Bericht des VerfassungsschutzesGrößte Gefahr bei Straftaten von rechts – AfD-Mitglieder zählen erstmals mit

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt mit Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Verfassungsschutzberichts 2022 in der Bundespressekonferenz vor.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stellt mit Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, den Verfassungsschutzberichts 2022 in der Bundespressekonferenz vor.

Der Verfassungsschutz hat seinen Bericht für 2022 vorgestellt. Innenministerin Nancy Faser sieht die größte Gefahr von rechts.

Der Verfassungsschutz nimmt unter Extremisten in Deutschland einen starken Hang zur Gewalt wahr. Das geht aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Laut dem Bericht zu Entwicklungen im Jahr 2022 stieg die Zahl der Menschen, die dem rechtsextremistischen Spektrum zugeordnet werden, im Vergleich zum Vorjahr um rund 14,5 Prozent auf 38.800 an. Einer der Gründe für die starke Zunahme ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz erstmals Angehörige der AfD hinzurechnet: Sie wird inzwischen als Verdachtsfall beobachtet. Die Einstufung als Verdachtsfall hatte das Kölner Verwaltungsgericht im März 2022 bestätigt. Die AfD legte Berufung ein. Das Verfahren ist nicht abgeschlossen.

Bericht des Verfassungsschutzes: Faeser nennt Rechtsextremismus weiterhin größte Gefahr für Demokratie

Zur Erklärung heißt es im Verfassungsschutzbericht: „Angesichts der weiterhin bestehenden inhaltlichen Heterogenität innerhalb der Partei können allerdings nicht alle Parteimitglieder als Anhänger der extremistischen Strömungen betrachtet werden.“ Das Bundesamt schätzt, dass 10.200 Mitglieder der AfD und ihrer Parteijugend (Junge Alternative) diesen Strömungen zuzurechnen sind.

Alles zum Thema Letzte Generation

„Wir stellen fest, dass Grenzen innerhalb von Phänomenbereichen verschwimmen und sich Mischszenen bilden“, teilte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, mit. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, die größte Gefahr für die Demokratie sei nach wie vor der Rechtsextremismus.

Verfassungsschutzbericht: Jeder vierte Linksextremist wird als gewaltorientiert angesehen

Haldenwang berichtete weiter, die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus sei nach wie vor hoch. Faeser sagte: „Unsere Sicherheitsbehörden haben in diesem Jahr bereits zwei mögliche islamistische Anschläge in Castrop-Rauxel und in Hamburg verhindert.“

Das linksextremistische Potenzial stieg laut Verfassungsschutz im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent auf 36.500 Menschen an. Mehr als jeder vierte Linksextremist wird als gewaltorientiert angesehen. Unter den rund 40.000 Rechtsextremisten ist der Anteil der Gewaltorientierten - 14 000 - noch etwas höher.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht die Klimaschutzgruppe Letzte Generation derzeit nicht als extremistische Gruppierung. Im Bereich der Klimaaktivisten gebe es „ein sehr heterogenes Bild und sehr heterogene Erscheinungsformen“, sagte Haldenwang. Extremismus setze eine Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung voraus. „Das sehen wir bei der Letzten Generation noch nicht“. Die Masse der Menschen in der Klimabewegung setze sich für ihre Ziele unter dem Dach des Grundgesetzes ein, sagte Haldenwang. Auf der anderen Seite gebe es „kleine Gruppierungen, die eindeutig extremistisch“ seien. „Irgendwo bewegt sich in diesem Spannungsfeld die Letzte Generation.“

Eine dringende Warnung enthält der Bericht zu China. Der Verfassungsschutz hält die Volksrepublik derzeit für „die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland“.

Zahl der politisch motivierten Straften auf neuem Höchststand: Rechtsextremismus und Reichsbürger auf Vormarsch – Linke Straftaten gehen zurück

Bereits Anfang Mai hatte das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser bereits den Bericht zu politisch motivierten Straftaten vorgestellt. „Wir müssen unsere Demokratie mit aller Kraft verteidigen – gegen innere genauso wie gegen äußere Bedrohungen. Die politisch motivierte Kriminalität ist ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Konflikte in unserem Land. Der Jahresanfang 2022 war noch geprägt von der Corona-Pandemie“, sagte Faeser dazu.

Politisch motivierte Straftaten 2022 im Überblick (absteigend nach Zahl der Straftaten, PMK steht für Politisch Motivierte Kriminalität)

  • Diffuse ideologische Motivation / PMK nicht zuzuordnen: 24.080 Straftaten - Anstieg um 13 Prozent – wesentlicher Teil geht auf Proteste gegen Corona-Politik zurück (13.988 Straftaten)
  • PMK rechts: 23.493 Straftaten - Anstieg um sieben Prozent - Gewalttaten plus zwölf Prozent auf 1170 Fälle - 41 Prozent der insgesamt erfassten Opfer von Gewalttaten von rechtsmotivierten Tätern verletzt – Gewalt gegen Geflüchtete um neun Prozent auf 1420 gestiegen – „Reichsbürger“-Straftaten massiv gestiegen um 39,7 Prozent auf 1865.
  • PMK links: Zahl der Delikte deutlich gesunken um 31 Prozent auf 6.976 Straftaten, Gewalttaten um 30 Prozent auf 842 zurückgegangen. Straftaten im Rahmen von Klimaprotesten bei 1585, doppelt so viele wie 2021.
  • PMK religiöse Ideologie: Straftaten auf konstantem Niveau, 2022 bei 481 Taten, im Jahr zuvor 479 - aber „erhebliche Gefahr“ von islamistischem Extremismus
  • PMK ausländische Ideologie: Starker Anstieg auf 3886 Straftaten, davon 372 Gewalttaten (2021: 140) – besonders wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und dem Streit zwischen Türkei und der PKK sowie Lage im Iran
  • Themenfeld sexuelle Orientierung: 2022 wurden 206 frauenfeindliche Delikte an Bundeskriminalamt gemeldet, 417 wegen„ geschlechtsbezogener Diversität“, das Ministerium geht von einer hohen Dunkelziffer aus

In dem Bericht war zu sehen, dass die rechtspolitisch motivierte Straftaten zugenommen haben, sie bildet die zweitgrößte Kategorie, darunter zählen auch etwa sogenannte „Reichsbürger“. Die größte Kategorie macht die „diffuse ideologische Motivation“ aus, die ein Sammelbecken für verschiedene Ideologien beschreibt. Ein wesentlicher Teil der Straftaten ist auf die Proteste gegen die Corona-Politik zurückzuführen, in der es auch viele Überschneidungen mit der rechtspolitischen Gesinnung gibt.

Besondere Sorge macht mir, dass Angriffe auf Geflüchtete stark zugenommen haben. Es ist in höchstem Maße menschenverachtend, Menschen zu attackieren, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gefunden haben. Das zeigt: Vom Rechtsextremismus geht nach wie vor eine besonders hohe Gefahr aus, kommentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der politisch motivierten Straftaten in Deutschland. (mit dpa/afp)

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