Kommentar zum aufgehobenen Weinstein-UrteilMeToo ist größer als das Schicksal eines Mannes

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Harvey Weinstein, Filmproduzent aus den USA, antwortet auf Fragen von Journalisten beim Verlassen eines Gerichtssaals nach einer Verhandlung in seinem Prozess wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung.

Harvey Weinstein, Filmproduzent aus den USA, antwortet auf Fragen von Journalisten beim Verlassen eines Gerichtssaals nach einer Verhandlung in seinem Prozess wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung.

Das Urteil gegen den Medienmogul war ein Meilenstein für MeToo. Die jetzige Aufhebung bedeutet keinen Rückschlag für die Bewegung – im Gegenteil.

Donnerstag war ein harter Tag für Betroffene von sexueller Gewalt und Machtmissbrauch. Wegen Verfahrensfehlern hat New Yorks Oberster Gerichtshof ein Urteil gegen Ex-Filmproduzent Harvey Weinstein (72) aufgehoben. Das Urteil galt als Meilenstein der MeToo-Bewegung. Seine Aufhebung zeigt, wie schwierig es ist, strukturellen sexuellen Missbrauch zu beweisen. Aber die Erfolge von MeToo hängen nicht von dem Schicksal eines einzelnen Mannes ab – selbst, wenn es sich um MeToo-Symbolfigur Harvey Weinstein handelt.

Ganz klar, das Weinstein-Urteil aus dem Jahr 2020 war wegweisend für MeToo – auch, weil er in erster Linie auf Basis der Aussagen von betroffenen Frauen für schuldig befunden wurde, obwohl Weinstein seine Unschuld beteuerte. Allerdings betreffen einige Aussagen von Zeuginnen Taten, die gar nicht angeklagt waren.

Die Staatsanwaltschaft wollte damit zeigen, dass Weinsteins Taten einem Muster folgen. Dass er nicht nur 2006 eine Produktionsassistentin zum Oralsex zwang und 2013 eine andere Frau vergewaltigte, wie in dem besagten Prozess angeklagt – sondern dass Weinstein sich Frauen gegenüber grundsätzlich übergriffig verhielt. Für das New Yorker Gericht nun Grund genug, neu zu verhandeln.

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Entwicklungen, die bleiben

Ist MeToo damit gescheitert? War jetzt alles umsonst? Auf keinen Fall. Es zeigt nur: Es ist wahnsinnig schwer, sexuellen Missbrauch zu beweisen – insbesondere, wenn er strukturell ist und in der Branche als „normal“ empfunden wird. Die Weinstein-Enthüllungen waren 2017 folglich wie ein Urknall für die Bewegung, ein Befreiungsschlag. Plötzlich fanden Betroffene Worte für das, was sich schon Jahre lang falsch anfühlte.

Plötzlich gab es da einen Raum für diese Art von Machtmissbrauch, ein Bewusstsein. Und daran ändert ein aufgehobenes Urteil nichts. Zumal Weinstein wegen eines anderen Urteils – ebenfalls wegen Sexualverbrechen – weiterhin als verurteilter Sexualstraftäter gilt und noch 16 Jahre deswegen im Gefängnis sitzen wird.

MeToo hat ein Bewusstsein für strukturellen, sexuellen Missbrauch geschaffen. Das ist eine Entwicklung, die sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Frei nach Platons Höhlengleichnis: Es führt kein Weg zurück in die Höhle, wenn man die Sonne gesehen hat. Und das ist soviel größer als die Frage, ob Weinstein nun wieder verurteilt wird oder nicht.

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