Aus Dornröschenschlaf wach küssenIngo Pfennings löst Detlef Seif an der Spitze der Kreis-CDU ab

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Der neue Parteichef Ingo Pfennings nimmt die Glückwünsche seiner Lebensgefährtin Nicole Becker entgegen.

Der neue Parteichef Ingo Pfennings nimmt die Glückwünsche seiner Lebensgefährtin Nicole Becker entgegen.

Nach 14 Jahren ist für Detlef Seif Schluss an der Spitze der Kreis-CDU. Sein Nachfolger ist Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. CDU-Fraktion mit Spitzen gegen SPD-Landrat Markus Ramers. 

Es ist vielleicht der Satz, der den Zustand der CDU im Kreis Euskirchen am besten beschreibt. „Ja, es ist Detlef gelungen, die Partei in ruhige Gewässer zurückzuführen“, lobt Ingo Pfennings in seiner Bewerbungsrede den scheidenden Kreisparteichef Detlef Seif, um dann mit einem „aber“ seinen Griff nach dem Vorsitz zu begründen: „Wir alle haben dazu beigetragen, dass diese Fahrwasser zu ruhig wurden.“

Die Partei befinde sich in einem Dornröschenschlaf, diagnostiziert der Schleidener Bürgermeister am Freitagabend in der Kommerner Bürgerhalle vor 235 Parteikollegen und -kolleginnen, die ihn kurz darauf mit 83,6 Prozent beziehungsweise – bei Einbeziehung der 16 Enthaltungen – 77,8 Prozent zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen: mit 183 Ja- zu 36 Nein-Stimmen.

Damit bin ich sehr zufrieden.
Ingo Pfennings über sein Wahlergebnis

„Damit bin ich sehr zufrieden“, zeigt Pfennings sich erleichtert. Es war unklar, wie sein Mini-Putsch an die Spitze, die Seif nach eigenem Bekunden auch gerne noch zwei Jahre bekleidet hätte, bei den CDU-Mitgliedern ankommen würde, die gemeinhin Angriffe auf ihr Führungspersonal nicht goutieren.

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Zumal Seif kurz zuvor in einer seiner stärksten Reden als Kreisparteichef die Beinfreiheit des bevorstehenden Abgangs nutzt, um die Entwicklung der CDU seit seinem Antritt 2009 bis heute schonungslos darzustellen.

Ex-CDU-Chef Detlef Seif rechnet ab in letzter Rede

Dass die Fachpolitiker aus den Ratsfraktionen sowie die Kreisvorstandsmitglieder nur vereinzelt in den zehn Arbeitskreisen, die die Kreispartei inhaltlich auf den Stand der Dinge bringen sollen, anzutreffen seien, gefalle ihm nicht, so der Weilerswister.

Er erinnert an das „Fiasko 2009“, als man dem Irrglauben verfiel, dass die CDU auch ohne beliebte Amtsinhaber wie Günter Rosenke als Landrat und Rolf Hartmann als Blankenheimer Bürgermeister auskomme, um dann sparsamen Blickes festzustellen, dass die beiden ganz gut ohne die CDU auskommen. Mit der Langzeitfolge, dass auch nach dem Ausscheiden beider 2020 keine Christdemokraten auf die jeweiligen Posten folgten.

Seif stellt klar: „Markus Ramers ist keiner von uns!“

Womit Seif auf Rosenkes Nachfolger Markus Ramers und den Umgang der CDU mit ihm zu sprechen kommt. „Markus Ramers ist keiner von uns!“, stellt Seif klar.

Offenkundig befürchtet er, dass das noch nicht alle begriffen haben könnten. Jedenfalls erteilt er Gedankenspielen, sich als CDU bei der Wahl 2025 hinter den SPD-Landrat zu vereinen, eine klare Absage – und erhält dafür reichlich Applaus.

Neuer Parteichef Ingo Pfennings senkt das Durchschnittsalter

Dass sich die CDU nicht allzu sehr an (von Seif nicht näher definierten) Fehlern Ramers’ reibe, um in Zeiten von Corona-Krise und Flut-Katastrophe staatspolitisch das Gemeinsame zu betonen, dürfe nicht heißen, dass der Landrat in einem kritikfreien Raum nach eigenem Gusto agieren könne. Das macht dann auch wenig später Ute Stolz, Chefin der Kreistagsfraktion, sehr deutlich.

Die CDU dürfe sich nicht verzwergen, so Seif, der mit knapp 14 Jahren länger die Partei im Kreis (inklusive Altkreis Schleiden) geführt hat als jeder seiner Vorgänger. Sie besetze sieben von elf Bürgermeisterbüros im Kreis, stelle den Allgemeinen Vertreter des Landrats sowie die Mehrheiten in Räten und Kreistag, die Abgeordneten in Bund und Land und habe immerhin das Rathaus in Schleiden zurückerobert.

