Paul Pauli schließt sein „Haus der Hüte“. Damit ist Bad Münstereifel um ein inhabergeführtes Fachgeschäft ärmer.
Ausverkauf nach 106 JahrenDer Bad Münstereifeler „Herr der Hüte“ wirft das Handtuch

Zwölf Jahre lang führte Paul Pauli das Fachgeschäft in dritter Generation. Doch zum Jahreswechsel ist Schluss.
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Ein weiteres inhabergeführtes Einzelhandelsfachgeschäft in der Bad Münstereifeler Innenstadt gibt auf: Paul Pauli schließt zum Jahreswechsel sein „Haus der Hüte“. Das Ende für das Traditionsgeschäft kommt nach 106 Jahren. Marion Schulz bedauert das sehr und wirkt geradezu konsterniert: „Das ist aber schade. Wo sollen wir denn dann unsere Kappen kaufen?“ Die Kommenerin steht gerade mit Ehemann und Sohn im „Haus der Hüte“.
Für den Junior soll es eine Base-Cap sein, bitte keine Billigware, und da ist sie im Laden von Paul Pauli genau richtig. Es wird anprobiert, dann entscheidet man sich für ein schwarzes Exemplar. Doch das Hutgeschäft wird es nicht mehr lange geben. „Ich schließe zum Jahresende“, berichtet Pauli. Es ist das Ende einer seit 106 Jahren zu Bad Münstereifels Einzelhandelsfamilie gehörenden Institution.
Selbst die Stammkunden von Paul Pauli sind noch nicht informiert
„Wirklich schade“, wiederholt Marion Schulz, die von der Nachricht überrascht wird. Bisher hat Pauli noch nicht einmal seine Stammkunden von den Plänen, das Fachgeschäft aufzugeben, informiert. Die Entscheidung stehe aber seit einigen Monaten fest, so der 66-jährige Ladeninhaber. Und dafür gebe es mehrere Gründe. Er will zwar nicht weiter darüber sprechen, aber gesundheitliche Probleme spielen wohl auch eine Rolle.
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Auch die Fassade des Geschäfts ist eindrucksvoll. Innen wurde nach der Flut alles runderneuert.
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Den „Hut-Weiter“ von der Oma will Paul Pauli behalten.
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Anderes kommt dazu. Er arbeite zum einen in einem reinen Nischenmarkt, so Pauli. Riesenumsätze lassen sich mit Hüten und Kappen in Zeiten des Onlinehandels und der Dauer-Rabatte nicht erzielen. Erst recht nicht mit dem auf Qualität setzenden Einzelhandelskonzept, wie es Pauli vor zwölf Jahren von seiner Mutter übernommen hat. Sie hatte ihrerseits fortgeführt, was Paulis Oma 1919 mit der Eröffnung des Fachgeschäftes an anderer Adresse, etwas weiter stadteinwärts, begonnen hatte.
Bei der Flut stand auch das „Haus der Hüte“ unter Wasser
Paul Pauli hatte aber schon vor sechs Jahren anlässlich des 100-jährigen Bestehens des „Hauses der Hüte“ angedeutet, wie er die Zukunft einschätzt: „Müsste ich für das Ladenlokal Pacht bezahlen und auch noch das Personal, wäre der Laden schon lange zu. Das geht nur, weil mir das Haus und der Laden gehören und ich es alleine führe.“ Ein bisschen Tragik schwingt dennoch mit. Pauli hatte gerade noch den Super-GAU für sein „Haus der Hüte“ erfolgreich überstanden.
Bei der Juliflut 2021, die für die Innenstadt von Bad Münstereifel verheerende Folgen hatte, stand auch in seinem Ladenlokal das Wasser 1,70 Meter hoch. Das Hutlager im Keller und ein kleines Tonstudio des Hobbymusikers im hinteren Teil des Gebäudes waren zerstört worden. Danach mussten im Erdgeschoss des mehrere Hundert Jahre alten Häuschens in der Reihenbebauung alle Böden und Wände, Heizung, Elektrik, die gesamte Inneneinrichtung und das komplette Warenangebot erneuert beziehungsweise neu bestellt werden.
Ich habe viele Spenden bekommen.
Die Versicherung habe nicht gezahlt, aber er habe dennoch Glück im Unglück gehabt, so Pauli dankbar im Rückblick. „Ich habe viele Spenden bekommen.“ Freunde und Bekannte hätten geholfen. Von einem Schwager etwa, der Apotheker ist, erhielt er Apotheker-Schubladenschränke für Kappen, Handschuhe und mehr. Pauli eröffnete neu. Doch es war ein kurzer Neustart. Es bleibt ja auch jetzt leider dabei: Qualität in Material, Verarbeitung, Aussehen und von Markenherstellern, wie sie Pauli anbietet, ist kein Massenprodukt.
Ein originaler Stetson aus den USA, eine Flat-Cap in handgewebter Tweed-Wolle von den Hebriden, wie sie Pauli selbst seit jeher als Markenzeichen trägt, der Elbsegler und die Prinz-Heinrich-Mütze, Schute und Porkpie, zeitlos elegante, asymmetrisch geschnittene 20er-Jahre-Hüte für die Dame oder Fedora und Panama-Hut für den Herrn – das alles hat seinen Preis. Dazu kommt: Eine vierte Inhabergeneration für das „Haus der Hüte“ wird es nicht geben. Paulis Kinder haben sich schon lange für eigene Berufswege entschieden: Die Tochter wird Redakteurin bei einem großen Zeitungsverlag in Düsseldorf, der Sohn will Archäologe werden.
Beides denkbar weit entfernt von einem Job in einem Verkaufsladen. Darin befindet sich noch der „Hut-Weiter“ von der Oma, die eine Hutmacherwerkstatt hatte. Mit dem Gerät kann man Nichtpassendes für den Kopf passend machen. „Den Weihnachtsmarkt hier in Münstereifel nehme ich noch mit“, berichtet Paul Pauli, Anfang Januar beginne dann der Ausverkauf. Das freut die Schnäppchenjäger, von denen der eine oder andere eine Träne im Knopfloch tragen dürfte.
Was dann aus dem kleinen Ladenlokal hinter der schönen, holzgerahmten Schaufensterfassade wird? Es ist innen schließlich alles runderneuert. Nicht ganz ausgeschlossen, dass sich ein Interessent findet, der die Chance für ein kleines Spezialgeschäft nutzen will. Sonst bleibt nur der Leerstand. Paul Pauli wird über dem Ladenlokal wohnen bleiben, so oder so, das stehe für ihn außer Frage, so der Herr im „Haus der Hüte“. Das alles, meint er nur, mache ihn „schon ein bisschen melancholisch“. Den „Weiter“ von der Oma will er am Ende aber vielleicht doch behalten.

