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Dringend notwendige ReformDen Steuerzahlenden ist das XXL-Parlament schon lange nicht mehr zu erklären

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Der Bundestag wird immer größer – und immer teurer.

Der Bundestag wird immer größer – und immer teurer. Doch gegen das neue Wahlrecht gibt es Protest.

Die Ampel will ein neues Wahlrecht beschließen, das garantiert vor dem Verfassungsgericht landen wird. Gut so! Und auch die Bundesregierung braucht dringend eine personelle Obergrenze.

736 Abgeordnete sind schlicht und ergreifend zu viel für den Bundestag. Jedenfalls befördert ein übergroßes Parlament nicht die Qualität politischer Entscheidungen. Im Gegenteil: Es macht sie schwieriger. In den Ausschüssen, wo die eigentliche Arbeit an den Gesetzen stattfindet, stehen sich die Abgeordneten gegenseitig auf den Füßen.

Ein neues Wahlrecht, mit dem alle Fraktionen zufrieden sein werden, ist nicht machbar. Das haben die jahrelangen Verhandlungen um ein neues Gesetz inklusive einer Verkleinerung des Bundestags belegt. Nun wird in dieser Woche aller Voraussicht nach eine Reform durchkommen, die den Schmerz bei den Ampel-Parteien in Grenzen hält, bei Union und Linken hingegen scharfen Protest hervorruft - und wahrscheinlich eine Klage in Karlsruhe provoziert. Dass am Ende das Verfassungsgericht entscheidet, ist sinnvoll und sogar notwendig. Das Wahlrecht ist eine tragende Säule der Demokratie. Es sollte den Segen der obersten Verfassungshüter haben. Die Richter in Karlsruhe werden entscheiden müssen, ob die Reform die Vorgabe des Grundgesetzes wahrt, dass die Wahlen allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein müssen.

Die Union empört sich darüber, dass durch die von der Ampel geplante Reform gewonnene Direktmandate nicht wahrgenommen werden dürfen. Nun mag man der Union zurufen: Ihr habt 16 Jahre regiert und habt es in den vergangenen beiden Wahlperioden nicht geschafft, mit der SPD eine Einigung auf ein neues Wahlrecht zu finden.

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Nun erledigt eben eine andere Mehrheit, was ihr habt liegen lassen. Bitte mal an die eigene Nase fassen. Die Reform des Wahlrechts ist notwendig geworden, weil sich die Parteienlandschaft stark verändert hat. Als in den Jahrzehnten nach Gründung der Republik nur drei Parteien im Parlament saßen, kam es kaum zu Überhangmandaten. Durch die Parteienvielfalt und die großen regionalen Unterschiede entstehen die vielen Ausgleich- und Überhangmandate. Um zu verhindern, dass der Bundestag eines Tages auf eine vierstellige Zahl an Abgeordneten anschwillt, muss das Wahlrecht verändert werden.

Und das geht nicht ohne Einschnitte. Dass die Ampelkoalition ihren eigenen Gesetzentwurf von der zunächst vorgesehenen Begrenzung auf 598 Abgeordnete hin zu 630 verändert hat, liegt nicht an ihrer besonders großen Kompromissbereitschaft gegenüber der Union. Vielmehr ist der Widerstand und die Besitzstandswahrung in den eigenen Reihen die Ursache dafür. Den Steuerzahlenden ist das XXL-Parlament schon lange nicht mehr zu erklären. Ohne Effizienzgewinn erzeugt es Kosten für Abgeordnetendiäten, Mitarbeiterstäbe und Fahrdienste. Doch es reicht nicht, nur auf den Bundestag zu schauen.

Während sich das Parlament nun zu der dringend notwendigen Reform in eigener Sache quält, schwillt der Regierungsapparat an, als gäbe es kein Morgen. Wie für den Bundestag bedarf es auch dringend für die Ministerien einer Obergrenze für das Personal. Die Regierung ist wegen ihrer personellen Ausstattung beim Formulieren von Gesetzentwürfen dem Parlament ohnehin haushoch überlegen. Wenn sich nun das Parlament bescheiden muss, während sich die Regierung munter aufplustert, verschärft sich das Gefälle zwischen Regierung und Bundestag.

Die Abgeordneten aber sind dafür da, die Regierung zu kontrollieren. Grundsätzlich sollte für die Regierung gelten, was der Bundestag auch befolgen muss: Die Abgeordneten wie die Regierungsbeamten tragen eine hohe Verantwortung und sollen ordentlich bezahlt und gut ausgestattet sein. Es muss aber unbedingt der Eindruck eines immer größer werdenden Betriebs vermieden werden, der vor allem damit beschäftigt ist, sich selbst zu erhalten.

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