Krankenkassen-ReportMenschen in NRW leben bundesweit am ungesündesten

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Ein Mann sitzt zuhause an einem Esstisch und arbeitet an einem Laptop.

Laut DKV-Befragung sitzen die Menschen in NRW rund zehn Stunden am Tag (Symbolbild).

Schlechte Ernährung, langes Sitzen, zu viel Stress: Im DKV-Gesundheitsreport ist NRW das Schlusslicht. Doch der Bericht zeigt auch positive Entwicklungen.

„Ich hoffe, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hört heute zu“, sagte Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln bei der Vorstellung des Gesundheitsreports der Deutschen Krankenversicherung (DKV) am Montagvormittag in Berlin. Beim Blick auf die Ergebnisse des Gesundheitsrankings gibt es dafür einige gute Gründe. Denn im Ländervergleich landet Nordrhein-Westfalen auf dem letzten Platz. Laut der repräsentativen Umfrage führen nur 12 Prozent der Befragten in NRW einen ganzheitlich gesunden Lebensstil.

Als rundum gesund gelten laut den Studienleitern Birgit Wallmann-Sperlich und Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln Menschen, die sich ausreichend bewegen, sich ausgewogen ernähren, auf Nikotin und Alkohol weitgehend verzichten und mit Stress gut umgehen.

Sowohl bei den Sitzzeiten als auch bei gesunder Ernährung und dem Umgang mit Stress bilden die Bewohner Nordrhein-Westfalens das Schlusslicht in Deutschland. „Es wird dringend Zeit, dass Hendrik Wüst das Thema Gesundheit auf die politische Agenda setzt“, forderte Froböse. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ betonte er: „Wir rutschen in eine soziale und ökonomische Krise, wenn wir unsere Gesundheit nicht endlich in die Hand nehmen.“

Ingo Froböse: Auch Kommunen in NRW in der Pflicht

Für Froböse hat das schlechte Abschneiden des bevölkerungsreichsten Bundeslandes mit zwei Aspekten zu tun: „Nordrhein-Westfalen hat sich von einem Industrie- zu einem Dienstleistungsland entwickelt. Das heißt: Wir haben im Arbeitsleben viel mehr Sitzungen und arbeiten öfter am Computer.“ Hinzu kämen geografische Gegebenheiten: „Aufgrund der Nähe der Städte untereinander kommt es in Nordrhein-Westfalen zu einem sehr hohen Verkehrsaufkommen durch Pendelverkehr.“

Froböse sieht hier vor allem die Kommunen in der Pflicht, für eine Infrastruktur zu sorgen, die es den Menschen ermöglicht, auf das Auto zu verzichten und beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit auf das Fahrrad umzusteigen.

Spitzenreiter des Rankings sind Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland, wo laut der Befragung jeweils 21 Prozent der Menschen gesund leben. Die beiden letztgenannten Bundesländer wurden gemeinsam ausgewertet.

Der bundesdeutsche Schnitt beim Gesundheitsranking liegt bei 17 Prozent. Das sind sechs Prozent mehr als noch 2021. „Der bundesweite Trend ist dem Ende der Corona-Pandemie geschuldet“, merkte Froböse an. So hätten sich die Zahlen bei gesunder Ernährung, der körperlichen Aktivität und der Stressbelastung wieder in Richtung des Vor-Corona-Niveaus eingependelt. „Damit haben wir einen kleinen Schritt in Richtung Normalität gemacht“, fasste er diese Entwicklung zusammen, verwies aber gleichzeitig auf ein generell noch niedriges Niveau.

Menschen in Nordrhein-Westfalen verbringen rund zehn Stunden am Tag im Sitzen

Froböse fordert Politik und Wirtschaft dazu auf, gesundheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. „Wir müssen Gesundheitsbildung und Prävention ganz nach oben auf die politische Agenda setzen.“ Gerade Menschen mit geringem Bildungsabschluss führen einen ungesunden Lebensstil. Hier müsse es schon in der Schule eine bessere gesundheitliche Aufklärung geben. Doch auch Unternehmen seien gefragt. Gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen fehle es an betrieblichen Angeboten zur Gesundheitsförderung, so Froböse

Besonders besorgniserregend ist die Entwicklung bei den Sitzzeiten der Deutschen. Hier hat auch das Ende der Corona-Pandemie keine Besserung gebracht, im Gegenteil: Die Zahl der Menschen, die zu viel Zeit im Sitzen verbringen, steigt weiter. Durchschnittlich sitzt jeder Deutsche 9,2 Stunden am Tag, das ist eine halbe Stunde mehr als noch während des Corona-Jahres 2021 (8,7 Stunden). Die Menschen in Nordrhein-Westfalen kommen sogar auf rund zehn Stunden. „Während der Pandemie war das Spazieren gehen oft die einzige Möglichkeit, sich zu bewegen. Das hat sich auch in den Daten wiedergefunden. Und dieses kompensatorische Element ist jetzt wieder weggebrochen“, sagte Froböse.

Ein deutliches Warnsignal sieht er zudem in den Zahlen zur psychischen Gesundheit der Deutschen. Jeder vierte Befragte schätzt sein psychisches Wohlbefinden als gering ein. „Hier müssen wir dringend gegensteuern und den Menschen wieder mehr Sicherheit und Lebensqualität geben“, sagte Froböse. Förderlich dafür ist Bewegung, heißt es im Report: „Wer sich wohl fühlt, bewegt sich mehr beziehungsweise wer sich mehr bewegt, fühlt sich wohler.“

Der Gesundheitsreport des Deutschen Krankenversicherungs AG und der Sporthochschule Köln wurde in diesem Jahr zum siebten Mal in einer repräsentativen Umfrage erhoben. Zum ersten Mal fand die Befragung 2010 statt. An der Umfrage nahmen 2800 Menschen ab 18 Jahren teil. 

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