Ein Jahr nach der FusionErste Bilanz der neuen e-regio im Kreis Euskirchen

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Vor einem Jahr eine bedeutsame Frage: Wer arbeitet bei der e-regio künftig wo? Hier der Standort Kuchenheim. Die Corona-Pandemie lieferte die Antwort: die halbe Belegschaft ist im Home-Office.

Vor einem Jahr eine bedeutsame Frage: Wer arbeitet bei der e-regio künftig wo? Hier der Standort Kuchenheim. Die Corona-Pandemie lieferte die Antwort: die halbe Belegschaft ist im Home-Office.

Kreis Euskirchen – Vor einem Jahr haben sich die e-regio in Kuchenheim und die ene in Kall zusammengeschlossen. Anlass für die Redaktion, mit den beiden Geschäftsführern Markus Böhm und Stefan Dott eine erste Bilanz dieses Jahres zu ziehen.

Die Corona-Pandemie stellt viele Wirtschaftsunternehmen vor gravierende, oft existenzielle Probleme. Doch manchmal beschert die Misere sogar Lösungen. Als sich die beiden Energieversorger e-regio und ene nach zweieinhalb Jahren Vorbereitung im Oktober 2019 zur neuen e-regio zusammenschlossen, stand auf der Agenda die Aufgabe, zwei unterschiedliche, gewachsene Unternehmenskulturen zusammenzuführen. Dazu gehörte auch die keineswegs triviale Frage, wie die 400 Arbeitsplätze und Aufgaben so verteilt werden, dass keiner der beiden Standorte in Kuchenheim und Kall zu kurz kommt.

Ein Standortkonzept wurde entwickelt. Geschäftsführer Stefan Dott: „Im ersten Halbjahr wollten wir die Frage beantworten: Wer arbeitet künftig wo? Wir haben auch überlegt, ob man nicht mal ein Konzept für mobiles Arbeiten aufsetzen sollte.“ Er lacht gequält: „Dann kam Corona! Bald darauf haben wir uns die Frage gestellt, wer denn überhaupt noch wo sitzt, weil... die Leute waren ja alle zu Hause.“

Wie ist die Firma mit der Pandemie umgegangen?

Mit dem Betriebsrat sei mobiles Arbeiten vereinbart worden. Nach dem Shutdown im Frühjahr und dem Sommer sei klargewesen: Der Weg würde nicht in die alte Arbeitswelt zurückführen. Ein Großteil der Mitarbeiter arbeitete zu Hause. Es wurde rotiert, Doppelbüros waren einfach besetzt. Fortan sei es darum gegangen, aus den Erfahrungen ein neues Arbeitskonzept zu entwickeln. Markus Böhm: „Das hat funktioniert. Da tut man sich schwer zu sagen, wir haben jetzt den Tag X und machen die Rolle rückwärts.“

Welche Konsequenzen zieht das Unternehmen aus den gemachten Erfahrungen?

Das Standortkonzept erhielt kurzerhand einen neuen Namen: „Arbeitswelt der Zukunft.“ Jetzt gehe es darum, das, was aus der Not entstanden sei, weiterzuentwickeln. Dott: „Wir haben überlegt, was können wir aus der Krise lernen? Und haben erkannt: Es wird nie mehr so wie vorher werden. Daher haben wir sehr konsequent die Chance der Krise genutzt.“ Das Feedback der Mitarbeiter zu Gleitzeit und mobilem Arbeiten sei durchaus positiv. Und die Zufriedenheit der Belegschaft sei ein wichtiger Bestandteil der künftigen Unternehmenskultur. Aber auch die Effektivität sei dadurch gestiegen. Beispiele dafür? Teilweise fielen Wege weg, Online-Meetings verliefen oft strukturierter als große Runden. Interessanterweise habe man die Werkzeuge dazu schon vorher gehabt, allerdings nicht genutzt.

Sind seit dem Ausscheiden von Christian Metze aus der Geschäftsführung am 1. Juli nun im Tandem unterwegs: Markus Böhm (l.) und Stefan Dott leiten die e-regio.

Sind seit dem Ausscheiden von Christian Metze aus der Geschäftsführung am 1. Juli nun im Tandem unterwegs: Markus Böhm (l.) und Stefan Dott leiten die e-regio.

