Entkriminalisierung?Stadt Wiesbaden tritt Debatte ums Schwarzfahren los

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Eine Fahrkartenkontrolleurin kontrolliert mit einem elektronischen Lesegerät in einer U-Bahn den Fahrschein eines Fahrgastes.

Eine Fahrkartenkontrolleurin kontrolliert mit einem elektronischen Lesegerät in einer U-Bahn den Fahrschein eines Fahrgastes. (Symbolbild)

Hohe Strafen beim Schwarzfahren? Die einen finden das unverhältnismäßig, andere zur Abschreckung sinnvoll und wichtig.

Fahren ohne gültigen Fahrschein ist eine Straftat, für die man juristisch belangt werden kann - genau darauf soll das städtische Verkehrsunternehmen ESWE aus Wiesbaden künftig verzichten. Hintergrund ist ein Anfang November angenommener Antrag von Grünen, SPD, Linke und Volt, der einen „Verzicht auf einen Strafantrag bei der Erschleichung von Beförderungsleistungen“ fordert.

Begründet hat das Wiesbadener Bündnis seine Forderung mit der unverhältnismäßig hohen Strafe fürs Schwarzfahren. Da das Delikt häufig von armen Menschen begangen werde, müsse häufig anstatt einer Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werden, wie es im Antrag lautet. Die Regelungen zum erhöhten Beförderungsentgelt sollen demnach aber bestehen bleiben. Werden Passagiere ohne Ticket in den Bussen des ESWE erwischt, sollen sie auch weiterhin eine Strafe in Höhe von 60 Euro bezahlen müssen.

Einnahmeverlust von 300 Millionen Euro

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen sieht die Entkriminalisierung grundsätzlich kritisch: Durch das Fahren ohne Fahrschein entstünden bei den Verkehrsunternehmen bundesweit jährlich Einnahmeverluste in Höhe von etwa 300 Millionen Euro, die durch ehrliche Kunden oder Steuerzahlen ausgeglichen werden müssten, teilte ein Verbandssprecher mit. Die abschreckende Wirkung eines drohenden Strafantrags erachte man daher als „wichtig und sinnvoll“.

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Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz, spricht auf einer Pressekonferenz. (zu dpa «Buschmann will Schwarzfahren entkriminalisieren») Foto: Hannes P. Albert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) möchte das Schwarzfahren entkriminalisieren.

Die Stadt Frankfurt will vorerst nicht nachziehen, wie das Mobilitätsdezernat mitteilte. „Wir sehen den Vorstoß aus Wiesbaden aber eher kritisch, weil wir uns ein einheitliches Vorgehen - mindestens gemeinsam mit unseren Partnern im RMV, aber am liebsten bundesweit - erhoffen“, hieß es vom Dezernat.

Zudem würde eine Frankfurter Regelung den Angaben nach nur die städtischen Verkehrsmittel, also U-Bahn, Straßenbahn und Stadtbusse, abdecken. In S-Bahnen sowie Regionalbussen und -zügen müssten Fahrgäste ohne gültiges Ticket weiterhin mit einer Strafanzeige rechnen. Es gelte einen Flickenteppich zu vermeiden, teilte das Dezernat mit. Zudem ist in Frankfurt die Schwelle, dass es überhaupt zu einer Anzeige kommt, den Angaben nach relativ hoch. Demnach müsse eine Person innerhalb von 90 Tagen insgesamt drei Mal ohne Fahrschein angetroffen werden, darüber hinaus volljährig sein, nicht unter Betreuung stehen und einen festen Wohnsitz haben.

Schwarzfahren nur ein Ordnungswidrigkeit?

Auch eine Sprecherin der Deutschen Bahn teilte mit, dass ein Strafverfahren in der Regel erst im Wiederholungsfall oder in besonders schweren Fällen auch schon bei Ersttätern eingeleitet werde. Laut Angaben des Hessischen Innenministeriums waren die Fallzahlen bei der sogenannten Beförderungserschleichung zuletzt rückläufig. Im Jahr 2021 waren insgesamt 20 527 Fälle registriert worden, im Jahr 2022 nahm der Wert auf 15 625 ab.

Auch die Schadenssumme habe sich von 354 000 Euro im Jahr 2021 auf etwa 320 000 Euro im Folgejahr reduziert, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Konkrete Fallzahlen für das laufende Jahr könne man demnach noch nicht nennen, im Trend zeichne sich eine leichte Steigerung der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr ab. Aktuelle Zahlen nannte die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main: Bis Oktober 2023 wurden insgesamt 3 343 Strafanträge wegen Schwarzfahrens gestellt, die Zahlen seien rückläufig.

Schwarzfahren beschäftigt auch die Bundespolitik und soll nach Ansicht von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) künftig nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden. Das Sanktionsverfahren solle standardisiert, die Bearbeitung weniger personalintensiv werden, äußerte sich Buschmann gegenüber der „Zeit“. (dpa)

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