Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Historisch beispiellos“Russland greift weiter an – aber rutscht immer tiefer in die Benzinkrise

4 min
Nach einem ukrainischen Drohnenangriff entsteht ein Feuerball an einer russischen Ölraffinerie in Samara. Die Benzinkrise in Russland verschärft sich weiter. (Archivbild)

Nach einem ukrainischen Drohnenangriff entsteht ein Feuerball an einer russischen Ölraffinerie in Samara. Die Benzinkrise in Russland verschärft sich weiter. (Archivbild)

In Tschernobyl fällt nach einem Angriff stundenlang der Strom aus. In Russland geht derweil die nächste Raffinerie in Flammen auf. 

Moskau setzt seine andauernden Luftangriffe gegen die Ukraine unvermindert fort: An der Schutzhülle um den zerstörten Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine ist nach Kiewer Regierungsangaben nun wegen eines russischen Luftangriffs zwischenzeitlich der Strom ausgefallen. Der mehr als dreistündige Ausfall sei noch am Mittwochabend behoben worden, teilte das ukrainische Energieministerium mit.

„Die Stromversorgung aller Anlagen des Kernkraftwerks Tschernobyl, die aufgrund des feindlichen Beschusses der Infrastruktur in der Stadt Slawutytsch unterbrochen war, wurde vollständig wiederhergestellt“, zitierte ukrainische Nachrichtenagenturen das Ministerium. Den Angaben zufolge sei es nicht zu erhöhten Strahlungswerten gekommen. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung, teilte das Energieministerium mit. 

Tschernobyl: Keine erhöhten Strahlungswerte nach Stromausfall

Nach ukrainischen Angaben hatte zuvor ein russischer Angriff ein Umspannwerk in der Stadt Slawutytsch getroffen, die knapp 50 Kilometer vom AKW Tschernobyl entfernt liegt. Auch in der Kleinstadt, in der früher die Bedienungsmannschaften des Werks lebten, fiel daraufhin der Strom aus.

In Tschernobyl ereignete sich 1986 das schwerste Unglück in der Geschichte der Atomkraft. Die Reste eines explodierten Reaktorblocks sind seit 2019 mit einer 100 Meter hohen Schutzhülle ummantelt. Zum Betrieb dieser Anlage, unter anderem der Lüftung, ist Strom notwendig. Im Februar 2025 beschädigte eine russische Drohne den doppelwandigen sogenannten Sarkophag.

Wolodymyr Selenskyj: „Es war ein gezielter Angriff“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland am Mittwochabend einen gezielten Angriff auf die für Tschernobyl wichtige Infrastruktur vor und forderte Konsequenzen für Russland. „Die Russen konnten nicht umhin zu wissen, dass ein Angriff auf die Anlagen in Slavutych solche Folgen für Tschernobyl haben würde. Und es war ein gezielter Angriff, bei dem sie mehr als 20 Drohnen einsetzten“, schrieb Selenskyj bei Telegram.

Halbherziges Vorgehen gegen Moskau würde die Situation nicht verbessern, erklärte der Ukrainer weiter. „Jeder Tag, an dem Russland den Krieg hinauszögert, jede Weigerung Russlands, einen vollständigen und verlässlichen Waffenstillstand zu vereinbaren, jede weitere russische Attacke auf alle Objekte unserer Energiewirtschaft“ stelle eine „globale Bedrohung“dar, führte Selenskyj aus.

„Brennelemente mit einem Gewicht von mehr als 3250 Tonnen“

„Einschließlich des AKW Tschernobyl und des AKW Saporischschja gibt es in der Ukraine sechs Kernkraftwerke, von denen jedes einzelne ein Ziel für russische Drohnen und Raketen sein kann“, betonte der ukrainische Präsident und erinnerte daran, dass „abgebrannte Brennelemente mit einem Gewicht von mehr als 3250 Tonnen“ in Tschernobyl gelagert werden. 

Während die russischen Luftangriffe für Stromausfälle sorgten, von denen auch die Hauptstadt Kyjiw betroffen war, verschärft sich in Russland derweil die Benzinkrise. In einer russischen Ölraffinerie in der Region Jaroslawl sei ein „von Menschen verursachtes“ Feuer ausgebrochen, meldeten die örtlichen Behörden am Mittwoch.

Erneut Brand in russischer Ölraffinerie ausgebrochen

Im Gegensatz zu mehreren ähnlichen Vorfällen in den letzten Wochen soll es sich diesmal nicht um einen ukrainischen Drohnenangriff gehandelt haben. Ob ein Unfall oder eine vorsätzliche Tat hinter dem Brand steckt, blieb bei den russischen Angaben allerdings zunächst offen.

Die Ölraffinerie Rjasan in Russland brennt nach einem Angriff. (Archivbild)

Die Ölraffinerie Rjasan in Russland brennt nach einem Angriff. (Archivbild)

Für die russische Ölindustrie stellt der erneute Zwischenfall in einer der wichtigen Raffinerien jedoch einen weiteren Rückschlag dar. Die Benzinkrise hat sich in Russland zuletzt noch einmal drastisch verschärft.

„Schlimmster Treibstoffmangel des Landes seit Jahrzehnten“

Durch die ukrainischen Drohnenangriffe seien mittlerweile fast 40 Prozent der russischen Ölraffinerie-Kapazitäten lahmgelegt und der „schlimmste Treibstoffmangel des Landes seit Jahrzehnten“ ausgelöst worden, berichtete ukrainische und russische Medien zuletzt übereinstimmend unter Bezug auf Daten einer russischen Marktforschungsagentur. Das Ausmaß der „Raffinerie-Stillstände“ in Russland sei „historisch beispiellos“, hieß es etwa in der „Kyiv Post“.

Am 28. September seien etwa „38 Prozent der Raffinerie-Kapazität – das entspricht 338.000 Tonnen pro Tag – offline gewesen“, berichtete die ukrainische Zeitung. Die Benzinproduktion sei um eine Million Tonnen zurückgegangen.

Die „Moscow Times“ berichtete ebenfalls über den drastischen Einbruch der Ölindustrie. „Russische Ölkonzerne können die Krise kaum abmildern“, hieß es dort. Der russische Ökonom Wladislaw Inosemzew zeigte sich gegenüber dem russischen Exil-Medium zudem pessimistisch. Die Reparatur beschädigter Raffinerien könne angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland „Monate dauern“, warnte Inosemzew. (mit dpa)