WildobstBeerenstarke Kost frisch aus der Natur

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Beerensammeln, wie zum Beispiel das dieser Hagebutten, hat im Bergischen Tradition. BILD: NEUMANN

Beerensammeln, wie zum Beispiel das dieser Hagebutten, hat im Bergischen Tradition. BILD: NEUMANN

Rhein-Berg – Kultiviert liegen sie in den Kühlregalen der Supermärkte in kleinen Plastikschälchen: Brombeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und mit Glück noch ein paar andere. Auf den Preiszettelchen prangen meist Beträge, die nicht im rechten Verhältnis zu den 200 Gramm Inhalt stehen wollen. Dabei wachsen zurzeit im Wald und an den Wegen die Wildformen der Beeren - völlig kostenlos.

„Wir haben so viele Beeren im Bergischen Land“, sagt Monika Burgmer. Die Lindlarerin ist Expertin rund um die Herstellung von Lebensmitteln aus Garten und Natur und hält Seminare im Bergischen Freilichtmuseum. Allerdings bedauert sie, dass die Spezies „Bergische Beerensammler“ vom Aussterben bedroht scheint: „Die Kinder werden damit nicht mehr groß.“ Dies bestätigt auch Jürgen Kleppe vom Regionalforstamt Bergisches Land: „Nicht vergleichbar mit den Pilzsammlern“ seien die Beerenbegeisterten. Dabei hätten die kultivierten Formen aus dem Plastikschälchen gegenüber den Waldbeeren „geschmacklich wesentlich weniger zu bieten“. Die wilden Beeren seien zwar kleiner, aber deutlich aromatischer. Burgmer ergänzt: „Außerdem sind sie weder gelagert noch gespritzt.“

Doch die Zeiten, in denen sich die Kinder in vielen Dörfern ihr „Schützenfestgeld“ durch den Verkauf gesammelter Beeren verdienten, ist vorbei. Die Gründe dafür lauten unter anderem: keine Zeit und keine Ahnung. Das Sammeln ist manchmal mühsam, es wachsen giftige und ungiftige Beeren, die unterschieden werden wollen, zu dem kursiert Halbwissen über Zecken und Fuchsbandwurm (siehe „Tipps für die Beerensuche“). Dazu kommt, dass der kultivierte Bergische heute auch seine Marmelade aus dem Regal und nicht vom eigenen Herd bezieht.

Angst vor der Eberesche

„Brombeeren sind dieses Jahr so reichlich wie selten“, berichtet Monika Burgmer. Himbeeren und Heidelbeeren lassen sich seltener finden. Dafür aber Beeren, die es im Supermarkt eher selten gibt, im bergischen Wald jedoch reichlich: die roten der Eberesche und die schwarzen des Holunders. Vor den Beeren der Eberesche, die auch Vogelbeeren genannt werden, warnen viele Eltern ihre Kinder. Die Giftinformationszentrale in Bonn stuft sie als „leicht giftig“ ein. Nur der Verzehr großer Mengen der frischen Früchte könne Durchfall oder Übelkeit verursachen. Die Angst vor der Eberesche resultiert vermutlich daraus, dass es eine Reihe sehr giftiger Beeren gibt, die ebenfalls rot sind, wie die der Eibe oder der Stechpalme Ilex, die beide ebenfalls häufig im Bergischen vorkommen. Monika Burgmer empfiehlt für alle Fälle bei Vogelbeere und Holunder: „Bitte kochen!“ Und noch ein Tipp: „Nie pure Marmelade aus der Eberesche herstellen - die ist zu bitter-herb.“ Stattdessen solle man halbe-halbe mit Äpfeln und Birnen mischen. Vom Holunder reiche eine Handvoll in den Apfelkompott oder in die Rote Grütze, um ganz schnell etwas ganz Besonderes zu haben. „Man muss nicht eimerweise pflücken gehen“, sagt die Expertin. Wer gelernt habe, wie sie aussehen, finde im Bergischen ebenfalls Felsenbirne und Schlehen. Auch die Hagebutte, die Frucht der Rose, ist häufig. Marmelade lässt sich allerdings mühsam aus ihr herstellen, weil die Kerne mit der Hand entfernt werden müssen.

Wildformen lassen sich auch im heimischen Garten pflanzen. Die Nachfrage danach ist jedoch gering, wie so wohl die Baumschule Becker in Gladbach als auch die Baumschule Königsforst in Rösrath feststellt. Dies liege insbesondere daran, dass die beliebteren veredelten Sorten nicht wuchern und größere Früchte tragen. Zudem seien sie oft resistenter gegen Krankheiten, und pieksende Dornen und Stacheln können „weggezüchtet“ werden. Während die Eberesche noch als „Wildgehölz“ verkauft wird, ist der Holunder meist nur als Zuchtform mit größeren Früchten und verschiedenen Blattformen und -farben erhältlich. Wer jedoch sein Grundstück einzäunen oder „Vogelnährgehölz“ pflanzen möchte, kann die wilden Formen in der Baumschule bestellen.

Tonnenweise Brombeeren

Während die Beerenzeit für den einen Erholung in der Natur oder im eigenen Garten bietet, bedeutet sie für Bernd und Sabine Roth viel Arbeit. In ihrer Hausbrennerei in Hoffnungsthal ist es mit einem Eimerchen Brombeeren nicht mehr getan. „Wir sprechen von Tonnen“, sagt Sabine Roth. Für ihren Wald-Himbeergeist und Brombeergeist bekommen sie Beeren in großen Fässern geliefert. Einen kleinen Teil pflücken sie selbst, aber die Masse kommt aus Süddeutschland und Rumänien. „Im Bergischen ist nicht so viel Sonne“, erklärt Sabine Roth, „und Sonne heißt Zucker, heißt Süße.“ Für jede 0,35-Liter-Flasche werden 2,5 Pfund Beeren verarbeitet. Den 40-prozentigen Geist darf sich nicht jeder in der Garage brennen, denn dafür ist ein angemeldetes Brennrecht vom Zoll erforderlich. Aber mit etwas weniger Prozenten lassen sich auch zu Hause die selbst gepflückten Beeren verarbeiten. Burgmer empfiehlt „Holundergelee mit Rotwein“ unter Zugabe von Zimt, Nelke und Koriander (siehe Rezept). „Ein tolles Geschenk für Opa - das schmeckt schon wie Weihnachten.“

Wer sich die ganze Arbeit nicht machen, aber das Naturerlebnis entdecken will, der kann auch einfach nur von der Hand in den Mund leben. Ein paar am Strauch und den Rest zu Hause - „gut gewaschen“ empfiehlt Jürgen Kleppe. Und wenn dann mal der Wurm drin sein sollte? „Der frisst ja auch nichts anderes als die Beere“, sagt Monika Burgmer. Kleppe bescheinigt ebenfalls Unbedenklichkeit und scherzt: „Das ist eine gesunde Eiweißzugabe.“ Das Beerensammeln sollte sich dadurch niemand madig machen lassen. „Es ist einfach etwas Besonderes“, sagt Monika Burgmer aus tiefstem Herzen und meint damit sowohl den Pflückerfolg als auch das Gläschen mit dem eigenhändig hergestellten Gelee: „Das hat einfach nicht jeder!“

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