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Bahnhof in Kall-UrftMit Muskelkraft durch den Dienst

Lesezeit 3 Minuten

230 Reisende steigen in Urft im Schnitt täglich ein und aus.

Kall-Urft – Das graue Telefon klingelt. „Hier Urft“, spricht Anna Maria Steffens, Fahrdienstleiterin der Deutschen Bahn, in den Telefonhörer. Dann hört sie nur noch aufmerksam zu.

In diesen Momenten hat sie telefonischen Kontakt zu ihren Kollegen aus Kall und Gerolstein. Die tatsächlichen Abfahrtszeiten der Züge auf der Strecke Köln-Trier werden jedes Mal persönlich durchgegeben. Sobald die Züge bestimmte Punkte erreicht haben, etwa in Sötenich das Kalkwerk, steht Anna Maria Steffens auf und dreht an einer Kurbel im Innenbereich des Bahnhofsgebäudes.

Damit schließt sie die Schranke mitten in Urft. Andere Schranken schließen automatisch, sobald ein Zug einen bestimmten Kontaktpunkt an den Schienen überfährt. Regelmäßig trägt die Fahrdienstleiterin alle Zeiten und eventuelle Besonderheiten in das große Zugmeldebuch ein, das vor ihr liegt.

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Die 55-Jährige arbeitet im Bahnhofsgebäude in Urft, dabei handelt es sich um eine kleine Station mit historisch anmutender Ausstattung. Das Interieur des Bahnhofgebäudes stammt aus den 1950er Jahren. Schwere Eisenteile, teilweise versehen mit massiven Holzgriffen, werden auch heute noch von den insgesamt drei ständigen Kräften und von diversen „Springern“ nach alter Methode von Hand und mit Muskelkraft bedient. Auf diese Art ertönen Signale, zudem heben und senken sich Schranken.

Ähnliche Arbeitsplätze, wie der, den Anna Maria Steffens noch hat, gab es bis vor zwei Jahren auch in Nettersheim, Schmidtheim und Blankenheim. Inzwischen läuft dort alles vollautomatisch ab. Menschen werden dort nicht mehr benötigt. In Urft müssen heute die Weichen von den Fahrdienstleitern nicht mehr per Hand gestellt werden.

Diese vor allem im Winter knochenharte Arbeit wird inzwischen automatisch abgewickelt. Auch der Fahrkartenschalter ist nicht mehr mit Personen besetzt. Dafür gibt es jetzt einen Fahrkartenautomaten. Was Anna Maria Steffens ein wenig bedauert. Sie sagt: „Seit 1983 arbeite ich im Urfter Bahnhof, und der direkte Kontakt zu den Fahrgästen war mir immer sehr wichtig und hat mir auch sehr gut getan.“

41 Züge pro Tag

1974 startete die Rescheiderin ihre Ausbildung bei der Bahn, damals noch in Schleiden.

In Urft passieren aktuell pro Werktag 41 Züge den Bahnhof, im Schnitt steigen täglich 230 Reisende ein und aus. Zum Jahreswechsel soll die Anzahl der Züge erhöht, die Fahrtzeit zwischen Urft und Köln deutlich verkürzt werden.

Steffens: „Die Kunden, die hier an meinem Fenster vorbeigehen und die ich kenne, die grüße ich immer noch.“ Gearbeitet wird im Bahnhof Urft im Schichtdienst. Da auch die Wochenenden besetzt werden müssen, geht die verheiratete Familienmutter an zwei Wochenenden im Monat arbeiten.

Das fällt nicht immer leicht. „In der Familie spielt sich vieles am Wochenende ab, da bin ich dann nicht da. Einiges muss daher immer speziell abgesprochen und organisiert werden“, sagt Steffens.

Schichtdienst birgt Probleme

Der Schichtdienst birgt Probleme, zieht Schlafstörungen nach sich. Doch trotz aller Hürden ist die Fahrdienstleiterin mit ihrer Arbeit sehr zufrieden. Gespannt wartet sie auf den Umbau, der am Bahnhofsgebäude in Urft geplant ist. Das dreigeteilte Gebäude gehört seit einigen Jahren der Gemeinde Kall, nur der mittlere Trakt wird noch an die Bahn vermietet.

Einer der Flügel wird von der Urfter Maijugend als Abstellschuppen verwendet. In der Bahnhofshalle soll bald der inzwischen geschlossene Fahrkartenschalter zugemauert werden. Vorgesehen ist außerdem die Sanierung der sanitären Anlagen.

Das ganze Bahnhofsgebäude selber wurde um 1873 erbaut. Vorher stand an dieser Stelle eine Schleifmühle.

Zeitgleich mit dem Bahnhofsgebäude wurde die Bahnstrecke Kall-Jünkerath angelegt. Zunächst war das Gebäude zweistöckig. Vermutlich durch ein Feuer oder eventuell eine Explosion wurde das obere Stockwerk vor 1940 zerstört und nicht wieder aufgebaut.