Crack dominiert die nordrhein-westfälische Drogenszene. Über 71 Prozent der Abhängigen konsumieren es, mehr als Alkohol oder andere Suchtmittel.
Synthetische DrogenCrack verdrängt alle anderen Drogen in NRW – Immer mehr Todesopfer

Die Drogenszene am Kölner Neumarkt: Ein Mann raucht Crack in einem Photoautomaten in der Hugo-Passagen. (Archivbild)
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In Nordamerika fordern synthetische Drogen schon seit Jahren hunderttausende Todesopfer. Und seit Beginn der Corona-Pandemie werden solche Suchtmittel, vor allem Crack, auch zum Problem in Nordrhein-Westfalen. Etwa am Düsseldorfer Hauptbahnhof oder am Kölner Neumarkt ist das Elend der Abhängigen kaum noch zu übersehen.
Und auch im laufenden Jahr dürfte sich die Lage vermutlich nicht verbessern. Dies zeigt die Antwort des nordrhein-westfälischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtags-SPD zu den Belastungen durch synthetische Drogen. Demnach wurden bis Ende September bereits 6154 Straftaten im Zusammenhang mit Kokain festgestellt, was Crack mit einschließt. Für das gesamte Jahr 2024 lag die Zahl bei einem Allzeithoch von 6433 Delikten.
Insgesamt ist die Kriminalität im Zusammenhang mit Designerdrogen in NRW in den vergangenen Jahren massiv angestiegen: Von nur 29 registrierten Fällen im Jahr 2017 schnellte die Zahl bis 2024 auf ein Rekordhoch von 1136 Straftaten – nahezu eine Vervierzigfachung. Diese sogenannten Neuen psychoaktiven Stoffe (NPS) bestehen meist aus synthetischen, ständig neu variierten Substanzen, die darauf ausgelegt sind, gesetzliche Verbote zu umgehen.
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Ministerium zählt 796 Drogentote in NRW
Der Antwort des Innenministeriums zufolge ist die Zahl der Drogentoten in Nordrhein-Westfalen nach jahrelangem starkem Anstieg zwar erstmals gesunken. Nach dem Negativ-Rekord von 872 Drogentoten im Jahr 2023 sank die Zahl um fast zwölf Prozent auf 769 Todesopfer im vergangenen Jahr. Sie lag damit aber immer noch deutlich über dem Vor-Corona-Niveau. 2019 sind 292 Personen an Drogen gestorben. Vor zehn Jahren (2015) waren es lediglich 181 Opfer.

Eine Abhängige hält sogenannte „Crack-Steine“ in ihrer Hand.
Copyright: Boris Roessler/dpa
Zuletzt hatte der Mischkonsum synthetischer Opioide die Todesrate besonders stark in die Höhe getrieben. Seit die Taliban in Afghanistan den Mohnanbau bekämpfen und die Felder vernichten, warnen Experten vor einem Ausweichen der Drogenkartelle und der Drogenabhängigen auf die deutlich gefährlicheren synthetischen Opioide. Diese Stoffe wie beispielsweise Fentanyl, auch als „Zombie-Droge“ bekannt, sind hundertmal tödlicher als Heroin. Statt 200 Milligramm Heroin reichen für eine Überdosis bereits zwei Milligramm Fentanyl. Dabei wird das Atemzentrum gelähmt.
Von 2017 bis 2024 hat es laut Innenministerium 2606 „Mischkonsum-Todesfälle“ in NRW gegeben. „Die Landesregierung bestätigt einen dramatischen Anstieg der Rauschgifttoten in NRW, ohne daraus konsequente politische Schlüsse zu ziehen“, moniert der SPD-Landtagsabgeordnete Rodion Bakum: „Besonders kritisch ist, dass sie selbst einräumt, dass die offiziellen Zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlichen Fälle abbilden.“
Tödlicher Mischkonsum mit verschiedenen Präparaten
Angesichts von hochreinem, billigen Kokain, das den Markt flutet, ist vor allem Crack seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Wie berichtet, will sich die Stadt Köln deswegen an einem Modellprojekt zur Abgabe eines Crack-Ersatzstoffs beteiligen. Das ging bereits vor Monaten aus einer Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im städtischen Gesundheitsausschuss hervor.

Offener Drogenkonsum auf dem Kölner Neumarkt. (Archivbild)
Copyright: Arton Krasniqi
Als Ersatzstoff komme etwa das ADHS-Medikament Lisdexamfetamin infrage, heißt es in dem Papier. Noch bestehe aber „umfassender Klärungsbedarf“ zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa zum Betäubungsmittelrecht. Auch die Finanzierung des Modellprojekts sei noch ungeklärt.
Crack ist die am häufigsten konsumierte Droge
Bei Crack handelt es sich um Kokain, das mithilfe von Wasser unter Zugabe von Natron oder Ammoniak gekocht wird. Dadurch entstehen sogenannte Cracksteine, die dann in einer Pfeife geraucht werden. Es wirkt schneller und stärker als Kokain. Im Gegensatz zu Heroin, das lange die Drogenszene dominiert hat, wirkt Crack aufputschend, die Intervalle zwischen den Konsumeinheiten sind deutlich kürzer als bei Heroin.
„Die Dynamik ist bei Crack eine völlig andere als bei Heroin“, erklärte Suchtexperte Daniel Deimel zuletzt auf Anfrage. Heroin, das eine sedierende Wirkung habe, werde über den Tag verteilt vier- bis fünfmal konsumiert. „Die Leute sind eher in der Lage, einen Tagesrhythmus aufrechtzuerhalten“, so Professor Deimel: „Bei Crack konsumieren die Leute zehn, 15, 20-mal am Tag, dadurch auch öfter im öffentlichen Raum, es ist stimulierend, es gibt mehr Aggressionen.“
Illegale Labore in den Niederlanden produzieren für NRW
Die in Nordrhein-Westfalen sichergestellten synthetischen Betäubungsmittel stammen nach Erkenntnissen des Innenministeriums „überwiegend aus illegalen Produktionsstätten in Europa, mit einem Schwerpunkt in den Niederlanden“. Da bislang nur vereinzelt Verstöße im Zusammenhang mit Fentanyl festgestellt wurden, lägen jedoch „keine grundlegenden Erkenntnisse über deren Herkunft“ vor. Sichergestellt durch die Polizei seien bisher lediglich Fentanyl-Pflaster, aber keine reinen Wirkstoff-Ampullen.
Dass sich Fentanyl und Crack immer weiter im Westen der Bundesrepublik ausbreiten, hat bereits die Studie „Offene Drogenszenen in NRW 2024“ der Technischen Hochschule Nürnberg und der Hochschule Düsseldorf gezeigt, die im April 2025 veröffentlicht wurde. Demnach ist Crack die am häufigsten konsumierte Droge in Köln, Düsseldorf, Essen und Münster. Für die Untersuchung wurden 525 Drogenabhängige im Alter von 18 bis 78 Jahren zu ihrem Konsum befragt. Mehr als die Hälfte von ihnen gab an, in den vergangenen 24 Stunden Crack geraucht zu haben.
In Köln wurden 120 Personen befragt, die der offenen Drogenszene – insbesondere jener am Neumarkt – zuzurechnen sind. 54,2 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen 24 Stunden Crack konsumiert zu haben. In den vergangenen 30 Tagen hatten sogar 71,1 Prozent der Befragten Crack geraucht. „In Köln ist Crack die mit Abstand am häufigsten konsumierte Substanz“, heißt es dazu in der Studie – mehr noch als Alkohol.

