Seminar im FreilichtmuseumIn Kommern lernen Nachwuchs-Architekten den Baustoff Lehm kennen

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Eine junge Frau arbeitet am Geflecht eines Fachwerkhauses.

Zwischen den Staken aus Eichenholz bringt Architektur-Studentin Lysanne Ohn ein Geflecht aus Haselnussruten an.

Studierende der RWTH Aachen lernen beim Lehmbauseminar im Kommerner Freilichtmuseum des LVR traditionelle Bautechniken.

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe der Menschheitsgeschichte. „Lehm ist aber auch derzeit wieder absolut im Kommen“, sagt Johannes Zingsheim. Im Kommerner Freilichtmuseum ist der gelernte Maurer mitverantwortlich für die Instandhaltungsarbeiten an den Museumsgebäuden. „Und Lehm ist nicht nur bei historischen Gebäuden angesagt“, so Zingsheim weiter.

Viele Bauherren hätten auch beim Wiederaufbau in den von der Flut betroffenen Gebieten auf den uralten, natürlichen Baustoff gesetzt – speziell natürlich beim Innenausbau (siehe „Drei Vorteile des Baustoffs Lehm“).

Mehrere junge Leute tragen Lehm als Putz eines Fachwerkhauses auf.

Entspannt begutachtet Baustellen-Chef Johannes Zingsheim (r.) die Arbeit seiner studentischen Mitarbeiter. 15 angehende Architektinnen und Architekten der RWTH Aachen nehmen in diesem Jahr am Lehmbauseminar im Freilichtmuseum teil.

Die Arbeit mit Holz und Lehm macht Zingsheim sichtlich Spaß, und diese Freude will er in diesen Tagen auch einer Gruppe von 15 Studierenden der RWTH Aachen vermitteln. Unter der Leitung von Dozentin Frauke Zahl sind die angehenden Architektinnen und Architekten beim Lehmbauseminar im Freilichtmuseum dabei.

Kommern: Drei Baustellen in der Baugruppe Westerwald

„Drei Schubkarren Lehm und eine Schubkarre Sand“, ruft Zingsheim einem der Studenten zu: „Für morgen muss noch neuer Lehm zum Ausfüllen der Gefache angesetzt werden – wir haben schließlich noch einiges zu tun“, so der Handwerker: „Drei Baustellen haben wir hier in der Baugruppe Westerwald.“

In der Scheune aus Langenscheid im heutigen Rhein-Lahn-Kreis wartet jede Menge Arbeit auf die Gruppe. „Das schaffen wir in diesem Jahr aber nicht komplett“, bremst Zingsheim: „Ich habe noch ein paar Jahre bis zur Rente, da muss man sich die Arbeit gut einteilen“, erklärt der Maurer mit einem Lachen.

Eine junge Frau glättet den aufgetragenen Lehm auf einer Fachwerkwand mit der Hand.

In Handarbeit wird der Lehm aufgetragen und geglättet.

Wie bei einigen anderen Museumsgebäuden, die aus der Anfangszeit des Freilichtmuseums stammen, wurden auch die Gefache der Scheune aus dem Jahr 1586 nicht mit Holz, Lehm und Stroh gefüllt, sondern mit Hohlbausteinen ausgemauert. „Man hat durchaus das Gefühl, dass es irgendwann zur Eröffnung des Museums im Juli 1961 besonders schnell gehen musste mit dem Aufbau der historischen Gebäude“, vermutet Museumsarchitekt Volker Kirsch. „Wir haben jedenfalls schon vor einigen Jahren damit begonnen, die Gebäude mit historischen Techniken zu überarbeiten.“

Bau-Experte: „Haselnuss ist widerstandsfähiger gegen Holzwurmbefall“

An der Scheune aus dem Westerwald wurden daher jetzt die Steine aus den Gefachen neben dem Scheunentor entfernt. „Zunächst wird dann zwischen den dicken Fachwerkbalken ein Geflecht aus verschiedenen Hölzern eingebaut“, erklärt Zingsheim, der schon am zweiten Tag des Lehmbauseminars alle Vornamen seiner Mitarbeiter auf Zeit beherrscht.

Je nach Größe und Form des Gefachs werden zunächst Staken aus Eichenholz in senkrechtem oder waagerechtem Verlauf eingepasst. Im Abstand von wenigen Zentimetern werden dann kleinere Haselnussruten eingeflochten, auf die dann im nächsten Arbeitsschritt ein grobes Lehm-Stroh-Gemisch aufgetragen wird.

