„ÖRR-Blog“Gegen ARD und ZDF –Watchblog mit politischer Agenda

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Das Logo des WDR Westdeutscher Rundfunk, der öffentlich rechtliche Rundfunk und Fernsehsender am Hauptgebäude in Köln.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehsender WDR wird durch den „ÖRR-Blog“ kritisiert

Auf Social Media kritisiert der„ÖRR-Blog“ den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Betrieben wird der Blog unter anderem von einem CSU-Lokalpolitiker.

Das „ÖRR-Blog“ kritisiert auf Twitter und Instagram ziemlich erfolgreich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Fundierte Medienkritik findet sich hier selten – stattdessen viel Geraune über den angeblich zu linken Journalismus. Der Betreiber des Kampagnenblogs ist ein Lokalpolitiker der CSU.

Leidenschaftliche Kritikerinnen und Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gibt es viele. Man trifft sie in Youtube-Formaten und deren Kommentarspalten, in den Chefredaktionen von Boulevardmedien und nicht zuletzt in den sozialen Netzwerken. Genau dort gibt es noch ein weiteres Projekt, das sich kritisch mit ARD, ZDF und seinen Sendungen befasst – und dabei ziemlich erfolgreich ist: das selbsternannte „ÖRR-Blog“.

Medienkritik trifft eigene politische Agenda

Rund 44.000 Menschen folgen dem Projekt auf Twitter, auf Instagram sind es etwa 10.000. Die Posts des kritischen Watchblogs werden vielfach geteilt, gelikt und kommentiert – laut Twitter-Statistiken sehen die einzelnen Posts mehrere Zehntausend Menschen. Und auch in den Sendeanstalten ist die Kritik längst angekommen: Immer wieder reagieren auch die Sender selbst auf das Projekt.

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Das Blog wirkt auf den ersten Blick wie ein unabhängiges und durchaus ambitioniertes Hobbyprojekt, wie es auch das medienkritische „Bildblog“ einmal gewesen ist, das sich mit den Aktivitäten des gleichnamigen Boulevardmediums beschäftigt. Ausgestattet mit professionellem Logo und eigener Corporate Identity ist das „ÖRR Blog“ auf allen möglichen Plattformen vertreten. Man teilt grafisch anspruchsvolle Sharepics, verbreitet Forderungen für eine ÖRR-Reform, verschickt Antworten auf Presseanfragen mit professionellem Briefkopf – und sogar ein eigenes Orga-Team soll es geben.

Schaut man sich die Beiträge des Blogs etwas genauer an, fällt aber auf: Ausschließlich um Medienkritik scheint es dem Projekt nicht zu gehen – sondern vielmehr um eine ganz eigene politische Agenda.

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In einem aktuellen Beitrag etwa echauffiert sich das Blog über eine alte Moderation des „Monitor“-Journalisten Georg Restle. Dieser habe darin den Zuschauerinnen und Zuschauern vor der Bundestagswahl „eine rot-rot-grüne Regierung schmackhaft machen“ wollen, meint das Blog. Leidenschaftlich arbeitet sich das Projekt dieser Tage auch an der Personalie Louis Klamroth ab – seines Zeichens neuer „Hart aber fair“-Moderator, der eine Beziehung mit Fridays-for-Future“-Aktivistin und Grünen-Mitglied Luisa Neubauer führt.

Und wenn das ZDF das umstrittene englischsprachige Statement der grünen Außenministerin Annalena Baerbock zum russischen Angriffskrieg nur als „verrutscht“ bezeichnet, dann ist auch das dem Blog eine Meldung wert. Bei „anderen Politikern“, meint das ÖRR-Blog, würde schließlich jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.

Am Wochenende war der Auftritt der Anti-Auto-Aktivistin Katja Diehl in der Talkshow „Anne Will“ dem Blog ein Dorn im Auge. Warum genau, lassen die Betreiber offen – das tun sie ganz häufig. Das „ÖRR-Blog“ postet dann nur einen Screenshot der Sendung, verbunden mit einem kurzen Kommentar und dem Hashtag #ReformOerr – die Followerschaft weiß dann schon, was sie zu tun hat. 177 Kommentare sind unter einem von Dutzenden Posts zum Thema zu finden. „Das passt ja mal wieder ins linksgrüne Ideologiebild“, echauffiert sich ein Follower.

