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SPD, Grüne, Linke, Verbände empört„Clown als Kanzler“ – Kritik an Friedrich Merz reißt nach „Zirkus“-Aussage nicht ab

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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) muss sich nach seiner Aussage über die Regenbogenflagge scharfe Kritik anhören. (Archivbild)

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) muss sich nach seiner Aussage über die Regenbogenflagge scharfe Kritik anhören. (Archivbild)

Friedrich Merz muss sich nach seinen Worten über die Regenbogenflagge harte Kritik gefallen lassen. Jens Spahn verteidigt den Kanzler derweil.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit seiner „Zirkuszelt“-Aussage über das Hissen der Regenbogenflagge auf dem Bundestag breite Kritik ausgelöst – auch in Reihen des Koalitionspartners SPD. „Das ist eine sehr unglückliche Aussage. Und der Bundeskanzler sollte diese Aussage noch mal überdenken“, sagte SPD-Fraktionsvize Armand Zorn gegenüber RTL/ntv. In Zeiten, in denen „queere Menschen besonders viele Anfeindungen erleben, halte ich das nicht für die richtige Aussage“, fügte der SPD-Politiker an.

Gegenwind für Merz nach „Zirkus“-Aussage über Regenbogenflagge

Merz hatte sich in der ARD-Talkshow „Maischberger“ hinter den Kurs von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zum Christopher Street Day (CSD) gestellt. Auf die Frage, wie er es finde, dass Klöckner die Regenbogenflagge zum CSD nicht am Bundestag zeigen will, sagte er: „Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, auf das man beliebig Fahnen hisse.

Es gebe einen Tag im Jahr, das sei der 17. Mai – der Tag gegen Homophobie -, an dem die Regenbogenflagge gehisst werde, so Merz. Klöckner hatte zuvor entschieden, zum Berliner CSD am 26. Juli die Flagge nicht wie in Vorjahren am Parlament aufzuziehen.

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Kritik aus Köln am Kanzler: „Absolut respektlos“

Bei Kölner Politikerinnen und Politikern hatte die Aussage eine Kritikwelle ausgelöst: Die Grünen-Politiker Sven Lehmann und Nyke Slawik fanden deutliche Worte für die Assoziation mit einem Zirkuszelt. Auch SPD-Politiker Karl Lauterbach hatte Merz’ Aussage kritisiert.

Die Kölner Politikerin und Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge äußerte sich indessen ebenfalls empört. Die Worte des Bundeskanzlers seien „absolut respektlos“, so Dröge. „Die Regenbogenfahne ist ein Zeichen für queere Rechte und Solidarität. Gerade in Zeiten, in denen Hass zunimmt, ist das wichtig“, schrieb Dröge auf der Plattform X.

CSD-Kontroverse: Bedient Friedrich Merz „extrem rechte Ressentiments“?

„Wer uns queere Menschen mit ‚Zirkus‘ in Verbindung bringt – also mit Obskurität und Lachnummern – bedient extrem rechte Ressentiments und missachtet das Grundgesetz“, schrieb derweil die bayrische Grünen-Abgeordnete Marlene Schönberger bei X. „Diese Aussage ist schäbig. Ich erwarte eine Entschuldigung von Friedrich Merz.“

In der Union fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte dem „Tagesspiegel“, der Bundeskanzler habe völlig recht. „Diese tagelangen Symboldebatten dagegen tragen nichts zur Freiheit und Sicherheit von Schwulen und Lesben in Deutschland bei“, befand Spahn.

Geteilte Meinungen: Unterstützung von Jens Spahn – Kritik von der LSU

Der Vorsitzende des Bundesverbands Lesben und Schwule in der Union (LSU), Sönke Siegmann, nannte die Wortwahl in der „taz“ „unglücklich“. Darüber werde man mit dem Kanzler persönlich sprechen, es gebe bereits einen Termin.

Die Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, äußerte ebenfalls harte Kritik am Bundeskanzler. „Wenn die Regenbogenfahne die Fahne auf einem Zirkuszelt ist, was sind dann queere Menschen?“, zitierte das Nachrichtenportal „ZDFheute“ die SPD-Politikerin. 

Linke attackieren Merz: „Dafür haben wir einen Clown als Kanzler“

SPDqueer – eine Arbeitsgemeinschaft der SPD – forderte derweil ebenfalls eine Entschuldigung von Merz. „Diese Aussage ist nicht nur respektlos gegenüber der queeren Community, sondern offenbart ein rückwärtsgewandtes Verständnis von Demokratie und Repräsentation“, sagte die Co-Vorsitzende Carola Ebhardt.

Die Linken-Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek nannte die Wortwahl im ZDF derweil „unangemessen“. Der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion, Maik Brückner, setzte auf einen deutlichen rhetorischen Gegenangriff: Es stimme zwar, dass der Bundestag kein Zirkus sei, „dafür haben wir einen Clown als Kanzler“, erklärte Brückner.

Mahnung für Merz: „Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus“

„Ich möchte den Bundeskanzler daran erinnern, dass er von einer Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus spricht, die auch noch in der Bundesrepublik lange Zeit unterdrückt und kriminalisiert wurde“, mahnte derweil der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), Andre Lehmann, im ZDF. 

Deutliche Worte wählte auch der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk auf der Plattform X. „Bundeskanzler Merz meint, da der Bundestag kein Zirkuszelt sei, gehöre dort die Regenbogenfahne nicht hin. Was für eine Entgleisung“, schrieb Kowalczuk. Die Regenbogenfahne stehe für die Unteilbarkeit der Menschenrechte – Merz habe sie nun jedoch zum „Clowns- und Freaksymbol“ erklärt, schrieb der Historiker weiter. (mit dpa)