Das Jecke ABC erklärt, worum es im Gürzenich wirklich geht

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Hier dreht sich alles um den Prinz. Prinzenproklamation im Gürzenich im vergangenen Jahr.

Hier dreht sich alles um den Prinz. Prinzenproklamation im Gürzenich im vergangenen Jahr.

Was ist eine Litewka? Und wer ist Ha-Ho? Für alle, die zur Proklamation gehen, gerne gehen würden, und alle, die das gar nicht wollen, zum Mitreden das ultimative PriPro-Lexikon.

Alaaf ist im Karneval normalerweise der Ausdruck für spontane Freude. Bei der Prinzenproklamation die enervierende Daueraufforderung an das Publikum, endlich mal Stimmung zu machen. Wird besonders strapaziert, wenn die Offiziellen auf der Bühne stehen - so lange, bis auch die letzte Kamera einen dieser spontanen Stimmungsausbrüche eingefangen hat.

Bühnendekoration meint nicht die alle irgendwie gleichaussehenden älteren Herrn, die sich um das Mikrofon streiten, sondern das alljährliche Alter-Markt-Bild - wahlweise mit Hänneschen oder ohne.

Alles zum Thema Kölner Dreigestirn

Elferrat sind elf dicke Freunde, die als schmückendes Beiwerk über der Bühne im Rampenlicht sitzen. Nur das Festkomitee scheint nicht bis elf zählen zu können - und nimmt mehr mit aufs Podium. Da mit ja alle Vorstandsmitglieder ge sehen werden.

Foyer des Gürzenich ist der entscheidende Raum der PriPro: Während im großen Saal (bei Weinzwang) das Programm läuft, wird hier bei Kölsch bewertet, beurteilt, gelobt, verurteilt und vernichtet. Je schlechter die laufende Nummer im Saal, desto voller das Foyer.

Herzlich ist nicht etwa die Atmosphäre. „Herzlich“ ist das Lieblingswort von Festkomitee-Präsident Hans-Horst Engels - kurz: Ha-Ho - während seiner Moderation. In seinem umfangreichen Repertoire: „Herzlich“, „ganz herzlich“, „besonders herzlich“ und ein „ganz besonders herzliches Alaaf“ kommt natürlich „vun Hätze“. So viel wie er darf jedenfalls sonst keiner reden - weder der Oberbürgermeister noch der neue Prinz.

Kalte Ente ist kein weihnachtliches Überbleibsel vom Buffet, sondern ein viel geordertes Mix-Getränk in der kölschfreien Zone „Saal“: eine Karaffe mit Wein und Sekt unter einer aufgegabelten Zitrone.

Litewka ist keine russische Gemüsesuppe, sondern eine Art Abendanzug in Vereinsfarben für wichtige PriPro-Besucher, die nicht davor zurückschrecken, auch die geschmacklosesten Farbkombinationen auszuführen. Der kleine Rest darf die Garderobe der letzten Ballsaison auftragen.

Ostermann-Medaille: Weder eine neue Euro-Münze noch Bierbon oder Einkaufswagen-Chip, sondern eine Auszeichnung, der immer auf der PriPro verliehen wird. Dieses Jahr erwischt es den rheinischen Stimmungssänger King Size Dick. Er darf sich öffentlich geehrt fühlen.

Prinzenproklamation (kurz: PriPro) ist die offizielle Amtseinführung des Kölner Dreigestirns durch den Oberbürgermeister. Der rund halbstündige Akt wird alljährlich Anfang Januar im Gürzenich vollzogen und von einem vierstündigen Programm sowie dem Schaulaufen der Kölner Gesellschaft umrahmt.

Prinzenspange wird nicht die ausgediente Zahnspange von Klein-Michael genannt, der diesen Samstag Prinz wird, sondern der begehrteste Orden jeder Session. Nur wer sie trägt, gilt in Köln bei den Jecken als geadelt. Da werden selbst Promis zu Bettlern. Denn alle anderen Orden, auch der des Festkomitees, sind käuflich. Redner (auch Büttenredner genannt) sind keine lautstarken Spin ner am „Speakers Corner“ in Lon don, sondern eine aussterbende Spezies von Unterhaltungskünst lern im Kölner Karneval. Dem wird das Festkomitee bei dieser PriPro vollauf gerecht. Statt Artenschutz betreibt es Bestandsverwaltung: Es gibt nur eine Rede (Guido Cantz), keinen Nachwuchs-Beitrag, dafür mit Bläck Fööss, Höhner, Paveier und Nikuta Musik bis zum Abwin ken. Super-Party-Stimmung garan tiert - und die Wortkomiker wan dern zum Fernsehen ab.

„Stühle! Stühle! Stühle!“ singt Bernd Stelter - er muss den Text auf einer PriPro ersonnen haben. Wo sonst ausgelassene Jecke zum Schunkeln auf dieselben steigen, ist „Stühle“ diesen Samstag Maßeinheit dafür, wie viele Menschen bei minimaler Bewegungsfreiheit in einen Saal gezwängt werden können.

Vorstandstanz ist nicht das statische Schunkeln des Festkomitee-Vorstands, sondern eine dynamische Choreographie, die die Ehrengarde alle zwei Jahre einstudiert und zur PriPro uraufführt.

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