Gastro-SzenePersonal für Küche und Service wird in Rhein-Sieg händeringend gesucht

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Laura Riedl gehört zum Mitarbeiterstab des Kulturbetriebs „Drehwerk“ in Adendorf. Hier gibt es mittlerweile zwei Ruhetage.

Rhein-Sieg-Kreis – Unter Personalmangel litt die Gastronomie bereits vor dem Ausbruch von Corona. Neun Monate Lockdown und Kurzarbeit haben die Misere verschärft. Viele Restaurants und Cafés suchen händeringend nach Verstärkung. Manche Gastwirte haben mittlerweile Konsequenzen gezogen und den Betrieb eingeschränkt.

Dazu gehört das „Drehwerk 17/19“ in Adendorf. Das von Familie Knorr geleitete Unternehmen umfasst neben einer kleinen Bühne und einem Kino auch ein Bistro. Ein derartiger Dreiklang ist nicht nur attraktiv, sondern auch personalintensiv. Das Team sucht schon länger nach neuen Mitarbeitern: Ein Koch in Vollzeit wurde nun endlich gefunden, doch Servicekräfte werden weiterhin vermisst. „Unsere Stammbelegschaft hat jahrelang gut miteinander harmoniert. Vor kurzem haben sich jedoch leider zwei Mitarbeiter neu orientiert“, sagt Alina Krieg, die für Planung und Organisation verantwortlich ist.

Das personelle Vakuum erlaubt längst keinen Sechs-Tage-Betrieb mehr, mittlerweile wurden zwei fixe Ruhetage eingeführt. Montags und dienstags bleiben Gastronomie, Kino und Bühne künftig geschlossen. Derweil geht die Fahndung nach frischen Kräften weiter. „Wir haben unsere Arbeitsbedingungen jüngst noch einmal optimiert, so dass unsere Festangestellten eine Vier-Tage-Woche haben. Damit möchten wir auch dem gestiegenen Bedürfnis nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance, die gerade in der Gastronomie häufig zu kurz kommt, entgegenkommen“, so Krieg.

„Viele Betriebe haben Teilbereiche geschlossen"

Für Mathias Johnen, den stellvertretenden Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) Nordrhein, ist das „Drehwerk“ ein typisches Beispiel: „Viele Betriebe haben Teilbereiche geschlossen, um die Situation zu bewältigen“, erklärt er. Laut einer Umfrage des Branchenverbands suchen mindestens 60 Prozent der gastgewerblichen Betriebe nach Fach- und Hilfskräften. Die Situation verlange nach „schnellen und pragmatischen Maßnahmen zur Mitarbeitergewinnung“, sagt DEHOGA-Präsident Guido Zöllick. Die Politik sei gefragt, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zügig voranzubringen. Dazu gehörten unter anderem erleichterte Zuwanderungsregeln und eine bessere Integration von Geflüchteten in den hiesigen Arbeitsmarkt.

Ute und Mario Gierlich leiten das Café Trebellii in Merten. Der Betrieb ist top ausgelastet, zumal die Gastgeber ihr Eis neuerdings selbst herstellen. Um 12 Uhr werden die Türen geöffnet, obwohl die Gierlichs ihre Gäste gerne schon morgens zum Frühstück empfangen würden. Das bleibt illusorisch, solange keine neuen Mitarbeiter gefunden sind. Mindestens zwei weitere Kräfte seien nötig, um die Öffnungszeiten auszudehnen. „Wir suchen bereits seit dem Ende des Lockdowns. Wiederholt haben sich Bewerber gemeldet, die anschließend nicht zum persönlichen Gespräch erschienen sind“, berichtet Mario Gierlich. Er hält die Suche mittlerweile für aussichtslos. Die personelle Situation im Café ist schwierig. Daher käme es auch schon mal vor, dass die Gäste auf ihren Kaffee, ihr Eis oder ihren Kuchen etwas länger warten müssten. Gierlich bittet dafür um Verständnis und Geduld. Eine Weile länger zu warten, sei allemal besser, als einen zweiten Ruhetag einzuführen. Ganz ausschließen möchte Gierlich diese Option allerdings nicht.

