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Lucassen preist Nazi-Angriff auf KretaAfD-Politiker aus NRW empört mit Gedenken für Wehrmachts-Vater

Lesezeit 3 Minuten
Rüdiger Lucassen (AfD) spricht bei der Debatte zur nationalen Sicherheitsstrategie im Deutschen Bundestag. (zu dpa: «AfD-Bundestagsabgeordneter Lucassen kritisiert Parteiführung und Höcke») +++ dpa-Bildfunk +++

Rüdiger Lucassen (AfD) bei einer Rede im Deutschen Bundestag. Er ist Bundestagsabgeordneter und verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion.

Der AfD-Politiker Rüdiger Lucassen posiert mit Nazi-Devotionalien und feiert die Leistungen seines Vaters im Zweiten Weltkrieg.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen berichtet auf seinen Social-Media-Profilen von den soldatischen Heldentaten seines Vaters und dessen Kameraden 1941 auf Kreta. Dabei handelte es sich um einen Angriffskrieg der Nazis gegen Griechenland: „Operation Merkur“, die Luftlandeschlacht um Kreta im Zweiten Weltkrieg.

Auf den Plattformen X und Facebook veröffentlichte der Politiker einen Text über seinen Vater, den Offizier Hans Lucassen, dazu eine Aufnahme eines Fallschirmspringers – und ein Foto von sich mit dem „Ärmelband Kreta“. Dabei handelt es sich um eine Auszeichnung der deutschen Wehrmacht, eingeführt im Jahr 1942 durch Adolf Hitler.

Angriffskrieg der Nazis wird zu Heldengeschichte

„Heute vor 84 Jahren sprang mein Vater Hans Lucassen mit seinen Kameraden des Fallschirmjägerregiments 1 über Kreta ab“, beginnt der 73-Jährige seinen Post. Dann beschreibt Lucassen die Wehrmachtsoperation „Merkur“ in nahezu ehrfürchtigen Worten.

Er feiert den Angriffskrieg als die „größte Luftlandeoperation der Kriegsgeschichte“, hebt die „soldatische Leistung der kämpfenden Einheiten“ hervor. Bei ihm werden Adolf Hitlers Fallschirmjäger zu Heldengestalten. „Die persönlichen Schicksale der deutschen Fallschirmjäger rühren zu Tränen“, findet Lucassen.

In seinem Beitrag zum Jahrestag klammert er die Massaker bei der Einnahme der griechischen Insel aus. Denn die deutschen Soldaten begingen während der Besatzung Kretas zahlreiche Kriegsverbrechen. Lucassen erwähnt auch nicht die hohen Opferzahlen auf griechischer Seite – tausende Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, starben.

AfD-Politiker Lucassen: Sein Wahlbüro liegt in Euskirchen

Lucassen ist seit 2017 Abgeordneter im Deutschen Bundestag und war bis Februar 2022 Vorsitzender der AfD in NRW. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Euskirchen. Über sich selbst sagt der Oberst a.D.: „Mein Dienst in der Bundeswehr prägte mein Leben.“ Heute ist er Obmann im Verteidigungsausschuss und verteidigungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag.

Über 1000 Antworten sammeln sich unter der befremdlichen Veröffentlichung auf X. Immer wieder wird Lucassen gefragt, ob sein Vater auch an Erschießungen beteiligt gewesen sei. „Es gibt in Deutschland keine Pflicht, seine Texte zur Erinnerung an den eigenen Vater und dessen Generation so zu formulieren, dass sie den geschichtspolitischen Sanctus eines 1999 geborenen Rotzlöffels erhalten“, antwortete Lucassen einem Kommentator.

Georgine Kellermann kritisiert: keine Worte über „mörderisches Regime“

Die bekannte Journalistin Georgine Kellermann erinnerte daraufhin an das „mörderische Regime“ von Adolf Hitler, für das Lucassens Vater in den Krieg zog. Andere Kommentatoren sehen in den Äußerungen des AfD-Politikers NS-Verherrlichung, die in Deutschland strafbar ist.

Experten sehen in solche Äußerungen eine Strategie rechtsextremer Kreise, um Geschichte umzudeuten und nationalistische Narrative zu fördern. Der Kölner Professor für Internationale Politik und Außenpolitik Thomas Jäger erkennt in Lucassens Posts Kriegsverherrlichung: Dass ein AfD-Politiker die Eroberung Kretas 1941 positiv bewerte, zeige, dass der Revisionismus in Deutschland wieder eine politische Heimat habe. „Mit Gewalt, wenn es sein muss“, schreibt Jäger auf X. „Von einer Partei, die Putin unterstützt, ist nichts anderes zu erwarten.“

Der Historiker Matthäus Wehowski ordnet auf X zudem ein – von Lucassen verkürzt wiedergegebenes – Zitat von Winston Churchill ein. Der verteidigungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag hatte behauptet: „Winston Churchill beschrieb es so: ‚Diese tapferen, großartig ausgebildeten und absolut zuverlässigen Fallschirmjäger stellten die Blüte deutschen Mannestums dar.‘“

Bekannter Historiker zieht Parallele zu Landser-Heften

Ausgelassen habe der AfD-Politiker den Teil, in dem der einstige britische Premierminister die Soldaten als„völlig überzeugte Nazis“ bezeichnete. Dann zieht Wehowski eine Parallele zu kriegsverherrlichenden Schriften, die bis 2013 in Deutschland erschienen: „Vermeintliche ‚individuelle Heldentaten‘ aus dem Kontext des verbrecherischen deutschen Angriffskriegs herauszulösen hatte in Deutschland über Jahrzehnte Methode – etwa in den ‚Landser‘-Heftchen“, so Wehowski.

Noch deutlicher wird Grünen-Politikerin und Mitglied des Bundestags Sara Nanni: „Nazis machen Nazi-Sachen“, kommentierte sie trocken. Und der deutsch-amerikanische Volkswirtschaftsprofessor Rudi Bachmann fordert: „Diese Partei darf niemals, niemals auch nur in die Nähe von Regierungsverantwortung. Niemals. Nie wieder.“