Ein CSU-Mitglied und sein Medienblog

Die politische Positionierung des Watchblogs kommt nicht ganz überraschend – auch wenn sie auf den ersten Blick kaum erkennbar ist. Betreiber des Blogs ist ein CSU-Lokalpolitiker aus Bayern. Beim Ortsverband Weilersbach in Oberfranken ist Jonas Müller stellvertretender Ortsvorsitzender – und eben leidenschaftlicher ÖRR-Kritiker.

Das Projekt „ÖRR-Blog“ sei mitunter entstanden, weil man bei ARD und ZDF ein Problem unausgewogener Berichterstattung sehe, so der Betreiber auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). „Der ÖRR entwickelt sich (...) zunehmend zu einem Programm, welches die Inhalte des linken Parteienspektrums überdurchschnittlich forciert und fördert. Viele Redaktionen und Redakteure des ÖRR verwenden bestimmte Formate und Kanäle als Plattform für ihre private Agenda, bei der man die eigene Haltung über die Programmausgewogenheit und den neutralen Informationsauftrag stellt.“

Als CSU-Blog will Müller sein Projekt aber nicht verstanden wissen – wenngleich es wohl eins der erfolgreichsten Social-Media-Projekte aus Reihen der Partei sein dürfte. Der Twitter- und Instagram-Account seien ein „privates Projekt von mehreren Personen“. Presseanfragen werden betont mit „ÖRRBlog-Team“ unterschrieben, nicht mit Jonas Müller. Nur er selbst habe einen Bezug zu einer politischen Partei, seine Mitwirkenden nicht. „Eine Involvierung der CSU oder anderer CSU-Mitglieder zu unserem privaten Projekt besteht nicht.“

Seine Aktivität im CSU-Ortsverband habe Müller auch auf seinem privaten Twitter-Account transparent gemacht, wie er sagt. Beim „ÖRR-Blog“ allerdings fehlt jeglicher Hinweis auf die Macher, ein Impressum wird nur auf Anfrage genannt. Man kann darin schon eine gewisse Doppelmoral sehen – bei ARD und ZDF jedenfalls legt das Blog stets allergrößten Wert auf Transparenz.

Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verkleinern

Die politischen Positionen sind aber nicht die einzigen Bestreben des Kampagnenblogs. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe wegen seiner Sonderstellung eine „besondere Verantwortung, seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen“, meint der Blogbetreiber. Im „ÖRR-Blog“ sieht man offensichtlich eine Art Kontrollfunktion.

Auch an die Finanzen will Müller ran: Die Struktur des ÖRR sei „aufgebläht“ und „nicht mehr zeitgemäß“. Als Alternative schlägt der „ÖRR-Blog“ auf seinen Seiten etwa eine Art Abomodell vor, bei dem jede Zuschauerin und jeder Zuschauer frei entscheiden könne, ob er zahlen will oder nicht. Das schließe „aber andere Modelle der Finanzierung des ÖRRs nicht in Gänze aus“.

Fragwürdige Forderungen sind das mitnichten – sie sind in ähnlicher Form seit Jahren auch von anderer Stelle zu hören. Und insbesondere seit der RBB-Affäre werden die Rufe nach einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer lauter, mittlerweile sogar aus eigenen Reihen. Ob ausgerechnet Müllers „ÖRR-Blog“ die Debatte weiterbringt, steht aber auf einem anderen Blatt Papier.

Kampf mit unfairen Mitteln

Das Problem an dem Kampagnenblog: Es kämpft mit unfairen Mitteln. Zwar findet sich zum Teil in den Beiträgen fundierte Kritik – etwa wenn der NDR in einer Bürger-Talkshow die Parteizugehörigkeit seiner Gäste verschweigt. Nicht selten aber werden Begebenheiten mit Screenshots oder abgeschnittenen Videobeträgen derart aus dem Zusammenhang gerissenen und ad absurdum geführt, dass vom Vorwurf bei näherer Betrachtung kaum noch etwas übrig bleibt.

