Köln – Freitag vor einer Woche: Jessy hat am Abend vorher in einer Kölner Bar ordentlich gefeiert, die Nacht anschließend bei einem fremden Mann verbracht. Als sie sich auf den Weg nach Hause macht, vergisst sie ihre Jacke samt Schlüssel mitzunehmen. Wer der nette Kerl war, wo genau er wohnt, hat sie sich nicht gemerkt. Auch seine Nummer hat sie nicht. Jessy weiß nur: Er heißt Micha, wohnt in einer WG und die nächstgelegene KVB-Haltestelle war Eifelwall.
Jessy sucht Hilfe beim „Nett-Werk Köln”, einer öffentlichen Facebook-Gruppe. Wer einen heißen Tipp in Sachen Biergarten in Köln braucht, einen Abnehmer für seine alten Laufschuhe sucht, der postet dort. Und Jessy startet einen Suchaufruf:
Micha wird zum Running Gag
Mehr als 1100 Facebook-Nutzer klicken in den darauffolgenden Tagen unter Jessys Beitrag den „Gefällt mir”-Knopf, mehr als 1700 kommentieren den Suchaufruf. „Viel Erfolg!”, wünschen die einen, „Bist du Hals über Kopf geflüchtet?”, „Oh je ... muss der Mann schlecht gewesen sein” und „Ich kipp gleich vom Stuhl”, schreiben andere. Und viele „Nettwerk-Mitglieder” beteiligen sich tatsächlich an der Suche nach Micha. Jessy bekommt öfters den Ratschlag, die Strecke der besagten Nacht doch noch einmal abzulaufen. Manche schicken ihr die Michas aus ihrem persönlichen Freundeskreis als Vorschläge zum Abgleichen.
Und Micha entwickelt sich im „Nettwerk” zum Running Gag, wird die Antwort auf viele weitere Gruppen-Beiträge.
Wo ist der beste Biergarten? - Frag doch mal Micha vom Eifelwall!
Ich habe alte Laufschuhe abzugeben. - Vielleicht brauch sie Micha vom Eifelwall.
Tagelang geht das so. Gemeinsam will man sich in der Bar verabreden, in der der verhängnisvolle Abend seinen Lauf nahm, ein Benefizkonzert geben, um den verlorengegangenen Schlüssel zu ersetzen. Bis Jessy Mittwochnacht, kurz nach Mitternacht unter ihrem Beitrag verkünden kann: „Der Micha wurde nun tatsächlich gefunden!” Was folgt sind zahlreiche Glückwünsche - und eine Kommentatorin fordert: „Verfilmen, sofort!”