Höhere Zahlen, neue VariantenSo steht es aktuell um Corona – Für wen eine Impfung sinnvoll ist

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Menschen drängen sich in der Hohe Straße in Köln.

Menschen drängen sich in der Hohe Straße in Köln. Zu Hochzeiten der Pandemie nicht denkbar.

Das RKI beobachtet wieder mehr Corona-Fälle. Es gibt neue Vakzine, aber auch neue Varianten. Was das für den Herbst bedeutet.

Die Corona-Pandemie gilt als beendet. Doch das Virus ist noch längst nicht verschwunden. Menschen infizieren sich weiterhin. Die Zahlen sind zwar niedrig, steigen aber. Wie steht es jetzt also um das Virus, das uns so lange im Griff hatte? Kehrt es im Herbst zurück auf die große Bühne? Oder hält es sich, wie in diesem Sommer, bedeckt?

Das Ende der Pandemie in Deutschland war unspektakulär. Ganz leise verabschiedete sich die Corona-Warn-App von uns, Anfang April erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Pandemie in Deutschland für beendet, die letzten Schutzmaßnahmen liefen aus. Anfang Mai hob die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den globalen Corona-Gesundheitsnotstand auf. Die durch das Coronavirus ausgelöste Krankheit Covid-19 gibt es trotzdem noch.

Corona: Wie ist die aktuelle Lage in Deutschland?

Bestätigte Coronafälle müssen in Deutschland weiterhin gemeldet werden. Die Zahlen dazu gibt es beim Pandemieradar des Bundesgesundheitsministeriums. Das verrät: Die 7-Tage-Inzidenz liegt, Stand 28. August, bei drei Infektionen pro 100.000 Einwohner. Die Entwicklung der Fälle zeigt jedoch nach oben. Das Robert Koch-Institut hatte in der vergangenen Woche berichtet, dass die Zahl der im Labor bestätigten Corona-Nachweise seit etwa sechs Wochen wieder steigt. In der Woche zuvor waren es knapp 4000 Fälle bundesweit. Das Niveau ist somit sehr niedrig.

Fraglich ist jedoch, wie aussagekräftig die Zahlen sind. Und inwiefern man sie überhaupt mit denen der Pandemie vergleichen kann. Denn, um ehrlich zu sein: Wann haben Sie sich zuletzt ein Corona-Teststäbchen in Ihre Nase geschoben? Coronatests werden kaum noch durchgeführt, das Virus wird seltener entdeckt. Für Experten ist klar, dass es eine hohe Dunkelziffer an Infizierten gibt.

Einen schärferen Einblick geben Zahlen von Krankenhäusern, zum Beispiel die Zahl der Patientinnen und Patienten, die mit Covid-19 auf der Intensivstation landen. Hier gibt es einen Anstieg – allerdings auf niedrigem Niveau. „Es gibt wieder höhere Infektionszahlen, es gibt auch wieder mehr Covid-positiv getestete Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der „Rheinischen Post“ (Montag).

Von einer neuen Corona-Welle will der Mediziner aktuell aber nicht sprechen. Das sei alles noch auf einem so geringen Niveau, „dass wir nicht von einer Welle reden sollten“. Pandemiewürdig ist das Coronavirus aktuell also nicht unterwegs.

Was macht Corona in Köln, Region und NRW?

In und um Köln ist die Lage ähnlich: Es kommt zu Infektionen, die übermittelten Zahlen sind aber niedrig. In Köln pendelten die gemeldeten Infektionen pro Woche im Sommer zwischen 20 und 30, unterbrochen mit niedrigeren Werten während der Ferien.

Auch in den Kreisen rund um Köln lagen die neuen Infektionen pro sieben Tage in den vergangenen Wochen größtenteils im einstelligen Bereich. Da es aktuell allerdings keine flächendeckenden und verpflichtenden Testungen gibt, könnte auch hier die Dunkelziffer weitaus höher liegen. Der Rhein-Erft-Kreis spricht davon, dass die eigenen Zahlen wenig repräsentativ sind.

Im gesamten Bundesland Nordrhein-Westfalen sind die Coronazahlen zuletzt angestiegen. Eine neue Welle erwartet das NRW-Gesundheitsministerium derzeit aber nicht.

Können neue Varianten die Lage ändern?

In New York war die Hospitalisierungsrate bei Covid-19-Patienten Mitte August merklich angestiegen. Der US-amerikanische Epidemiologe Eric Feigl-Ding zeigte sich beunruhigt ob dieser Zahlen. Er sieht den Auslöser dieser Entwicklung in der neuen Corona-Variante EG.5, auch „Eris“ genannt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schrieb, man müsse diese Entwicklung im Auge behalten.

EG.5, eine Untervariante von Omikron, war zuletzt besonders in China, den USA und Großbritannien gefunden worden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte sie in der vergangenen Woche als „Virusvariante von Interesse“ ein.

Den bisherigen Erkenntnissen zufolge besteht allerdings kein Grund, sich aufgrund dieser Variante größere Sorgen zu machen. So sei bei EG.5 laut WHO-Corona-Expertin Maria Van Kerkhove zwar ein geringerer Impfschutz als bei anderen Virusvarianten beobachtet worden, die Krankheitsverläufe seien aber nicht schwerer geworden.