Wenn etwa Kritik an den viel zu linken Talkshowgästen in der ARD geübt wird, wird verschwiegen, dass der am häufigsten eingeladene Gast im Jahr 2022 mit 21 Besuchen in allen Talkshows CDU-Politiker Norbert Röttgen war. Wenn beim bekanntermaßen linksorientierten Politikformat „Monitor“ ein erwartbar linksorientierter Kommentar zu hören ist, wird verschwiegen, dass man sich im selben Programm ja auch den eher konservativen Dieter Nuhr angucken könnte. Und wenn im Falle von Katja Diehl eine linke Mobilitätsaktivistin zu „Anne Will“ eingeladen wird, lässt das „ÖRR-Blog“ einfach weg, dass in derselben Sendung auch ein FDP-Politiker und ein CDU-Politiker saßen.

Noch dazu werden den Sendern und Redaktionen häufig Dinge angedichtet, die so nie geschehen sind. In einem Beitrag zum Thema raunt das „ÖRR-Blog“ süffisant, dass die vermeintliche „#AnneWill Mobilitätsexpertin“ wegen ihres Studiums fachlich gar nicht geeignet sei – wie immer verbunden mit dem Hashtag #ReformOerr. Die Sendung „Anne Will“ hatte Diehl aber nie als fachliche oder gar neutrale Expertin angekündigt – sondern als „Autorin, Podcasterin, Beraterin mit Schwerpunkt Mobilität“.

Jeder kleinste Fehler ist ein Reformanlass

In einem Post wird das ZDF für einen Instagram-Beitrag über die Autorin J. K. Rowling kritisiert. „Das ZDF begründet, warum das neue Harry-Potter-Spiel boykottiert werden soll“, steht da. Tatsächlich hatte die Anstalt einfach nur die Debatte völlig ohne jede Wertung in einem Sharepic aufgegriffen – selbst gefordert hatte der Sender gar nichts. In einem anderen Post wirft das Blog ARD und ZDF im Subtext vor, den Gebührenzahlern zwei seiner Twitter-Accounts vorzuenthalten, weil die Posts nicht öffentlich einsehbar sind. Des Rätsels Lösung: Die Sender hatten die Accounts aber einfach nur stillgelegt, weil sie nicht mehr bespielt werden.

Immer wieder skandalisiert das Blog auch vermeintlich strittige Aussagen von ARD- und ZDF-Gesichtern, um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks herbeizuschreiben. Nicht selten handelt es sich dabei klar erkennbar um Satire – und häufig um Menschen, die auf das Programm wenig bis gar keinen Einfluss haben oder gar nicht journalistisch tätig sind. Etwa ein Krimidrehbuchautor, eine Vorabendserienschauspielerin, ein Influencer-Host oder gar Gäste von Talkshows, die nicht mal beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern bei ganz anderen Medienhäusern angestellt sind.

Auf Anfrage erklären die Betreiber, bei einer Schauspielerin handele es sich immerhin um eine „Identifikationsfigur des ÖRRs“, daher sei Kritik berechtigt. In einem anderen Fall habe man die Kritik nicht präzise genug formuliert – man habe den Moderator der Sendung gemeint, nicht den Gast. Auch würde man in den Beiträgen keine freischaffenden Randpersonen zum „Mitarbeiter oder Angestellten“ befördern. Der Hashtag #ReformOERR sei vielmehr als Standard-Hashtag zu verstehen, der bei jedem Tweet eingesetzt werde. Zum Fall mit den gesperrten ARD- und ZDF-Twitter-Accounts erklärt das Blog, man leiste einen Betrag zur „Qualitätssteigerung“ – das „schließt auch die Richtigstellung über geschlossene Kanäle ein, für die sich der ÖRR bei uns öffentlich bedankt hat.“

Guter Ansatz, schlecht umgesetzt

Immerhin das muss man dem Blog lassen: In den Redaktionen der öffentlich-rechtlichen Sender ist seine Arbeit längst angekommen. Nach Kritik an der NDR-Bürger-Talkshow etwa widmete das Medienmagazin „Zapp“ dem „ÖRR-Blog einen ganzen Beitrag auf der Plattform Instagram und gab der Kritik zum Teil recht. Auch andere Reaktionen korrigierten nach Hinweisen Fehler in ihren Beiträgen oder Texten.

Würde das Blog dieser Beobachtungsfunktion verstärkter nachkommen, könnte es in den öffentlich-rechtlichen Sendern vielleicht wirklich für deutlich mehr Transparenz und eine bessere Fehlerkultur sorgen. Das halbgare Geraune allerdings dürfte diesen konstruktiven Ansatz ganz schnell wieder zunichtemachen.

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