Von Medikamente bis MatratzenDieter Züll aus Kall hilft jetzt auch in der Ukraine

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Mehrere Transportboxen mit Medikamenten für die Ukraine stellten Dieter Züll (l.) und Jürgen Lutsch zusammen.

Kall – Vom Fluthelfer zum Flüchtlingshelfer: Der ehemalige Kaller Dieter Züll, der seit einigen Jahren in Köln lebt, hat seinen Aufgabenbereich erweitert. Der 77-Jährige unterstützt nicht nur ehrenamtlich seit gut zehn Monaten Flutopfer im Ahrtal und im Kreis Euskirchen, sondern mittlerweile auch Menschen in der Ukraine.

Unter anderem sorgte er dafür, dass ein 15-jähriger Junge nach einer Lebertransplantation dringend benötigte Medikamente erhielt. Dabei kommt dem ehemaligen Fahrlehrer sein Netzwerk zugute, das er sich nach der Flutkatastrophe aufgebaut hat und zu dem auch einige Unternehmen und Einrichtungen aus der Region gehören.

Bereits in den 90ern ukrainische Familie kennengelernt

Vor seinem Ruhestand hatte Züll in verschiedenen Fahrschulen gearbeitet. Dadurch kam auch der Kontakt zur Ukraine zustande. „1997 habe ich in Bonn Lilie Braun kennengelernt. Sie war mit ihrem Mann Jury und den beiden Kindern in den 90er-Jahren aus der Ukraine gekommen“, erinnert sich Züll.

Er habe die Frau damals als Fahrlehrer betreut, und daraus sei später dann eine Freundschaft entstanden. Vor einigen Jahren habe er auch ihre Eltern kennengelernt: „Die Mutter ist mehr als 90 Jahre alt und lebt noch im Donbass. Sie will trotz des Krieges nicht gehen, weil sie das Grab ihres Mannes nicht verlassen will.“

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar sei der erste Hilferuf von Lilie Braun gekommen. „Ihre Neffen waren zum Militär eingezogen worden und hatten keine Schutzwesten“, berichtet der 77-Jährige. Daraufhin habe er bei verschiedenen Dienststellen von Polizei, Zoll und Bundeswehr angefragt, aber letztlich ohne Erfolg.

Auch in Militärshops im Internet sei nichts mehr zu kriegen gewesen. Züll musste einsehen, dass er in diesem Fall leider nichts machen konnte.

Medikament für 15-Jährigen aus Saporischschja

Doch schon wenige Tage später habe es die nächste Anfrage gegeben: „Einem 15-jährigen Jungen war in einem Krankenhaus in Saporischschja eine Leber transplantiert worden. Nun fehlte ein wichtiges Medikament für die Nachsorge, das der Junge 50 Tage lang nehmen musste.“

Züll wandte sich an den Kaller Apotheker Jürgen Lutsch, der sich spontan bereit erklärte, das Arzneimittel zu beschaffen. „Lilie schickt mir dann ein Foto von der Schachtel und ein handgeschriebenes DIN-A4-Rezept in ukrainischer Sprache“, erzählt der 77-Jährige. Das habe er Lutsch zukommen lassen.

„Ich habe dann eine befreundete Notärztin um Rat gefragt und das Rezept von einer meiner Mitarbeiterinnen, die Ukrainisch kann, übersetzen lassen“, erinnert sich der Apotheker. Aber erst nach der Bestellung sei klar gewesen, dass das Medikament gut 2000 Euro koste.

Den größten Teil, so Züll, habe Lutsch übernommen. Für den Rest nutzte der ehemalige Kaller, der früher einmal Zeitsoldat war, seine guten Kontakte zur Bundeswehr: „Das Luftwaffengeschwader in Nörvenich half uns mit einer Spende.“

Junge war verschwunden

Das Medikament brachte Züll dann zur Familie Braun, die mittlerweile in Bornheim-Hersel wohnt. Von dort wurde es mit einem Kurier in die Ukraine gefahren. Doch als der Fahrer in Saporischschja ankam, war der Junge weg. Der 15-Jährige war in ein Krankenhaus nach Polen verlegt worden, das das Medikament aber ebenfalls nicht vorrätig hatte.

„Zu dem Zeitpunkt bestand Lebensgefahr für den Jungen. Zum Glück ist es irgendwie gelungen, das Medikament nach Polen zu bringen.“ Nun sei der Junge auf dem Weg der Besserung, die Mutter wolle mit ihm in Polen bleiben.

Wenige Wochen später habe sich Lilie Braun wieder gemeldet: „Diesmal wurden Lebensmittel und zahlreiche Medikamente für eine Hilfsgruppe in Charkiw benötigt.“ Züll bat wieder Lutsch um Hilfe. „Ukrainer, die in Brüssel leben, hatten Geld gesammelt und davon einen Rettungswagen gekauft. Darin konnte das Material transportiert werden.“

Nadija und Sergey Kutz, Verwandte der Brauns, hätten den Wagen in Brüssel in Empfang genommen und seien mit ihm nach Hersel gefahren. Dort sei er dann mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kleidung, Decken, Haushaltschemikalien, Schutzausrüstung, Elektrogeräten und Medikamenten beladen worden. „Das Ehepaar Kutz hat die Hilfsgüter dann mit den Rettungswagen in die Ukraine gebracht.“

Möbelhaus spendete für ukrainische Kinder in Bornheim-Hersel

Auf Züll wartete da schon der nächste Auftrag: „Lilie hatte elf Verwandte und Bekannte aus der Ukraine in ihrem Haus in Hersel aufgenommen. Darunter waren auch sechs Kinder.“ Die brauchten nun Schlafmöglichkeiten in Form von Matratzen.

Auch Kinderwagen wurden benötigt. „Ich habe Kontakt mit Andreas Brucker und seiner Lebensgefährtin Melanie Frey vom Möbelhaus Brucker in Kall aufgenommen. Die haben mehrere Matratzen und zwei Kinderwagen zur Verfügung gestellt.“

Damit die Flüchtlinge ausreichend Brot und Brötchen zur Verfügung hatten, ließ Züll wieder seine Beziehungen spielen. Bäcker Tim Bergheim aus Köln spendete eine Zeit lang die Backwaren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Hilfsgruppe Eifel, in deren Namen Züll auch schon Spenden an zahlreiche Flutopfer verteilt hatte, stellte 2000 Euro für die weitere Versorgung der Flüchtlinge bereit. Züll betont, dass die Hilfsgruppe auch weiter Spenden für die Ukrainehilfe in Empfang nehme. Denn eins ist für den 77-Jährigen klar: „Es wird in Zukunft sicherlich weitere Anfragen für Hilfe geben.“

KStA abonnieren