Aktuelle Personalsituation „katastrophal“

Auch Christine Schwarz, Chefin der „Waldschänke – Im Zuschlag“ in Witterschlick, sucht seit geraumer Zeit nach Verstärkung für ihre Küchencrew. „Im Service sind wir aktuell gut aufgestellt, aber in der Küche fehlt ein zweiter Koch oder eine Köchin“, klagt Schwarz. Die aktuelle Personalsituation in der Branche beschreibt sie als „katastrophal“. Sie müsse deshalb immer häufiger selbst in der Küche aushelfen. „Ich musste sogar auf ein Wochenende verzichten, an dem bereits mehrere Gesellschaften Tische reserviert hatten. Die enge Personaldecke verursacht schmerzhafte finanzielle Verluste“, so die Wirtin.

Kai Rohloff aus der „Waldesruh“ in Villiprott schließt, sobald das Wetter schlecht wird. Im Sommer beschränkt er den Betrieb weitgehend auf den Biergarten. Grund auch hier: die Personallage. Die Suche sowohl nach Aushilfen als auch nach gelerntem Personal im Service sei problematisch. Rohloff bleibt trotzdem gelassen: „Wir kommen dank familiärer Unterstützung gut zurecht.“

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Sergio Gomes Boto leitet das Restaurant „El Dorado“ in Bonn-Medinghoven. Auch er sucht immer wieder nach Verstärkung für Küche und Service. „Aktuell sind wir froh, ein gut eingespieltes Team zu haben. Aber es darf niemand ausfallen“, sagt der Koch. Er verfüge im Gegensatz zu früheren Zeiten über keine personelle Reserve. Die Chancen, neues Personal zu finden, seien „gleich null“. Vor allem Studierende hätten aufgrund der Lockdowns die Branche gewechselt.

„Esstisch Bonn“

Neun Gastronomiebetriebe aus der Bonner Fußgängerzone haben sich zur Interessengemeinschaft „Esstisch Bonn“ zusammengeschlossen. Zu den Mitgliedern zählen neue und alteingesessene Betriebe, privatgeführte Restaurants und Ketten. Mit ihrem Zusammenschluss möchten sie aktuelle und zukünftige Herausforderungen gemeinsam meistern, die vor allem durch die Corona-Pandemie gestiegen sind.

So ist zum Beispiel das Liefer- und To-go-Geschäft weiter auf dem Vormarsch, Gäste konsumieren vermehrt nebenbei, statt bewusst zu genießen. Es geht den kooperierenden Betrieben darum, Restaurants als Orte der Kommunikation, Begegnung und Lebensqualität wieder in den Blick zu rücken.

Initiator und Ideengeber ist Jan Lüth, Geschäftsführer des Restaurants „CassiusGarten“ in der Maximilianstraße. Die Interessengemeinschaft möchte der innerstädtischen Gastronomie eine starke Stimme geben.

Dabei soll sowohl der kollegiale Erfahrungsaustausch als auch der Dialog mit Vertretern von Stadtverwaltung, Politik und weiteren Organisationen auf- und ausgebaut werden. Zu den Mitgliedern gehören die Restaurants „Casa del Gatto“, „La Cigale“, „Hans im Glück“, „HOMEI Gyoza“, „sander“, „Sausalitos“, „Tacos“ und das Wirtshaus Salvator. Die Rheinland Tourismus GmbH betreut den Zusammenschluss und koordiniert die Marketingmaßnahmen. (msa)

Benedikt Frechen, der in Rheinbach das Restaurant „Anna Seibert“ und das „Café Zuckerstück“ leitet, ist als einer der wenigen Gastronomen zufrieden. 30 Arbeitskräfte umfasst sein Team. Frechen hat in den letzten Monaten sogar neue Mitarbeiter begrüßen können. Dazu gehören Geflüchtete aus der Ukraine, die sich bereits gut eingearbeitet haben. Das Kernteam ist seit dem Eröffnungstag vor vier Jahren zusammen. Diese Kontinuität führt er auf das positive Betriebsklima zurück. Eine faire und gute Bezahlung sei dafür elementar. „Wir haben enorm zu tun. Zuweilen arbeiten alle am Limit, dafür wird aber auch jede Überstunde gut entlohnt“, sagt Frechen.

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