AbgeschottetIn den USA können Mütter in Boxen stillen – gute Idee oder ausgrenzend?

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Ein Baby trinkt an der Brust seiner Mutter. Ist das in der Öffentlichkeit 2019 noch ein Aufreger? (Symbolbild)

Köln – Stillen in der Öffentlichkeit ist ein Reizthema. Die amerikanische Firma Mamava bietet Boxen an, in die Mütter sich zurückziehen können. Ist das eine gute Idee oder ausgrenzend? Ein Kommentar. 

Immer wieder gibt es Beschwerden darüber, wenn Frauen in Cafés oder Restaurants ihrem Baby die Brust geben. Nur leider können Frauen es sich nicht immer aussuchen, wo sie ihr Baby anlegen. Wie so vieles im Leben mit Kind ist der Hunger nicht plan- und vorhersehbar. Mit etwas Übung weiß man ungefähr, wann es wieder so weit ist. Aber oft genug halten sich die Kinder nicht an den Plan und verlangen auf der Stelle laut schreiend nach Nahrung – was dann ja viele Menschen auch wieder stört. 

Damit Frauen zum Stillen nicht auf Toiletten oder in Umkleidekabinen flüchten müssen, hat die amerikanische Firma Mamava abschließbare Still-Kammern mit Sitzbänken, Ventilatoren und Milchpumpen entwickelt. Die beiden Gründerinnen Christine Dodson und Sascha Mayer haben nach eigener Aussage bei der Arbeit, bei Freunden, im Auto und bei Baseballspielen gestillt oder Milch abgepumpt und fanden die Situation so entwürdigend, dass sie eine Lösung finden wollten, um Frauen das Stillen zu ermöglichen. So entstand Mamava.

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Die Firma Mamava bietet Boxen an, in die Frauen sich zum Stillen zurückziehen können. 

Die Boxen stehen zum Beispiel an Flughäfen, in Einkaufszentren, Bibliotheken, Universitäten und Museen und lassen sich mittels App finden. Sogar aufblasbare Kammern bietet die Firma an. Nach eigener Aussage gibt es bereits mehr als 900 Mamava-Einheiten in den Vereinigten Staaten und Kanada. Laut Homepage sollen sie eine saubere, private Umgebung bieten und zugleich die Menschen draußen daran erinnern, dass stillende Mütter „unterstützt und gefeiert werden sollten, weil sie nicht nur ihren Babys, sondern auch der Gesellschaft Gutes tun.“

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Nicht gerade gemütlich: von innen sieht die Still-Box ziemlich steril aus. 

Der Ansatz ist lobenswert, aber ist das der richtige Weg? Auf der einen Seite ja. Für Frauen, die zum Beispiel am hektischen Flughafen unterwegs sind, kann eine solche Box die Rettung sein, wenn sie nicht zum Stillen auf die Toilette gehen oder sich den Blicken der vorbeieilenden Geschäftsleute ausliefern wollen. Auf der anderen Seite werden stillende Frauen durch diese Boxen stigmatisiert und ausgegrenzt. Statt dezent mit einem Tuch über der Brust auf der Bank zu sitzen, sollen sie in eine mit Wölkchen bemalte, aber von innen ärztlich-sterile Plastikbox ohne Fenster verschwinden. Gut, sie müssen nicht. Es ist nur ein Angebot. Aber kein besonders einladendes. 

Und was bedeutet das für die Frau? Mal angenommen, sie ist in der Stadt unterwegs, weil ihr zuhause alleine mit dem Baby die Decke auf den Kopf fällt und sie ihre Freundinnen im Café treffen möchte. Was soll sie tun, wenn das Baby hungrig wird – was ja etwa alle zwei Stunden vorkommt und sich wie gesagt nicht so planen lässt, dass es in das Zeitfenster aller Beteiligten Personen passt –  und am Tisch gerade über neue Jobs oder Männer gesprochen wird? Soll die Frau dann aufstehen und sagen: „Mädels, wartet bitte mit den Neuigkeiten, ich muss für mindestens eine halbe Stunde unsichtbar werden. Oder kommt doch mit in die Box.“

Es hat sich viel getan in den vergangenen Jahren, um Frauen zum Stillen zu ermutigen. In Deutschland hat auf Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft  das Forschungsprojekt Becoming Breastfeeding Friendly (BBF) untersucht, wie akzeptiert Stillen in der Öffentlichkeit hierzulande ist. Das Ergebnis: Deutschland bietet Müttern derzeit ein moderat stillfreundliches Umfeld.

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Das soll wohl heißen, dass die meisten Menschen Stillen als etwas Natürliches betrachten, das selbstverständlich auch gemacht werden muss, wenn die Mutter gerade nicht mit dem Baby zuhause ist. Nur vielleicht nicht überall, wie eine ältere Studie zeigt. Demnach findet es je eine knappe Mehrheit unangemessen, wenn Babys im Restaurant oder in Bus und Bahn gestillt werden. Auf einer Parkbank oder am Strand halten das je etwa drei Viertel der Umfrage-Teilnehmer für okay.

Die Gesellschaft wird sich daran gewöhnen müssen, ab und zu Mütter zu sehen, die ihr Baby an der Brust haben. Dabei helfen die bunten Boxen aber ganz sicher nicht. Sie sind gut gemeint, doch gehen in die falsche Richtung. Für Mütter, die sich bewusst zurückziehen möchten, ist das Angebot gut. Alle anderen brauchen keine speziellen Orte, um ihr Baby zu stillen. Sie können das überall tun. 

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