Superwahljahr 2025 steht bevor

Letzteres mit Ingo Pfennings, dem Prinzen, der nun die Kreis-CDU aus dem Dornröschenschlaf wach küssen soll. Mit 38 ist er 22 Jahre jünger als Seif und 23 Jahre jünger als die Kreispartei im Schnitt. Dass Seif ihm das Feld mit dem inhaltlichen Facelifting bereitet hat, will und muss er nutzen.

Denn bald schon stehen wichtige Aufgaben an: 2024 Europa-, 2025 Bundestags-, Rats-, Bürgermeister-, Kreistags- und Landratswahl. Anfang 2024 sollen die wichtigsten Kandidaten benannt und die Partei fit für die Wahlkämpfe sein.

Und da dürfe auch ruhig etwas Reibung für die notwendige Wärme sorgen. „Lassen Sie uns aufhören, Diskussionen mit Streit gleichzusetzen“, fordert Pfennings die „Großfamilie CDU“ auf und stellt einen Themen-Parteitag, Mitgliedermitwirkung und -abstimmungen, auch digital, in Aussicht, wobei er alle mitnehmen wolle: „Wir brauchen die Dynamik und Kreativität der Jugend genauso wie die Ruhe und Erfahrung der Älteren. Gemeinsam sind wir eben am stärksten.“ Dornröschen schlief 100 Jahre lang, bevor ein Prinz sie wachküsste. So viel Zeit hat die CDU im Kreis Euskirchen mitnichten.


„Diese Entscheidung fällt kein Landrat, keine Verwaltung, sondern die Politik“ – so reagiert CDU-Kreistagsfraktionschefin Ute Stolz auf den Vorstoß von Landrat Markus Ramers (SPD), Elternbeiträge für ein drittes Kitajahr zu streichen.

Die Mehrheit aus CDU, FDP und UWV habe das letzte Wort, stellt Stolz klar. Es handele sich um „Taschenspielertricks“, wenn gesagt werde, das koste den Kreis nur eine halbe Million Euro. Das gelte nur für 2023, weil die Beiträge erst ab Sommer fallen würden, ab 2024 seien es aber 1,2 Millionen Euro.

Die CDU bezweifelt, dass es sozial sei, wenn Steuerzahler die Betreuung für Besserverdienende zahlen sollten. Die Beiträge richten sich derzeit nach dem Einkommen. (sch)


Die Zahlen, die der im Herbst 2022 erstmals gewählte und nun wiedergewählte Mitgliederbeauftragte Jürgen Görlich den 235 Teilnehmern am CDU-Kreisparteitag in der Kommerner Bürgerhalle zu verkünden hatte, waren für die Partei alles andere als erfreulich. Binnen des vergangenen Jahres sank die Mitgliederzahl um 52 auf 1764.

Das ist zum größten Teil auf Todesfälle zurückzuführen, was aber auf ein weiteres Problem der Partei hindeutet: Das Durchschnittsalter liegt bei stolzen 61,33 Jahren. Relativierend ist dabei anzumerken, dass Mitglieder der Jungen Union nicht automatisch auch Mitglied der Mutterpartei sein müssen.

Aber Görlich zufolge waren auch andere Abgänge zu beklagen: zumeist wegen Unzufriedenheit mit der politischen Arbeit oder weil sich ehemalige Christdemokraten wegen der allgemeinen Kostensteigerungen den Mitgliedsbeitrag nicht mehr erlauben konnten oder wollten.

„Werben! Werben! Werben", gab Görlich daher als Parole aus. Jedes Mitglied solle versuchen, ein weiteres Mitglied zu gewinnen, damit der Kreisverband in absehbarer Zeit wieder bei 2000 plus rangiere – wobei weibliche Neumitglieder besonders gerne gesehen sein dürften.

Denn mit 1410 männlichen und 354 weiblichen Mitgliedern spiegelt der Kreisverband die Bevölkerung keineswegs wider.

Mit der Wahl von Birgit Braun-Näger als stellvertretende Vorsitzende erfüllt der CDU-Kreisverband die seit dem jüngsten Bundesparteitag verbindliche Frauenquote. Die Mechernicherin erhielt 192 Ja-Stimmen. Ebenfalls zu Stellvertretern wurden Klaus Voussem (Euskirchen, 149 Stimmen) und Andreas Winkler (Nettersheim, 160) gewählt.

Gescheitert ist hingegen der stellvertretende Kreistagsfraktionsvorsitzende Karsten Stickeler aus Weilerswist mit 72 Ja-Stimmen. Er wurde jedoch als Beisitzer gewählt. Schatzmeister bleibt der für seine Arbeit vielfach gelobte Frank Diefenbach aus Mechernich. Der Euskirchener Jürgen Görlich wurde als Mitgliederberauftragter wiedergewählt. Zum Digitalbeauftragten wählte der Parteitag Martin Finder, Ratsmitglied in Bad Münstereifel. (sch)

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