Aber nicht alles sei in Videokonferenzen zu machen. Und es gebe auch Mitarbeiter, die den Rahmen eines Büros und den persönlichen Austausch brauchten. Dott: „Natürlich gibt es auch Risiken. Hier kommen zum Teil neue Mitarbeiter rein, die haben ihre Kollegen noch nie gesehen.“

Sind die bei der Fusion gesteckten Ziele im ersten Jahr erreicht worden?

Das erste Jahr war aus Sicht der beiden Geschäftsführer Stefan Dott und Markus Böhm geprägt durch die Fragestellung: Wo will man gemeinsam hin? Wie nutzt man die Chancen der Fusion? Die sei ja nicht in einer Notsituation erfolgt, um etwa Arbeitsplätze durch Synergien abzubauen. Sie ziele darauf ab, dass zwei Firmen mit einem breiten Leistungsspektrum und sich ergänzenden Geschäftsbereichen zusammenkommen, um den Kunden ein umfassenderes Angebot zur Verfügung zu stellen und angesichts des harten Wettbewerbs auf dem Energiemarkt gemeinsam stärker zu werden.

Die Geschäftsausrichtung der neuen e-regio basiert auf drei Säulen: Regionalität, Nachhaltigkeit und Technologie. Oder, wie Dott proklamiert: „Die e-regio ist ein Unternehmen in der Region, dass nachhaltige Energie mit Hilfe von Technologie voranbringt.“ Der plakativen Botschaft „Wechsel von mir egal auf regional“, die den Kunden und der Region in einer Marketingkampagne die Bedeutung regionaler Wertschöpfung näher bringen sollte, hätte es vielleicht gar nicht bedurft. Die regionale Verankerung der Firma, so die Erkenntnis aus einer Kundenbefragung, wird schon durch die Historie der beiden früheren Firmen wahrgenommen.

Rückblick in den April: Pressekonferenz der e-regio-Geschäftsleitung, aber nur per Video.

Rückblick in den April: Pressekonferenz der e-regio-Geschäftsleitung, aber nur per Video.

So wird auch die e-regio als Unternehmen eingestuft, das man kennt und einschätzen kann. Weniger deutlich in den Köpfen der Leute angekommen ist man bisher mit den Bereichen Nachhaltigkeit und Innovation. Das soll sich noch ändern. „Daran arbeiten wir“, sagen die Geschäftsführer. Denn über der strategischen Landkarte des Unternehmens, die sich geografisch über 19 Kommunen mit insgesamt 385 000 Einwohnern erstreckt, steht ein erklärtes Ziel: Wachstum. Mit Discounterpreisen kann der Versorger das nicht erreichen.

Wie ist das Unternehmen personell aufgestellt?

Die Zahl der Mitarbeiter ist seit der Fusion am 1. Oktober von 397 auf aktuell 411 gestiegen. Darunter sind aktuell 40 Auszubildende. Dass es auf dem qualifizierten Arbeitsmarkt enger wird, merkt man auch bei der e-regio. Auch wenn man feststelle, dass die Attraktivität der e-regio als Arbeitgeber in der Region gestiegen sei: Ab einer gewissen Qualifikation sei es schwieriger geworden, Mitarbeiter zu finden. Das gelte vor allem – aber nicht nur – für den technischen Bereich. Im handwerklichen Bereich sei es früher so gewesen, dass die Leute im Handwerk ihren Beruf erlernt hätten und dann in die Industrie gegangen seien, sagt Böhm. Das sei heute anders. Das Handwerk sei auch bei der Bezahlung konkurrenzfähig zum Industriebetrieb. Daher bilde die e-regio an beiden Standorten auf hoher Basis aus. Im kommenden Jahr werden es 20 neue Auszubildende sein.

Hat Corona die wirtschaftliche Situation der e-regio verschlechtert?

Man habe Mengenrückgänge verzeichnen müssen, weil in Firmen Produktionen heruntergefahren wurden. Das drücke schon aufs Betriebsergebnis. „Das größte Risiko, liegt aber noch vor uns“, sagt Stefan Dott. Es sei das Insolvenzrisiko von Gewerbetreibenden und Firmen. Dies sei trotz staatlicher Hilfen ein schwelendes Risiko, auch wenn die Insolvenzwelle, von der man ständig spreche, bislang nicht eingetreten sei.

Gab’s auch positive Entwicklungen in der Corona-Krise, etwa weil Leute Zeit hatten, sich um regenerativer Energien am Eigenheim zu widmen?

