Sandra von Möller„Wir brauchen die Quote“

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Leichlingen – Sie leiten gemeinsam mit Ihrem Mann die Firma Bäro in Leichlingen, ein weltweit agierendes mittelständisches Unternehmen für Beleuchtungs- und Luftreinigungstechnik. Warum sind Frauen in Führungspositionen noch immer keine Selbstverständlichkeit?

Sandra von Möller: Dafür gibt es viele Gründe und insbesondere die immer noch schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen. Denn die Grundvoraussetzung dafür sind gute Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder und zwar sowohl im Alltag als auch im Notfall – etwa, wenn ein Kind krank ist. In der U3-Betreuung hat sich in der letzten Zeit bekanntlich endlich einiges getan. Aber richtig schwierig wird es, wenn die Schule beginnt. Es gibt viel zu wenig Ganztagsbetreuung – qualitativ und quantitativ. Die Zeiten sind nicht flexibel genug und es gibt keine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung. Damit ist weder den Kindern noch den Müttern geholfen. Mir ist es auch nicht verständlich, weshalb Kinderbetreuungskosten nicht in voller Höhe steuerabzugsfähig sind.

Wäre es mit besseren Betreuungsmöglichkeiten getan?

Von Möller: Auch die Unternehmenskultur muss sich ändern. Es muss akzeptiert sein, dass Mitarbeiterinnen mit Kindern in der Regel nicht spontan oder dauerhaft über ihre vereinbarten Arbeitszeiten hinaus arbeiten oder kurzfristig Geschäftsreisen antreten können. Das darf ihnen auch nicht zum Nachteil gereichen. Außerdem sollte es selbstverständlich möglich sein, dass sich eine Mitarbeiterin frei nimmt, um beispielsweise an Schulaufführungen teilzunehmen.

Oft ist auch von der so genannten gläsernen Decke die Rede, die das weitere Vorankommen von Frauen verhindert. Können Sie das nachvollziehen?

Von Möller: Gerade in großen Konzernen gibt es sie. Das zeigt sich darin, dass die meisten Frauen spätestens auf der mittleren Management-Ebene hängen bleiben und nicht mehr weiterkommen. Dabei spielen Netzwerke eine große Rolle und wahrscheinlich netzwerken Männer untereinander leichter. Zudem verhalten sich Männer und Frauen unterschiedlich. Männer sind wettbewerbsaffiner. Sie stellen ihre guten Leistungen stärker heraus und sind fordernder. Frauen machen ihre Aufgabe gut und reden nicht darüber. Sie hoffen, dass der Vorgesetzte es erkennt und entsprechend wertschätzt – das ist jedoch oft nicht der Fall. Männer definieren sich ja auch stärker über ihren Beruf. Frauen tun das weniger. Dafür gibt es immer noch viele Frauen, die sich über ihren erfolgreichen Mann definieren.

Aber es wollen auch nicht alle Frauen Karriere machen.

Von Möller: Natürlich nicht, auch nicht alle Männer. Denn Karriere bedeutet nicht nur Gewinn, sondern auch Verzicht. Man hat zum Beispiel eindeutig weniger Freizeit.

Geht Führung auch in Teilzeit?

Von Möller: Ja, das geht. Natürlich funktioniert das nicht bei zehn Stunden Arbeit in der Woche, aber bei 30 Stunden ist das machbar. Dafür muss der Aufgabenbereich klar abgesteckt sein. In Ministerien ist das möglich. Warum dann nicht auch in der Wirtschaft?

Wie ist das bei Bäro?

Von Möller: Ein Drittel unserer Mitarbeiter sind weiblich. Manche davon arbeiten auch in Teilzeit. Eine Mitarbeiterin arbeitet fast ausschließlich von zu Hause aus. Wir versuchen, hier flexibel zu sein.

Sie sind Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens. Haben es Frauen im Mittelstand einfacher, Karriere zu machen, als in Konzernen?

Von Möller: Das vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls gibt es im Mittelstand mehr Frauen in Führungspositionen und dies sind oft die Eigentümerinnen oder Gründerinnen dieser Unternehmen. Insgesamt glaube ich schon, dass sich etwas bewegt, nur leider sehr langsam. Als ich vor Jahren bei einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mein Berufsleben begonnen habe, hieß es noch, dass es für Frauen praktisch nicht möglich sei, dort auch einmal Partner zu werden. Das ist heute anders.

Sandra von Möller ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Köln. Sie hat Jura in Freiburg und München studiert. Nach Studium und Referendariat arbeitete sie in der Steuerabteilung der

internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in Düsseldorf. Weiter berufliche Stationen machte sie als Dozentin für Steuerlehre an der Fachhochschule Köln, an der Europa Fachhochschule Fresenius und in der Konzernzentrale der Deutsche Post.

Seit 2009 ist sie Geschäftsführerin der Bäro GmbH in Leichlingen, die ihr Mann vor Jahren von deren Gründer gekauft hatte. Ihr Mandat im Kölner Rat hat die Christdemokratin in diesem Jahr zurückgegeben. (mbc)

Brauchen wir eine Quote wie sie zurzeit diskutiert wird?

Von Möller: Ja, das glaube ich. In der Politik hat es doch auch wunderbar funktioniert. Ohne die Quote würde es meiner Meinung nach nicht so viele Frauen in hohen politischen Positionen in Deutschland geben. Außerdem kann ich Frauen nur ermutigen zu arbeiten – gerade mit Blick auf unser aktuelles Scheidungsrecht. Einfach zu Hause zu bleiben nach der Geburt ist sehr verführerisch. Aber was machen die Frauen, wenn die Ehe scheitert? Da kann es ganz schnell zu Armut kommen. Nach einer längeren Pause trauen sich zudem viele Frauen nicht, wieder arbeiten zu gehen, obwohl sie qualifiziert sind. Dabei bräuchten sie einfach nur ein bisschen Mut und natürlich einen Arbeitgeber, der ihnen wieder eine Chance gibt.

Und wie geht es dann den Kindern mit ihren arbeitenden Müttern?

Von Möller: In der Regel versuchen die Frauen, trotz Berufstätigkeit zu Hause präsent zu sein. Das ist ein enormer Spagat. In der Zeit, in der die Frauen jedoch daheim sind, kümmern sie sich meist sehr intensiv um die Kinder. Für Kinder ist es bestimmt nicht immer leicht, wenn die Mutter oft nicht da ist. Gleichzeitig sind sie aber auch sehr stolz auf ihre Mütter und bekommen viele Anregungen. Berufstätige Frauen haben dennoch fast immer ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Kindern. Bei einem Mann habe ich das noch nie erlebt.

Wie wird es nach Ihrer Einschätzung weitergehen?

Von Möller: Ich glaube, viele Unternehmen werden in Zukunft gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht auf die Frauen verzichten können. Ich glaube auch, dass es sehr viele talentierte und gut ausgebildete Frauen gibt, die in der Lage sind, Führungsaufgaben zu übernehmen. Was mich jedoch ärgert: Manchmal tun wir so, als ob Kinder ein Luxus seien. Kinder sind eine Bereicherung – und für den Fortbestand unserer Gesellschaft eine selbstverständliche Voraussetzung. Dafür müssen den Frauen aber auch die entsprechenden Spielräume eingeräumt werden.

Das Gespräch führte Miriam Betancourt

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