„Man könnte auch Weidenruten verwenden, aber Haselnuss ist widerstandsfähiger gegen Holzwurmbefall“, erklärt Zingsheim. Ein Thema, das im Spätsommer noch einmal wichtig werden wird im Freilichtmuseum, denn in mehreren Fachwerkbauten ist der Holzwurm aktiv, und die tragenden Balken müssen aufwendig saniert werden.

Museum bietet Lehmbauseminar auch für interessierte Laien an

Aber zurück zu den Lehmbauern. „Grundsätzlich ist das Lehmbauseminar auch offen für Interessierte aus der Region“, berichtet Kirsch: „Wir hatten auch einige Anfragen von Privatleuten, die sich dadurch das Wissen für Arbeiten am eigenen Fachwerkhaus verschaffen wollten.“ Aber weil das Lehmbauseminar in den vergangenen Jahren pandemiebedingt ganz ausfallen musste, habe man in diesem Jahr der RWTH Aachen den Vorzug gegeben.

„Wir arbeiten seit dem Jahr 2008 eng mit der Aachener Hochschule zusammen, und es ist ja auch wichtig, dass der Architektur-Nachwuchs Erfahrungen mit historischen Bautechniken und Baustoffen machen kann“, so Kirsch weiter.

Der Lehm muss kräftig geknetet werden. Dadurch erhöht sich die Klebekraft
Volker Kirsch, Architekt im LVR-Freilichtmuseum Kommern

Aus diesem Grund arbeiten Lysanne Ohn, Anna Thabor und Maike Jungius jetzt im Freilichtmuseum am Holzgeflecht der Westerwald-Scheune. „Das ist tatsächlich das erste Mal, dass ich mit solch traditionellen Baustoffen zu tun habe“, sagt Lysanne Ohn, die wie ihre Kommilitoninnen im sechsten Semester Architektur an der RWTH studiert. Praktische Erfahrungen hat sie bislang nur im obligatorischen Baustellenpraktikum gemacht. „Der größte Unterschied neben den Baustoffen, die Verwendung finden, ist, dass hier im Museum keine elektrischen Geräte zum Einsatz kommen“, bestätigt Anna Thabor.

Früher wurde der Baustoff Lehm mit Kuhmist vermischt

Der Lehm wird daher traditionell in einer Wanne zubereitet und mit den Füßen getreten, wobei er mit Sand und Stroh vermengt wird. „Der Lehm muss kräftig geknetet werden“, erklärt Kirsch: „Dadurch erhöht sich die Klebekraft.“

Über die richtige Zusammensetzung existieren viele Meinungen. „Früher war es üblich, dem Lehm auch Kuhmist beizumischen“, weiß Zingsheim. „Das war einerseits eine Zweitverwertung für das enthaltene Stroh, andererseits enthält Kuhdung aber auch Fettanteile, und das ist gut für die Wetterbeständigkeit des Lehmputzes.“

Während an der Scheune noch das Geflecht in den Gefachen fertiggestellt wird, sind andere Teilnehmende des Lehmbauseminars am Streckhof aus Hanf im Rhein-Sieg-Kreis bereits mit dem Auftragen der letzten, feinen Lehmschicht beschäftigt. „Die grobe Schicht haben wir bereits vor Jahren aufgebracht“, berichtet Raphael Thörmer, Hausforscher im Freilichtmuseum. „Aber das ist das Schöne an dem Baustoff: Der Untergrund wird angefeuchtet, und man kann mit dem nächsten Arbeitsschritt weitermachen.“

Auch Baustellenchef Zingsheim ist zufrieden. „Das sieht doch schon sehr gut aus“, lobt er die Arbeit der Studentinnen. Und Architekt Volker Kirsch lobt den Handwerker: „Bei so einem Seminar muss man natürlich auch Leute haben, die ihr Wissen gerne und mit so viel Freude vermitteln können. In dem Fall ist das eine echte Win-win-Situation: für die Teilnehmenden und für uns als Museum.“


Drei Vorteile des Baustoffs Lehm

  • Nachhaltigkeit: Lehm ist beliebig wiederverwendbar, ressourcenschonend und fast überall ohne lange Transportwege verfügbar. Die wärmespeichernden Eigenschaften helfen, Energiekosten einzusparen.
  • Raumklima: Lehmputze nehmen Wasserdampf auf und geben diesen wieder an die Raumluft ab. Damit regulieren sie selbstständig das Raumklima. Die relative Luftfeuchtigkeit pendelt sich zwischen 45 und 55 Prozent ein, was Schimmelbildung verhindert.
  • Einfache Verarbeitung: Da der Baustoff nicht chemisch abbindet, sondern physikalisch trocknet, ermöglicht er Handwerkern ein zeitunabhängiges und flexibles Arbeiten. (thw)
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