Groß-Demo in Lützerath„Sie haben gezielt die Konfrontation gesucht“ – Polizei weist Vorwürfe zurück

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Die Polizei fährt mit einem Wasserwerfer bei einer Demonstration an Klimaaktivisten vorbei.

Die Polizei fährt mit einem Wasserwerfer bei einer Demonstration an Klimaaktivisten vorbei.

Nach der Demo am Samstag werfen Aktivisten der Polizei Gewalt vor. Die verteidigt den Einsatz, will Videos und Bilder auswerten – und gegebenenfalls Verfahren gegen Kollegen einleiten.

Die Aachener Polizei hat den Räumungseinsatz in Lützerath am Sonntagnachmittag nach nur fünf Tagen für beendet erklärt. Es sei gelungen, die letzten verbliebenen Aktivisten aus Baumhäusern und Bäumen zu holen, sagte eine Sprecherin. Damit ging die Räumung deutlich schneller als geplant. Die Behörde war anfangs von vier Wochen ausgegangen.

Insgesamt hatten mehrere Hundert Anhänger der Klimaprotestbewegung den Ort am Rande des Tagebaus Garzweiler II besetzt gehalten, um den Abbau der darunterliegenden emmissionsintensiven Braunkohle zu verhindern.

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Sorge bereitet den Einsatzkräften allerdings zwei Aktivisten, die sich weiterhin vier Meter tief in einem Tunnelsystem verschanzt halten. Die Verantwortung für den Einsatz hat inzwischen die RWE-Werksfeuerwehr übernommen. Wie lange es dauern werde, die beiden dort rauszuholen, sei völlig unklar, sagte am Sonntag ein Sprecher des Unternehmens.

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Aktivisten werfen Polizei ausufernde Gewalt vor

Unterdessen haben die Aktivisten schwere Vorwürfe gegen die Polizei wegen ausufernder Gewalt erhoben. Am Samstag hatte ein breites Bündnis gegen die Abbaggerung des Weilers demonstriert. Etwa 35.000 Menschen hatten nach Angaben des Veranstalters an der Kundgebung auf einem matschigen Acker zwischen Keyenberg und Lützerath teilgenommen. Die Polizei spricht von 15.000 Demonstranten.

Stargast war die schwedische Klimaprotestikone Greta Thunberg, die einen sofortigen Stopp des Braunkohleabbaus forderte. Sie war am Sonntag überraschend erneut auf einer Demo aufgetaucht und ließ sich von Polizeibeamten wegtragen.

Gepanzerte Polizeieinheiten, Hunde- und Pferdestaffeln

Noch während der Kundgebung am Samstag waren mehr als 1000 Menschen entlang der Grabungskante in Richtung Lützerath gelaufen und hatten sich vor dem Zaun aufgestellt, den RWE zum Räumungsbeginn um den Ort hatte ziehen lassen. Gepanzerte Polizeieinheiten brachten sich in Stellung, Hunde- und Pferdestaffeln wurden angefordert. Einige Zeit später kam es zu Zusammenstößen.

Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein, Wasserwerfer schossen in die Menge. Ihr Team habe eine hohe zweistellige Zahl von Verletzten behandeln müssen, sagte eine Demosanitäterin dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Viele von ihnen hätten Kopfverletzungen davongetragen, auch zahlreiche Knochenbrüche habe es gegeben, eine Person sei von einem Hund gebissen worden.

„Einen Rettungshubschrauber-Einsatz gab es nicht“

Verwirrung gibt es über die Behauptung von Seiten der Aktivisten, dass ein Demonstrant lebensgefährlich verletzt worden sei. Das konnte die Aachener Polizei auf Anfrage nicht bestätigen. Man wisse nur von einer verletzten Person, die von Beamten den Sanitätern übergeben worden sei, sagte Sprecher Andreas Müller. Um welche Verletzungen es sich genau handelt, könne man nicht sagen. Um die genauen Hintergründe zu beleuchten, wurde laut Polizei ein Untersuchungsverfahren eingeleitet. Gerüchte, nach denen es den Einsatz eines Rettungshubschraubers gegeben habe, dementierte die Behörde. „Einen solchen Einsatz gab es nicht.“

Die Aktivisten bezeichneten das Vorgehen der Polizei als unverhältnismäßig. „Was am Samstag passiert ist, war eine krasse Eskalation von Polizeigewalt“, sagte Luca Scott, Sprecherin von „Ende Gelände“. „Es hat sich deutlich gezeigt, wie der Staat durchgreift, wenn es darum geht, Profitinteressen zu schützen.“ Die Demosanitäterin sagte, die Polizei sei „hemmungslos“ gegen die Demonstranten vorgegangen.

Keine unbegründete Gewalt – Polizei weist Vorwürfe zurück

Die Polizei weist den Vorwurf unbegründeter Gewalt zurück. Kolleginnen und Kollegen hätten ihr Leben riskiert, um Menschen von der Tagebaukante zu holen. „Es hat unschöne Bilder gegeben. Aber es kamen Menschen, denen es nur darum ging, dem Aufruf zu folgen, Lützerath neu zu besetzen“, sagte Polizeisprecher Müller. „Sie haben gezielt die Konfrontation gesucht.“

Eine Polizeikette sei durchbrochen worden. Auf Warnungen hätten die Demonstranten nicht reagiert. Erst beim Versuch, auch die zweite Kette zu durchbrechen, sei Gewalt angewendet worden. „Das hat nichts mehr mit friedlichem Protest zu tun“, sagte Müller.

Bilder und Videos sollen ausgewertet werden

Dennoch wolle man die Vorgänge genau prüfen und die über Social Media verbreiteten Bilder und Videos auswerten. „Sollte es Fehlverhalten gegeben haben, werden wir gegen die Kollegen gegebenenfalls Verfahren einleiten.“ Insgesamt seien während des Räumungseinsatzes mehr als 70 Polizisten verletzt worden. Über die Zahl verletzter Aktivisten konnte die Polizei keine Angaben machen.

Die Polizei hat angekündigt, auch nach Abschluss der Räumung in Lützerath präsent zu bleiben. Es gehe darum, erneute Versuche einer Besetzung zu verhindern, hieß es. Außerdem bereite man sich auf den kommenden Dienstag vor. Das Bündnis „Lützerath unräumbar“ hat einen Aktionstag ausgerufen. Dabei soll es nach Angaben der Organisatoren Aktionen des zivilen Ungehorsams geben.

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