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In der ARDMasala zerpflückt Stegners „Manifest“ - und schmunzelt über den „Trottel“-Vorwurf

Lesezeit 5 Minuten
Bei Sandra Maischberger stritten Militärexperte Carlo Masala und SPD-Politiker Ralf Stegner über dessen Friedens-“Manifest“. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Bei Sandra Maischberger stritten Militärexperte Carlo Masala und SPD-Politiker Ralf Stegner über dessen Friedens-“Manifest“. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Man muss mit den Feinden reden“, forderte SPD-Politiker Ralf Stegner am Montag bei Maischberger. „Es wird seit 1.208 Tagen geredet“, konterte Militärexperte Carlo Masala.

Seit rund einer Woche sorgt das von Ralf Stegner und anderen SPD-Mitstreitern wie Ex-Fraktionschef Rolf Mützenich veröffentlichte „Manifest“ für Diskussionen. Darin fordern die Genossen unter anderem Gespräche mit Russland: „Militärisch ist Russland nicht zu besiegen“, betonte der SPD-Außenpolitiker am Montagabend bei Sandra Maischberger im TV-Studio. Stegner: „Man muss mit den Feinden reden.“

„Es wird beständig geredet“, fiel ihm der Professor für Internationale Politik und Militärexperte Carlo Masala ins Wort. Jeder Europäer sei nach Moskau gereist, es habe chinesische, brasilianische und afrikanische Delegationen gegeben, Macron, Scholz und jetzt Trump hätten mit Putin Gespräche gesucht, zählte er auf: „Sie tun so, als würde nicht geredet. Es wird seit 1.208 Tagen geredet.“

Ralf Stegner beruft sich auf Helmut Schmidt - Masala: „Falscher Kronzeuge“

„Man muss mit den Feinden reden“, sagte Ralf Stegner bei Maischberger. „Es wird beständig geredet“, konterte Carlo Masala. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Man muss mit den Feinden reden“, sagte Ralf Stegner bei Maischberger. „Es wird beständig geredet“, konterte Carlo Masala. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Man müsse eben Geduld haben, konterte Stegner - und zitierte, wie so oft, einen historischen Staatsmann. Altkanzler Helmut Schmidt habe schon gesagt: „Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen.“

„Es wird geredet und weiter geschossen - da ist Helmut Schmidt der falsche Kronzeuge“, stieß er bei Masala damit auf taube Ohren. „Was machen Sie, wenn Ihr Plan scheitert?“, wollte der Militärexperte von ihm wissen. Wenn nach 1.000 Gesprächen die Russen die Belastbarkeit von Artikel 5 der NATO und damit den Bündnisfall testen würden?

Konkrete Hinweise, dass die Russen genau das vorhaben, seien ausgerechnet am Tag vor der Veröffentlichung des SPD-Manifests publiziert worden. „Dann stehen Sie wehrlos da“, gab Masala gleich selbst die Antwort und fügte hinzu: „Die clevere Strategie ist, sich darauf vorzubereiten und gleichzeitig zu reden.“ Das habe man eigentlich auch in der SPD verstanden.

Stegner will keinen Namen nennen: „Sie weichen aus“

„Solange man redet, hat man einen gewissen Einfluss“: Ralf Stegner verteidigte auch seine Baku-Reise. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

„Solange man redet, hat man einen gewissen Einfluss“: Ralf Stegner verteidigte auch seine Baku-Reise. (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Im „Manifest“ hingegen wurde die SPD als „Friedenspartei“ präsentiert und gleichzeitig kritisiert, dass sich in Deutschland und Europa Kräfte durchgesetzt hätten, die die Zukunft „in einer militärischen Konfrontationsstrategie und Hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“.

Wer genau damit gemeint sei, wollte Sandra Maischberger genauer wissen, vielleicht SPD-Chef Lars Klingbeil oder Verteidigungsminister Boris Pistorius? Letzterer zeigte sich jüngst in Interviews genervt von den Genossen, die auf Distanz zur Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung gehen.

„Diejenigen, die der Meinung sind, dass wir 5 Prozent für Rüstung ausgeben sollen“, wollte Stegner keine Namen nennen. „Sie weichen aus“, ließ Masala das nicht gelten und belehrte ihn eines Besseren: „Es geht nicht um 5 Prozent. Es geht um 3,5 Prozent für die harte Verteidigung.“ Die restlichen 1,5 Prozent würden etwa für Infrastruktur und Cyber-Sicherheit ausgegeben werden.

