CoronaWie gefährlich ist die Delta-Variante für Kinder, Einmal- und Ungeimpfte?

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Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich besonders unter jungen Menschen aus. (Symbolbild)

Köln – Deutschland atmet auf. Die Corona-Fallzahlen sind niedrig wie seit letztem Sommer nicht mehr, die Impfquoten hoch und schießen mit jedem Tag weiter nach oben. Alles scheint gut zu sein, zumindest besser als den langen Winter über. Wäre da nur nicht die Virus-Mutation mit dem Namen Delta, die zuerst in Indien Schrecken verbreitet hat und mittlerweile auch in Europa angekommen ist. Doch wie gefährlich ist die Virusvariante? Stimmen Warnungen, wie die des britischen Epidemiologen Tim Spector, dass „eine Epidemie unter den Jungen“ bevorstehe, da jüngere Menschen besonders von der Delta-Variante betroffen zu sein scheinen? Ein Überblick.

Wie weit ist die Delta-Variante derzeit in Deutschland verbreitet?

Noch ist die sogenannte Alpha-Variante B.1.1.7 (zuvor als britische Variante bezeichnet) die vorherrschende Virusvariante in der Bundesrepublik – jedoch bei aktuell insgesamt deutlich sinkenden Fallzahlen. Vergangenen Mittwoch teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) mit, dass B.1.1.7 in der Kalenderwoche 22 noch 86 Prozent aller untersuchten positiven Proben ausmachte. Die aus Indien stammende Delta-Variante B.1.617.2 dagegen hatte nur einen Anteil von etwas mehr als sechs Prozent.

Allerdings stieg ihr Anteil in den letzten Wochen deutlich an. So wurde die Delta-Variante in der Vorwoche in unter vier Prozent der sequenzierten Proben gefunden. Epidemiologen gehen übereinstimmend davon aus, dass sich Delta in absehbarer Zeit als dominierende Variante durchsetzen wird.

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Wann wird Delta in Deutschland dominant sein?

Experten schätzen, dass sich die Delta-Variante hierzulande nach einem ähnlichen Muster ausbreiten wird, wie in den vergangenen Wochen im Vereinigten Königreich. Deutschland liege, was den Anteil der Variante an den Gesamtzahlen, sowie dem Anteil der durchgeimpften Bevölkerung angehe, einige Wochen hinter Großbritannien. Ende Mai betrug die Sieben-Tage-Inzidenz dort noch etwa 24. Nur vier Wochen später liegt der Wert, der angibt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich in der vergangenen Woche mit dem Coronavirus infiziert haben, bei 85,1. Am 20. Juni meldeten die Behörden 9284 neue Corona-Infektionen – so viele wie seit vier Monaten nicht mehr. Der Anteil der Delta-Variante liegt bei über 90 Prozent und das, obwohl bereits rund 59 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind.

In Deutschland bleibt nun abzuwarten, wie schnell sich Delta zur dominanten Variante entwickeln wird. „Wir haben das Glück, dass die Variante in Deutschland erst dann dominant werden wird, wenn bereits ein sehr hoher Anteil der Bevölkerung – geschätzt 80 Prozent der Erwachsenen – doppelt geimpft sein wird“, schätzt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Podcast der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ). Derzeit haben erst 31,1 Prozent der Bevölkerung beide Impfdosen erhalten (Stand 21.6.).

Wie gefährlich ist die Delta-Variante?

Aus ersten Daten der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) geht hervor, dass die Delta-Variante wohl rund 40 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante ist. Besonders das Risiko, Angehörige des eigenen Haushalts zu infizieren, ist der Datenanalyse nach um schätzungsweise 60 Prozent erhöht. Der Grund ist vermutlich die Fähigkeit der Delta-Variante, sich sehr viel schneller zu vermehren. Die Viruslast bei Infizierten ist also viel früher viel höher als bei vorherigen Virusvarianten. So kann ein Infizierter durchschnittlich mehr Menschen anstecken als zuvor. Zudem scheint Delta gefährlicher zu sein. Eine Studie aus Schottland schätzt das Risiko, mit einem schweren Covid-19-Verlauf ins Krankenhaus zu kommen, bei der Delta-Variante etwa doppelt so hoch, wie bei der Alpha-Variante.

Für wen ist die Delta-Variante jetzt gefährlich?

Die Entwicklung in Großbritannien zeigt: Delta verbreitet sich besonders in der ungeimpften Bevölkerung, insbesondere unter Kindern, für die noch keine Vakzine zugelassen sind. Doch auch Menschen, die erst eine Impfdosis erhalten haben, sind gefährdet. Einer Studie des King’s College London nach ist das Risiko einer Infektion nach einer Impfdosis im Vergleich zu Ungeimpften zwar deutlich verringert, im Vergleich zu vollständig geimpften aber wesentlich höher. Wie das RKI unter Berufung auf die britischen Daten mitteilt, liegt der Schutz vor einer symptomatischen Covid-Erkrankung nach nur einer Impfdosis der mRNA- und Vektorvakzine bei nur etwa 34 Prozent. Im Vergleich: Gegen die Alpha-Variante B.1.1.7 schützten die Impstoffe noch zu etwa 47-55 Prozent.