„Wir hatten jetzt nicht so eine Welle wie etwa die Baumärkte, weil die Leute zu Hause waren und ihre Gärten und Wohnungen renoviert haben“, sagt Böhm: „Das ist eher ein corona-unabhängiger Trend in Richtung Nachhaltigkeit.“ Neben der Photovoltaik habe auch das Thema E-Mobilität kräftig Fahrt aufgenommen. Das merke man an der gestiegener Nachfrage an privater und gewerblicher Ladeinfrastruktur. Die e-regio hat weniger die öffentlichen Stromzapfsäulen im Blick, die im ländlichen Bereich eine geringere Rolle spielen als in der Stadt.

Das Geschäftsjahr

Im Geschäftsjahr 2019 (die Fusion erfolgte rückwirkend zum 1. Januar 2019) erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 360 Millionen Euro. Im gleichen Zeitraum beliefen sich die Investitionen in der Region auf 17,7 Millionen Euro. Die beiden Geschäftsführer bezeichnen das Geschäftsjahr damit als sehr erfolgreich.

Gewachsen ist die Firma aber vor allem im Kerngeschäft: Die Zahl der Gaskunden stieg von Oktober 2019 bis Oktober um 3000 auf 85 000 Gaskunden sowie um 6000 auf 96 000 Stromkunden. Die Zahl der Wasserkunden im Versorgungsgebiet (in der Stadt Euskirchen sowie in den Gemeinden Swisttal und Alfter) blieb mit 30 000 konstant.

Die Zahl der Mitarbeiter stieg bis zum 1. Oktober 2020 um 14 auf 411 (davon 40 Auszubildende), was die Geschäftsführung mit Wachstum in neuen Geschäftsfeldern erklärt. (ch)

Interessant seien für das Unternehmen die Bereiche „Laden zu Hause“ und „Laden an der Arbeitsstelle“. Hier schaffe man Produkt- und Lösungsangebote: von der einfachen Wallbox für die Garage im Eigenheim bis hin zur komplexen Ladeinfrastruktur für eine Firmenflotte oder die Privatwagen der Mitarbeiter. Hier gebe es ja auch ein Riesenfördervolumen. Die e-regio selbst hat ein Leasingprogramm für E-Autos für Mitarbeiter aufgelegt.

Interessant sei das übrigens auch im Wohnbaubereich, sagt Böhm. Viele Kommunen planten größere Neubaugebiete. Da gehe es heute nicht nur um Wärme und Energie. Städteplaner kümmerten sich auch um die E-Mobilität mit der Ladeinfrastruktur und Quartiersmobilität. Das passt perfekt ins Firmenkonzept der e-regio: vom Anbieter für Strom und Gas zum Rundum-Lösungsanbieter.

Wie sieht’s denn beim Gasverkauf aus?

Bei Hausanschlüssen für Gas geht der Trend der letzten beiden Jahre hin zu einer deutlichen Zunahme in der Netzverdichtung. Eine Rolle spiele ganz sicher, das vielfach eine Sanierung der Heizung anstehe und durch politische Entscheidungen ab 2026 nur noch in Ausnahmefällen Ölheizungen eingebaut werden dürfen. Wobei ein flächendeckender Ausbau des Gasnetzes aus Sicht der Firma unrealistisch, da unbezahlbar ist.

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Sehr wohl beschäftigt man sich aber mit der Zukunft der Gasnetzinfrastruktur. Etwa mit der Frage: Kann man eine bestehende Erdgas-Infrastruktur auch für Wasserstoff, etwa durch Beimischung oder sogar als Ersatz, nutzen? Das sei kein Thema für heute und morgen, aber im Hinblick auf die nationale Wasserstoffstrategie für die Zukunft.

Windenergie, ein heißes Thema für die e-regio?

„Dass wir hier in der Region einen Zielkonflikt haben, ist klar“, sagt Böhm. „Um Anlagen wirtschaftlich zu betreiben, wachsen die halt in der Höhe. Und die Akzeptanz der Bevölkerung nimmt ab.“ Es gebe aber Potenziale für vernünftige Lösungen. „Wo wir unterwegs sind in der Region, arbeiten wir mit den Kommunen zusammen und versuchen, die Bevölkerung mit ins Boot zu nehmen. Wir haben Projekte in der Pipeline. Man muss halt schauen. Nicht um jeden Preis.“

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