Themenportal WiedergutmachungNeues Gedächtnis für den Holocaust

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Halle der Namen in Yad Vashem

Halle der Namen in Yad Vashem

Köln – Der Begriff der Wiedergutmachung ist mehr als problematisch, ja, man kann ihn als höchst unpassend empfinden: Wie ließe sich aufwiegen, was den Opfern des Nationalsozialismus an Unrecht geschah? Nachdem sich der israelische Außenminister Moshe Sharett und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer im Zuge des Luxemburger Abkommens 1952 darauf verständigt hatten, dass die Bundesrepublik nicht allein in moralischer, sondern auch in materieller Hinsicht Verantwortung für die Verbrechen des Vorgängerstaates übernehmen sollte, hat sich der Begriff gleichwohl eingebürgert. Seine Geschichte zentral zu dokumentieren, ist von heute an Aufgabe des digitalen Themenportals „Wiedergutmachung“, über das Bund und Länder auf dem Petersberg bei Bonn eine Rahmenvereinbarung abschlossen.

Erhebliche Erniedrigungen

Oft war es mit erheblichen Erniedrigungen verbunden, einen Antrag auf Entschädigung für erlittenes Unrecht zu stellen, dies wurde auf einer Diskussion deutlich, die der Vertragsunterzeichnung voranging. Die Teilnehmer waren in erster Linie Vertreter von Archiven, in denen die Zeugnisse zur Geschichte der Wiedergutmachung verstreut liegen – in den Bundesländern, denen die Einzelfallprüfung oblag, aber auch in den großen Zentren zur Dokumentation von Vertreibung, Flucht und Völkermord wie Bad Arolsen in Deutschland und Yad Vashem im Jerusalem.

Hier lässt sich nachlesen, dass ehemals Geflüchteten die Erstattung einer Schiffspassage von bundesdeutschen Bürokraten mit dem Argument verweigert wurde, sie hätten das Ticket doch aus freien Stücken gekauft. Andere mussten psychiatrische Gutachten beibringen, um die Gunst der Beamten zu erlangen, wieder andere wurden mit Beträgen abgespeist, die heutige Leser der Akten beschämt verstummen lassen.

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Diese Schriftstücke zu einer einzigen Geschichtsschreibung der Wiedergutmachung zu bündeln, ist Ziel des digitalen Themenportals, wie der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann sagte. Dabei sind hohe technische Hürden zu überwinden: Zur Erfassung der zahllosen Dokumente ist der Einsatz künstlicher Intelligenz notwendig, die mit vergilbtem Papier, altdeutscher Schrift und verblichenen Stempeln zurechtkommen muss – vor allem aber, so führte Sabine Brünger-Weilandt vom Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur aus, müsse der Datenschutz gewährleistet werden.

Vorbild für viele Anstrengungen zur Dokumentation der Schoah ist die israelische Gedenkstätte Yad Vashem, die nicht allein ein Museum, sondern auch ein archivalisches Gedächtnis ist. Hier, so sagte es die Überlebende Eva Umlauf auf dem Petersberg, versammelt sich die jüdische Welt, um nach ihren Toten zu suchen. Wie Christian Lindner, als Bundesfinanzminister, wie alle seine Vorgänger für die Wiedergutmachung als Ressortchef zuständig, in einem Grußwort betonte, geht es dem neuen Portal auch darum, auf aktuelle Probleme zu antworten – auf den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland vor allem, der nicht allein die Köpfe sogenannter Querdenker vernebelt, sondern auch die Schulhöfe erreicht hat. Nur, wer die Erinnerung pflegt, wappnet sich für die Zukunft.

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