Auch Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel, sagte: „Meiner Einschätzung nach geht von EG.5 keine besondere Gefahr aus.“ Die Variante habe zwar eine Mutation, die eventuell dazu führe, dass sie dem Immunsystem etwas leichter entgehen könne. „Die gleiche Mutation ist aber auch in anderen Varianten zu finden“, erklärte Neher.

Und wie geht es jetzt weiter mit Corona?

Trotzdem: Würde es in nächster Zeit wieder vermehrt zu Infektionen kommen, wäre das für Neher keine große Überraschung. „Wir müssen sicherlich davon ausgehen, dass mit dem Ende des Sommers und nach einer Phase mit sehr niedrigen Fallzahlen die Zahlen wieder steigen werden.“ Das vermutet auch Gerald Gaß: „Wir haben keine absolute Immunität gegen Covid, von daher wird es immer wieder Infektionsausbrüche geben.“

Solange sich die Ausbreitung aber – wie aktuell – in Grenzen hält, setzt die Politik auf die Eigenverantwortung der Menschen. „Corona ist nach wie vor keine harmlose Erkältung, aber wir haben dank Impfungen und der steigenden Immunität der Bevölkerung inzwischen eine andere Situation als zu Beginn der Pandemie“, hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nach Auslaufen der Maßnahmen in Deutschland Anfang April gesagt.

Sollte ich mich nochmal impfen lassen?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Personen, die ein hohes Risiko für Infektionen oder schwere Krankheitsverläufe haben, ihren Corona-Impfschutz jährlich aufzufrischen, „vorzugsweise im Herbst“. Dazu zählen unter anderem Menschen mit Vorerkrankungen oder Ältere ab 60 Jahren. Für alle anderen sei keine weitere Auffrischung des Impfschutzes nötig, insofern es zu drei Kontakten mit dem Antigen gekommen sei – durch Impfung oder Infektion.

Zusätzlich dazu empfiehlt Gerald Gaß, sich gegen Grippe impfen zu lassen – um mögliche Belastungen für die Krankenhäuser abzuwenden. Besonders Mitarbeiter im Gesundheitswesen sowie Risikopatienten und ihre Angehörigen sollten ihren Impfstatus bei Corona und auch Influenza auf dem aktuellen Stand halten, riet Gaß. Denn für den Herbst und Winter rechnet er wie in den vergangenen Jahren mit weiteren Nachholeffekten von den Atemwegserkrankungen, die links und rechts von Corona kursieren.

Welche Impfstoffe gibt es aktuell eigentlich?

Biontech und US-Partner Pfizer haben für den Herbstanfang eine neue Version ihrer Covid-19-Impfstoffe für Deutschland angekündigt. Die soll besser an die Omikron-Variante XBB.1.5 und deren Sublinien angepasst sein. Im März hatte diese Variante für einen großen Teil der weltweiten Corona-Infektionen gesorgt.

In Deutschland ist aktuell die Variante EU.1.1 größer im Umlauf, diese ähnelt XBB.1.5, der angepasste Impfstoff sollte also auch hier gut funktionieren. Unklar ist hingegen, wie gut er vor EG.5 schützt. Dafür ist diese Variante noch zu neu. Neben Biontech und Pfizer haben auch Moderna und Novavax angekündigt, Richtung Herbst Impfstoffe auf den Markt bringen zu wollen, die an XBB-Varianten angepasst sind.

Was muss ich jetzt überhaupt tun, wenn ich infiziert bin?

Einen Anspruch auf einen kostenlosen Corona-Test gibt es nicht mehr. Kommt eine Person mit entsprechenden Symptomen in eine ärztliche Praxis, können Ärztin oder Arzt entscheiden, ob ein entsprechender Test notwendig ist. Die Kosten werden dann über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet.

Auch Vorschriften zum Verhalten im Falle einer Infektion gibt es nicht mehr. Aber: Wer infiziert ist, sollte möglichst zu Hause bleiben, um andere nicht anzustecken. „Und wenn jemand sich und andere weiterhin mit Maske und mehr Distanz schützen will, sollten wir das respektieren“, so Laumann. Auch das Bundesministerium für Gesundheit rät Personen mit einer Corona-Infektion nach wie vor, möglichst zu Hause zu bleiben und Kontakte zu anderen zu vermeiden, „insbesondere zu Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer Erkrankung an COVID-19.“ Die meisten Erkrankten könnten sich zuhause auskurieren, „der Arzt oder die Ärztin wird in diesen Fällen, falls erforderlich und abhängig von den Symptomen, beispielsweise fiebersenkende Mittel oder Medikamente gegen Husten empfehlen.“

Das Robert Koch-Institut empfiehlt unabhängig vom Erreger der Atemwegsinfektion, also ob gewöhnliche Erkältung oder Corona, bei Auftreten von Symptomen drei bis fünf Tage zuhause zu bleiben und Kontakte zu vermeiden – „bis zu einer deutlichen Besserung der Symptomatik.“ Bei Bedarf solle die hausärztliche Praxis kontaktiert werden. (mit dpa)

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