Armin Laschet und Tom Buhrow sprachen im Panoramasaal in Vogelsang mit Gästen über neuen und alten Antisemitismus und wie man ihm begegnen kann.
Gesellschaftliche AufgabeLaschet und Buhrow sprachen in Vogelsang über Antisemitismus

Über neuen und alten Antisemitismus tauschten sich Tom Buhrow (l.) und Armin Laschet im Panoramasaal in Vogelsang aus.
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Ein Patentrezept gegen den aus verschiedenen Strömungen sich nährenden Antisemitismus gibt es nicht. Ihn eindämmen sei letztlich eine Aufgabe für jeden Menschen in seinem jeweiligen Lebensbereich. Wichtig seien zudem eine schulische und außerschulische Bildung sowie der Appell an die Menschlichkeit. Das ist kurz gesagt das Fazit einer Veranstaltung, die am Sonntag im Panoramasaal in Vogelsang stattfand. Dort sprachen Armin Laschet und Tom Buhrow mit Gästen über neuen und alten Antisemitismus.
Vogelsang IP-Geschäftsführer Thomas Kreyes begrüßte die rund 200 Gäste und beschrieb Vogelsang als vielschichtigen Ort mit einer wechselvollen Geschichte. Vogelsang habe sich vom NS-Täterort über einen Truppenübungsplatz für Nato-Soldaten zu einem internationalen Platz im Nationalpark entwickelt. Vogelsang IP stehe für Respekt, Vielfalt und Menschenfreundlichkeit.

Über ihre Erfahrungen sprachen Elisabeth Pauel und Gabriel Folian (r.) von Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen mit Moderator Olaf Müller.
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„Schon ein Jahr nach der Machtergreifung des Nazis wurde eine solche Stätte für Menschen gebaut, die später die größten Verbrechen begangen haben“, meinte Laschet, ehemaliger NRW-Ministerpräsident und jetzt Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Tom Buhrow, der fast zwölf Jahre Intendant des WDR war, besuchte Vogelsang zum ersten Mal und meinte: „Man ist immer wieder angefasst, wie klotzig und größenwahnsinnig die NS-Architektur war.“
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Der größte Anschlag auf jüdisches Leben seit 1945
Zum Einstieg war der 7. Oktober 2023, der Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, das Thema. „Man ahnte schon an dem Tag, das wird ein Datum sein, das man nicht vergessen wird. Das war der größte Anschlag auf jüdisches Leben seit 1945.“ Trotzdem seien sich nicht alle einig gewesen bei der Einschätzung dieses verbrecherischen Akts.
In Vogelsang denke man automatisch an die Gefahr von rechts, meinte Buhrow. Beim Thema „Antisemitismus“ schaue man in Deutschland sehr starr auf die Vergangenheit und deshalb verstärkt nach rechts: „Aber es gibt neue Erscheinungsformen.“
Bei unseren Mahnwachen vor dem Aachener Dom wurden wir als Kindermörder beschimpft und die Israel-Fahne heruntergerissen.
„Der rechte Antisemitismus war immer da, auch nach 1945“, führte Laschet aus. Auch in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren habe man Synagogen mit Polizei schützen müssen. Später, rund um den Sechs-Tage-Krieg 1967, habe sich auch ein linker Antisemitismus entwickelt. „Dann gibt es auch den migrantischen Antisemitismus. Schönreden darf man das auch nicht.“
Dabei müsse man aber auch berücksichtigen, dass der Holocaust lange Zeit in keinem arabischen Land in den Schulbüchern vorkomme. Die vierte Form sei ein akademischer Antisemitismus, der aus den USA komme: „Da wird Israel als Kolonie des kapitalistischen Westens gesehen.“ Buhrow ergänzte, er habe als Kind auf die Frage, warum Jesus habe sterben müssen, zu hören bekommen: „Die Juden haben das gemacht.“
Antisemitismus in der Mitte hat exorbitant zugenommen
Der Diskussionsteil wurde moderiert von dem Autor Olaf Müller aus Düren, der die Veranstaltung auch mitorganisiert hatte. Elisabeth Paul von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen berichtete, dass sie über einige Reaktionen auf den Überfall entsetzt gewesen sei: „Im Privaten gab es viel Schweigen. Bei unseren Mahnwachen vor dem Aachener Dom wurden wir als Kindermörder beschimpft und die Israel-Fahne heruntergerissen.“
Ihr Mitstreiter Gabriel Folian erzählte, dass er jüdischen Besuchern aus Israel rate, in Aachen auf der Straße nicht Hebräisch, sondern lieber Englisch zu sprechen. Laschet war entsetzt: „Dass man so etwas Besuchern in Aachen sagen muss, ist ein Alarmzeichen.“
Prof. Dr. Birgit Jagusch von der Fachhochschule Aachen erklärte: „Nach einer neuen Studie hat der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft exorbitant zugenommen.“ Ältere Juden würden die Mesusa an ihrer Haustür abschrauben, weil sie nicht erkannt werden wollen. Die Gesellschaft als Ganzes müsse darauf eine Antwort finden.
Paul forderte, die Geschichte des Holocaust müsse den Jugendlichen vermittelt werden: „Auch deutsche Jugendliche wissen oft nicht viel davon.“ Auch für Shirley Taeter von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen ist eine gute Bildung das A und O. Dass Juden geraten werde, sich nicht zu erkennen zu geben, sei ein Problem. „Unsere große Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sich jüdische Bürger sicher fühlen können“, betonte Buhrow.

