Nebenwirkungen, geringe Wirksamkeit?So sicher ist der neue Astrazeneca-Impfstoff

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Eine Ampulle des Corona-Impfstoffs der Universität Oxford und des Pharmakonzerns Astrazeneca.

Köln – Eigentlich könnte der Covid-Impfstoff der Universität Oxford und des schwedisch/britischen Pharmaunternehmens Astrazeneca den Kampf gegen die Pandemie extrem beschleunigen. Als in Deutschland bisher einziges zugelassenes Mittel muss er nicht aufwendig auf minus 70 Grad Celsius gekühlt werden und könnte deswegen – anders als die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna – bald schon in Arztpraxen verimpft werden.

Viele Deutsche allerdings würden den Stoff eines anderen Herstellers vorziehen. Eine geringere Wirksamkeit von „nur 70 Prozent“, die Empfehlung der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (Stiko), das Mittel nicht bei Menschen über 65 Jahren anzuwenden und Schlagzeilen von Nebenwirkungen verunsichern die Menschen offenbar sehr. So gaben etwa in einer repräsentativen Umfrage des Hamburger Center for Health Economis nur zwei Prozent der Befragten an, sich mit dem Astrazeneca-Mittel impfen zu lassen – wenn sie die Wahl hätten.

Die allerdings hat im Moment in Deutschland niemand und das führt zu Situationen wie am vergangenen Wochenende im Saarland: Bei einer Sonderimpfung mit dem Astrazeneca-Mittel im medizinischen Bereich war über die Hälfte der angemeldeten Personen nicht erschienen, ohne den Termin abzusagen. „Nicht solidarisch“, nannte die Saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann so ein Verhalten.

Ein Vater aus Köln indes hat sich bei ihrem nordrhein-westfälischen Kollegen Karl-Josef Laumann bereits öffentlichkeitswirksam per Mail beschwert, dass seine aufgrund einer Behinderung pflegebedürftige Tochter den „minderwertigen Impfstoff von Astrazeneca“ bekommen soll. Was ist dran an der Skepsis? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ist der Impfstoff von Astrazeneca ein „Impfstoff zweiter Klasse“?

Nein. Eine 70 prozentige Wirksamkeit bedeutet nämlich nicht, dass der Impfstoff nur bei sieben von zehn geimpften Menschen wirkt. Die 70 Prozent geben etwas anderes an: Wie sehr das Risiko zu erkranken durch eine Impfung gemindert wird. Oder auch: Wie viel geringer die Zahl der Erkrankungen bei Geimpften im Vergleich zu Nicht-Geimpften ist. Und über die Schwere eines möglichen Verlaufs sagt die Wirksamkeit gar nichts aus. Stattdessen stellt sich die Situation wie folgt dar: Alle zugelassenen Impfstoffe schützen laut Datenlage sehr gut vor schweren Komplikationen. Bei den Impfstoffen von Moderna, Biontech/Pfizer, Astrazeneca, Johnson & Johnson, Novavax sowie den Impfstoffen Sputnik V und Sinovac aus China gab es während der Studien keinen einzigen geimpften Probanden, der wegen einer Covid-19-Infektion ins Krankenhaus musste oder daran gestorben wäre. Alle zugelassenen Impfstoffe, auch der vor Astrazeneca, schützen also nach allem, was bekannt ist, zu hundert Prozent vor einem Coronatod.

Wer bekommt überhaupt den Impfstoff von Astrazeneca?

Die Impfverordnung des Bundes sieht derzeit vor, dass allen Menschen unter 65 Jahren, denen aufgrund der Priorisierung ein Impfangebot gemacht wird, der Impfstoff von Astrazeneca angeboten werden soll. Bei Menschen über 65 Jahren sei laut Stiko die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt.

In mehreren Städten hat es nach Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff vermehrt Krankmeldungen gegeben – was war da los?