Stegners „Trottel“-Vorwurf lässt Masala schmunzeln

Carlo Masala stellte fest: „Die Europäer haben nichts in die Waagschale zu werfen, was Putin interessiert.“ (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Carlo Masala stellte fest: „Die Europäer haben nichts in die Waagschale zu werfen, was Putin interessiert.“ (Bild: WDR / Oliver Ziebe)

Stegner blieb unbeeindruckt. Man müsse etwas tun, aber die „immense Steigerung“ sei zu viel. Schließlich seien schon 2024 „Rekordzahlen“ für Rüstung ausgegeben worden. Generell kritisierte er, mit Kriegsrhetorik wie etwa der Taurus-Diskussion die „Leute in die Arme der Populisten zu treiben“.

Ob er denn Masala mit „Trottel“ meinte, stichelte Maischberger und berief sich dabei auf ein Interview im Magazin „Cicero“. „Über Waffen kann jeder Trottel reden“, hatte Stegner dort gemeint.

Mit Schimpfworten hielt sich der Norddeutsche in der ARD-Sendung zurück, bekrittelte aber: In Deutschland werde über Waffen geredet wie über die Frage, wer wo Nationaltrainer werde. Eine fachliche Meinung könne er akzeptieren. „Das war kein Nein“, fiel Masala amüsiert auf und brachte damit Maischberger zum Schmunzeln.

Masala über Rückzug der USA: „Jetzt fängt das Drama an“

Ernster wurde der Militärexperte, als es um den Rückzug der USA aus den Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland ging. „Jetzt fängt das Drama an“, lautete seine Analyse. Masala: „Die Europäer haben nichts in die Waagschale zu werfen, was Putin interessiert.“ Vielmehr dränge dieser die Amerikaner gerade erfolgreich aus den Verhandlungen, um den Krieg bis zum Erreichen seiner Ziele weiterzuführen.

Auch Deutschland spiele für Putin eine zentrale Rolle, betonte er. „Wenn die Russen Deutschland aus der Phalanx der Staaten herausbrechen können, die die Ukraine unterstützen, hat man extrem gewonnen“, meinte er. Deshalb stehe die Bundesrepublik im Fokus der russischen Desinformationen und Nukleardrohungen, die mit der Angst der Deutschen spiele: „Wir sind sehr zentral für die Frage, wie wird die Ukraine unterstützt. Die Russen wissen das.“

Masala erteilt Stegner Geschichtsstunde: „Das ist ein historischer Fakt“

Dass sich auch Stegner durch die Teilnahme an einem Treffen mit Putin-Vertrauten in Baku Anfang Mai für diese Zwecke missbrauchen ließ, wies der SPD-Politiker vehement zurück. Stegner verteidigte die Reise: „Solange man redet, hat man einen gewissen Einfluss.“ Zur Unterstützung seiner Behauptung griff er diesmal über die Grenzen Deutschlands zu John F. Kennedy. Der habe in der Kuba-Krise durch seine Entspannungspolitik den dritten Weltkrieg erspart.

„Er hat den Sowjets angedroht, sie zu beschießen. Das ist ein historischer Fakt“, erteilte ihm Masala erneut eine Geschichtsstunde. Erst das Zeigen militärischer Stärke gekoppelt mit Gesprächen habe zum Erfolg geführt. Von Stegners „privater Diplomatie“ hält Masala hingegen wenig. „Es war nicht privat, ich bin Politiker“, konnte der mit dieser Beschreibung nichts anfangen. Dass er im Auftrag in Baku war, negierte er jedoch. „Dann war's private Diplomatie“, stellte der Militärexperte nüchtern fest.

Außerdem zu Gast im „Maischberger“-Studio waren am Montag die neue Bundesbildungs- und Familienministerin Karin Prien (CDU), um über Migration, Integration und Bildung zu sprechen. Als Kommentatoren waren der Journalist und Autor Werner Sonne, die Journalistin und Kriegsreporterin Sophia Maier und die Autorin der „Neuen Zürcher Zeitung“ Susanne Gaschke geladen. (tsch)