Hochwasserschutz in EuskirchenBürgermeister unternimmt Bildungsreise in den Osten

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Mit solchen Toren soll die Stadt Grimma im Falle eines Hochwassers geschützt werden. Eine Option für Euskirchen?

Mit solchen Toren soll die Stadt Grimma im Falle eines Hochwassers geschützt werden. Eine Option für Euskirchen?

Euskirchen – Eine historische Hochwassermarke hier, ein Damm samt Retentionsfläche dort. Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt hat aus seinem Urlaub eine Bildungsreise in Sachen Hochwasserschutz gemacht. Der Verwaltungschef reiste zehn Tage durch den Osten Deutschlands – von Bautzen bis Grimma.

Ideen durch Modellprojekte von hochwasserbetroffenen Regionen

Er besuchte Regionen, die von den verheerenden Hochwassern 1997, 2002 und 2013 betroffen waren. Reichelt führte Gespräche mit Experten, schaute sich Modellprojekte an und sammelte viele Ideen, wie auch Euskirchen besser vor Wassermassen geschützt werden kann. Wohlwissend, dass ein Ereignis wie das vom 14. Juli auch den besten technischen Hochwasserschutz aushebeln würde. Insgesamt tauschte er sich mit fünf Bürgermeistern und einer stellvertretenden Landrätin aus. „Wir haben uns intensiv unterhalten und sind teilweise tief ins Detail gegangen“, sagt Reichelt im Gespräch mit dieser Zeitung.

Ein Projekt wie in sächsischen Grimma ist für Euskirchen aber aus mehreren Gründen eher undenkbar. Die 28 000-Einwohner-Stadt wurde 2002 und 2013 vom Hochwasser der Mulde stark in Mitleidenschaft gezogen. 2019 ist eine Hochwasserschutz-Anlage, beispielsweise mit überdimensionalen, verschließbaren Metalltoren und einem meterhohen Mauerring, für etwa 60 Millionen Euro in Betrieb genommen worden. „Abgesehen von den Kosten bringt so ein Schutz nur eine Verlagerung des Problems, weil die Dörfer dahinter nicht geschützt werden“, so Reichelt. Für ihn seien Retentionsflächen und Hochwasser-Rückhaltebecken deutlich nachhaltiger und das Mittel der Wahl.

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

„Wir brauchen vor der Stadt möglichst viele Fläche, um das Wasser rauszuhalten“, sagt der Verwaltungschef, der dafür auch schon zwei konkrete Bereiche im Blick hat: an der Tuchfabrik Ruhr-Lückerath und beim geplanten Solarpark vor Wißkirchen. Letztgenannter ist zwischen der Burg Veynau und Wißkirchen geplant. Man sei an den möglichen Betreiber bereits herangetreten, so Reichelt.

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Denkbar sei, so der Euskirchener Verwaltungschef, die Solarmodule einfach etwas höher zu stellen. Gleichzeitig könnte der Bereich durch Erdaushub gesenkt werden. „Dadurch würde eine Fläche für etwa 100 000 Kubikmeter Wasser entstehen – wenn man das Areal nur einen Meter absenken würde“, so Reichelt. An der Alten Tuchfabrik könnte man mit Erdwällen arbeiten, um eine weitere Retentionsfläche zu schaffen.

Zudem habe er sich in seinem Urlaub intensiv mit der Möglichkeit befasst, wie der Durchfluss von Bachläufen verringert werden könnte. Entsprechende Beispiele habe er in Flöha gesehen. Dort sei auch vielerorts mit Dämmen und künstlich geschaffenen Topographien gearbeitet worden, um Hochwasserschutz zu generieren. Was er zudem aus Sachsen mitgenommen habe: Die Behördenstrukturen seien deutlich besser. In Sachsen gebe es die Landestalsperrenverwaltung, die sich um den Hochwasserschutz kümmere. Das war’s. Hier bei uns seien das Land, die Bezirksregierung und beispielsweise der Wasserverband integriert. „Und dann wird noch eine Koordinierungsstelle geschaffen. Die koordiniert dann die Koordination“, so Reichelt, der die interkommunale Zusammenarbeit, inklusive des Kreises, beim Thema Hochwasserschutz lobt.

Auf die Idee in den Osten zu fahren, habe ihn Fritz Jaeckel gebracht. Der ist aktuell beim Land NRW Beauftragter für den Wiederaufbau in den Flutgebieten. Über entsprechendes Wissen verfügt Jaeckel, schließlich leitete er nach dem Juni-Hochwasser 2013 auch den Wiederaufbaustab in der sächsischen Staatskanzlei. Auch an der Bewältigung der Folgen des Hochwassers im August 2002 wirkte Jaeckel in leitender Funktion in der sächsischen Staatskanzlei mit.

Roitzheimer Sportplatz ist Geschichte

Die Brücken, die in Stotzheim, Roitzheim und in der Erftaue wieder aufgebaut werden müssen, sollen laut Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt für ein sogenanntes HQ100 dimensioniert werden. Mit einem HQ100 bezeichnen Experten einen Hochwasserabfluss, der im statistischen Mittel einmal in 100 Jahren erreicht oder überschritten wird. Die Stadt wird nach Rücksprache mit dem Erftverband aber noch eine Schippe drauflegen. „Wir kalkulieren 15 Prozent mehr ein, damit die Durchflussmenge noch ein bisschen größer wird“, so Reichelt.

Zudem steht laut Verwaltungschef fest, dass der Roitzheimer Sportplatz an seiner bisherigen Stelle an der Libellenstraße nicht wieder aufgebaut wird. Der Bereich soll in Rücksprache mit dem Erftverband für eine Rückhaltefläche genutzt werden. Ob in diesem Bereich der Lauf der Erft verändert wird, steht noch nicht fest. (tom)

Reichelt hat fürs Stadtgebiet Euskirchen drei Bereiche ausgemacht, die beim Hochwasserschutz in den Blick genommen werden müssen: die Erft, den Veybach und die Steinbachtalsperre. Letztgenannte sei für den Bereich rund um Schweinheim „das wichtigste Hochwasserschutzprojekt“.

Mit Blick auf die Zukunft hat der Euskirchener Bürgermeister die Befürchtung, dass mit der Zeit der Fokus verschwindet. „Ich mache mir Sorgen, dass nach der Landtagswahl Dampf verloren geht. Wir müssen an dem Thema dranbleiben“, sagt er. Man brauche gerade mit Blick auf die Finanzierung die Rückendeckung des Landes.

Doch Reichelt will auch in den eigenen Reihen dafür sorgen, dass das Thema im Bewusstsein bleibt. „Wenn man überhaupt nichts an der Versiegelungspolitik ändert, ist das ein falsches Zeichen“, so Reichelt. Er sei „ganz klar dafür, dass weiter gebaut wird“. Aber ohne jegliche Veränderungen zu bauen, halte er für schwierig. So müsse allein schon über die Bebauung von Erdgeschossflächen nachgedacht werden. In Hochwasserbereichen könnte im Erdgeschoss kein Wohnbereich mehr sein. Einen solchen Vorschlag hatte die Verwaltung jüngst für ein Bauprojekt im Bereich Mühlenstraße/An der Flutsch gemacht.

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