einer römischen Straße.

Auch die letzten Ruhestätten lässt die Schau nicht aus, und man staunt, wie sehr sich die römischen und die heutigen Urnen in ihrer Formensprache ähneln. Dass jeweils drei Trinkgefäße den Verstorbenen beigegeben wurden, war allerdings eine kölsch-römische Besonderheit, die leicht ausschweifend wirkt, wen wundert’s bei dieser Stadt? Woanders mussten die Toten sich mit nur einem Gefäß begnügen.

Der Friedhof befand sich vor der Toren der Colonia – innerhalb der Stadtmauern folgte Kölns Stadtplan dem Muster römischer Besiedlung mit schnurgerade gezogenen Straßen, die wie auf einem Schachbrett angeordnet waren. Derlei topografische und städtebaulichen Situationen verdeutlicht die Ausstellung anschaulich durch computeranimierte Filme und monumentale Schautafeln. Hier kann man virtuell die Severinstraße entlangspazieren, die zwar ihr Erscheinungsbild radikal verändert hat, nicht aber ihren geradlinigen Verlauf. Im römischen Köln, so viel steht fest, verlief man sich nicht so leicht.

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Büste des Domitian - Titus Flavius Domitianus war von 81 bis 96 n.Ch. Kaiser von Rom.

Das Römische Weltreich ruft Assoziationen wach, die es in einem mitunter kalten Licht erscheinen lassen. Eine hinter Kettenhemden und Schilden verpanzerte Militärmacht, eine komplizierte Grammatik samt Ablativ, eine gigantische Verwaltungsstruktur, die ihr Netzwerk bis in die hintersten Winkel der kaiserlichen und senatorischen Provinzen ausbreitete; dazu monumentale Herrscherbüsten, die im Laufe der Zeit zwar die ein oder andere Nase eingebüßt, aber nichts von ihrer blasierten Überlegenheit verloren haben – das sind die Insignien des Imperiums, das sich zu gewaltiger Größe aufschwang, um nach Jahrhunderten dann doch zu zerbrechen und unterzugehen.

Spielerische Seite

Die Kölner Ausstellung versäumt es indessen nicht, auch die andere, die lebenszugewandte, die spielerische Seite Roms hervorzukehren: die bunten Glaskugeln, in denen man allerhand wohlriechende Substanzen und Salben für das Bad in der Therme aufbewahrte, die Becher und Krüge, die es den Betrachtenden leicht machen, sich ein Gelage vors geistige Auge zu rufen; auch die Scheren des Babiers und seine diversen Messer – Barthaare wurden allerdings ausgerissen, so dass Tacitus vom Geschrei berichtet, das die Badehallen mitunter erschütterte. Es war nicht alles elegant in der Antike.

Diese römische, diese Jahrtausende zurückreichende Geschichte und Tradition trägt nicht wenig zum Kölner Lokalpatriotismus bei, ist man sich doch bewusst, dass man auf historischem Boden wandelt und oft ja auch vor uralten Bauwerken steht. Oberirdisch sehen wir die Überreste der römischen Wasserleitung, die als Wunderwerk antiker Ingenieurskunst über 100 Kilometer bis zur Urft in der Eifel verläuft und dabei ihr gleichmäßiges Gefälle behält. Unterirdisch legten die Römer ein Kanalsystem an, um das Brauchwasser zu entsorgen – sie setzten damit einen Standard, der bis heute gilt, auch wenn die hygienischen Maßstäbe mittlerweile höher liegen. Und dann gibt es die Reste der Stadtmauer, die etwa mit dem Römerturm in der Nähe des Friesenplatzes nicht bloß dafür steht, dass man die Barbaren abwehren wollte: Reiche Verzierungen sind die steinerne Botschaft dafür, dass hinter diesen Mauern Leute von Geschmack, Kultur und Kunstverstand lebten.

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Römerturm in der Nähe des Friesenplatzes.

Es war eine Multikultur, die den Vielvölkerstaat namens Römisches Reich prägte, auch in der Colonia am Rhein. Dafür sorgte nicht allein der Strom selbst, über den die Schiffe mit ihren Waren von weither kamen. Köln war Teil und sogar Mittelpunkt eines weitverzweigten Straßennetzes, das die Stadt mit Nijmegen und Trier, Amiens und Mainz, Boulogne und Metz verband. Auch hier wird die Ausstellung am Neumarkt konkret, indem sie am Beispiel einer langen Wegstrecke zeigt, wie die Straßen damals aufgebaut waren. Überhaupt vermittelt die Schau eindrücklich, wie die Stadt ausgesehen haben könnte, ohne allzu voreilige Schlüsse zu ziehen: Die Antike war bunt, auch wenn ihre ergrauten Hinterlassenschaften farblich eine andere Sprache sprechen. Doch bis zu welchem Grad etwa das Praetorium ausgemalt war, das wissen wir nicht, wie wir zugeben müssen – die Ausstellung lässt die Frage offen.

„Roms fließende Grenzen“ – das ist wörtlich gemeint wie auch metaphorisch: Fließend, nicht abrupt ging es mit dem Reich schließlich auch zu Ende, indem die Nachfolgestaaten zahlreiche römische Errungenschaften übernahmen, solche architektonischer Art, aber auch in Fragen der Rechtsprechung. Das kölsche Rom am Rhein hat diesen Wandel mitgemacht. Von Augustus‘ Zeiten bis heute ist Köln eine florierende Kultur- und Handelsstadt geblieben. Den Grundstein dieses Reichtums legten die Römer. Die Ausstellung am Neumarkt schafft das historische Bewusstsein dafür.

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Daten zur Ausstellung

Die Ausstellung "Rom am Rhein" kombiniert Exponate aus dem Römisch-Germanischen Museum (RGM), das derzeit renoviert wird, mit zahlreichen neuen, zum Teil noch nicht gezeigten Fundstücken. Die konzeptionelle Idee wurde von RGM und MiQua - LVR-Jüdisches-Museum im Archäologischen Quartier, entwickelt. Die Schau ist Teil der Archäologischen Landesausstellung NRW "Roms fließende Grenzen". Sie ist zu sehen im Kulturzentrum am Neumarkt (Museum Schnütgen und Rautenstrauch-Joest-Museum), Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 (montags geschlossen), Eintritt 10,- Euro, erm. 6,- Euro. Der Katalog zu "Roms fließende Grenzen", hrsg. v. von Marcus Trier, Erich Claßen und Thomas Schürmann, erscheint bei wbg Theiss, 40 Euro.

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