Das ist etwa in Dortmund passiert: Dort haben sich gut ein Viertel von 304 Mitarbeitern des Rettungsdienstes, die geimpft worden waren, am Folgetag krankgemeldet. Vermutet wird, dass das mit den Nebenwirkungen des Impfstoffs zusammenhängt: Das können laut Robert-Koch-Institut neben Schmerzen an der Einstichstelle auch Spannungsgefühle, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl, erhöhte Temperatur und Fieber sein. Die sind bei einem Vektorimpfstoff wie dem von Astrazeneca aber überhaupt nicht ungewöhnlich. Auch dass einige Regionen in Schweden die Corona-Impfung mit Astrazeneca gestoppt haben, lag nicht daran, dass der Impfstoff schlecht sei: Man hatte nur zu viele Menschen, in dem Fall 400 Mitarbeiter zweier Krankenhäuser, auf einmal geimpft. Aufgrund der Nebenwirkungen kam es in den Krankenhäusern zur Personalknappheit.

Kann das in Köln auch passieren?

Nach dem veränderten Impfplan der Stiko erfolgt die Verimpfung von Astrazeneca im Moment ausschließlich an priorisierte Berufsgruppen wie etwa Mitarbeiter aus dem medizinischen Bereich oder Pflegeeinrichtungen sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen. Seit dem 10. Februar werden laut Stadt auch in Köln Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff, etwa bei Mitarbeitern des Rettungsdienstes, der ambulanten Pflege und vereinzelt beim Personal des Impfzentrums durchgeführt. Auch hier gebe es einzelne Rückmeldungen über Nebenwirkungen, die habe es allerdings auch bei Geimpften gegeben, die das Mittel von Biontech/Pfizer bekommen hatten. Zu größeren Ausfällen von Mitarbeitergruppen sei es bislang nicht gekommen. Auch weil man darauf achte, Impftermine so zu vergeben, dass mögliche Krankmeldungen personell aufgefangen werden können.

Ich habe einen Impftermin und soll den Astrazeneca-Impfstoff geimpft bekommen. Muss ich?

Nein, es gibt keine Impfpflicht. Grundsätzlich stehe es jedem frei, auch auf einen zu einem späteren Zeitpunkt zur ausreichenden Verfügung stehenden Impfstoff zu warten, sagte eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wann dies der Fall sein wird, kann derzeit nicht gesagt werden.“

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Auch Mehrdad Mostofizadeh, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, sagt dieser Zeitung: „Letztlich ist es eine zutiefst individuelle Entscheidung, ob man sich impfen lässt.“ Bisher aber gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die zugelassenen Impfstoffe das Vertrauen in die hohen Maßstäbe an das Vorliegen wissenschaftlicher Daten nicht mehr rechtfertigen würden. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Lisa-Kristin Kapteinat, ermutigt alle Bürger, sich unabhängig der Vakzine impfen zu lassen: „Nebenwirkung nach Impfungen sind völlig normal, ein Zeichen dafür, dass sich der Körper mit dem Impfstoff auseinandersetzt. Das ist die sogenannte Immunantwort.“

Was passiert mit dem Impfstoff, wenn die Leute sich nun reihenweise nicht impfen lassen sollten?

Zunächst sei gesagt: Laut Gesundheitsministerium gibt es für NRW derzeit keine validen Daten zur Impfbereitschaft mit Blick auf Astrazeneca. Falls es aber tatsächlich so kommen sollte, regelt ein Erlass des Ministeriums, dass überzähliger Impfstoff in der Verantwortung des jeweiligen Kreises oder der Stadt entsprechend der Priorisierungsvorgaben weiter verimpft werden kann. Erst wenn keine Person aus der ersten Priorisierungskategorie gefunden werden kann, darf eine Person aus der zweiten oder dritten Kategorie die Spritze erhalten.

Wenn bei einer Impfaktion kleinere Mengen übrigbleiben, seien die mobilen Teams angehalten, „diese niedrigschwellig für Personen mit höchster Impfpriorität zu verwenden.“ Bleiben auch dann Dosen übrig, entscheidet die koordinierende Einheit vor Ort über die weitere Verwendung. Dies sei „dem Verwurf von Impfdosen grundsätzlich vorzuziehen“.

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