Wie gut sind Geimpfte geschützt?

Nach der britischen PHE-Datenanalyse sind Personen, die mit Biontech oder AstraZeneca bereits vollständig geimpft sind, sehr gut gegen schwere Krankheitsverläufe geschützt. Verglichen mit Ungeimpften ist das Risiko für eine Krankenhauseinweisung demnach um jeweils mehr als 90 Prozent verringert. Allerdings merkt das RKI an: „Erste durch PHE erhobene epidemiologische Daten deuten auf eine quantitativ reduzierte Impfstoffwirksamkeit gegen diese Variante hin“. Das bedeutet: Die Vakzine wirken gegen die Delta-Variante weniger gut als gegen andere Virusvarianten.

Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna liegt der Schutz vor einer symptomatischen Erkrankung bei nur noch 88 Prozent. Gegen die Alpha-Variante hatten die Vakzine noch eine Wirksamkeit von 93 Prozent erreicht. Der Vektorimpfstoff von AstraZeneca schützt zu 60 Prozent vor einer symptomatischen Infektion mit der Delta-Variante und liegt damit ebenfalls unter der Schutzwirkung von 66 Prozent gegen symptomatische B.1.1.7-Infektionen.

Was ist mit Kindern?

Tim Spector vom King’s College London warnt vor einer „Epidemie unter den Jungen“: „Die Daten unterstreichen, dass sich der Anstieg (der Fallzahlen Anm.d.Red.) in den jüngeren Altersgruppen abspielt.“ Spector leitet die „Zoe Covid Symptoms“-Studie in deren Rahmen Infizierte freiwillig über eine App Angaben zu ihrer Erkrankung machen können. Der Studie stehen auf diese Weise Daten von bislang mehr als 4,6 Millionen Nutzern und Nutzerinnen zur Verfügung. Aus ihnen lässt sich herauslesen, dass der Delta-bedingte Anstieg in Großbritannien vor allem die Altersgruppen der 20 bis 29- und die der Null bis 19-Jährigen getroffen hat.

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Experten warnen daher auch hierzulande vor der vorschnellen Abschaffung der Maskenpflicht in Schulen. „Wir werden nicht völlig ohne Schutzmaßnahmen wieder in den Schulbetrieb gehen können“, sagte auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Zeit nach den Sommerferien.

Wie ist die Lage in den Urlaubsregionen?

Vermiest Delta uns jetzt auf den letzte Metern doch noch die Sommerferien? Das dürften wohl viele derzeit befürchten. Und das nicht zu unrecht. Denn nach wie vor gilt: Wenn die Bundesregierung ein Land als Virusvariantengebiet einstuft, gilt nach der Rückkehr eine vierzehntägige Quarantäne – auch für vollständig Geimpfte. Eine vorzeitige Beendigung der Quarantäne ist nicht möglich. Großbritannien beispielsweise gilt als Virusvariantengebiet.

Doch die Delta-Variante verbreitet sich bereits an weiteren beliebten Urlaubsorten in Europa. Etwa in Portugal. Dort hat die Virusvariante für einen starken Anstieg der Fallzahlen gesorgt. Aktuell ist besonders Lissabon betroffen, wo bereits dieses Wochenende erneut ein harter Lockdown verhängt wurde. Auch an den kommenden Wochenenden ist mit strengen Maßnahmen zu rechnen.

Auch in Spanien ist die Virusvariante bereits angekommen. Ebenso in Frankreich. Wie sich die Corona-Lage dort und in anderen europäischen Ländern entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Für Urlauber gilt somit nach wie vor: Besser mit Reiserücktrittsversicherung buchen.

Wie wahrscheinlich ist eine vierte Welle?

Experten gehen größtenteils davon aus, dass die Delta-Variante erst im Herbst zu einem Anstieg der Neuinfektionen in Deutschland führen werde. Das Virus werde sich dann besonders unter Ungeimpften verbreiten können, so die Befürchtung. Viel hängt also von der Geschwindigkeit der Impfkampagne über den Sommer hinweg ab. Entscheidend ist auch eine möglichst hohe Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Der Virologe Drosten etwa sprach jüngst von einem „Wettlauf mit Delta“. Der Gesundheitsexperte Lauterbach gab im FAZ-Podcast zu Protokoll, Delta sei zwar gefährlich, werde aber den Impferfolg und auch den Pandemiebekämpfungserfolg in Deutschland nicht gefährden. „Delta wird die Erwachsenen nicht mehr treffen, die einzige Sorge sind die Kinder“, so Lauterbach.

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