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InnovationDas hat der Leverkusener Elektrohändler Wallraff von digitalen Preisschildern

4 min
Alexander Wallraff hält ein digitales Preisschild und ein iPad in der Hand.

Beim Elektrofachhändler Wallraff setzt man auf digitale Preisschilder. Alexander Wallraff zeigt, wie das funktioniert.

Der Fachhändler griff ein Pilotprojekt seines Einkaufsverbunds „Expert“, auf. Denn jeden Tag ändern sich bei ihm mindestens 50 Preise.  

Nein, Alexander Wallraff ist nicht unter die Tankstellen-Pächter gegangen. Die nächste Generation aus der Leverkusener Elektro-Dynastie bleibt der Branche treu. Trotzdem denkt man unwillkürlich ans Mineralöl-Gewerbe, wenn man erfährt, dass sich in seinem Wiesdorfer Geschäft jeden Tag 50 oder mehr Preise ändern.

„Eigentlich ist das noch nicht mal so viel bei rund 5000 Artikeln, die hier in den Regalen stehen“, schränkt er ein und schaut sich um. Trotzdem war der Aufwand so groß, dass es sich lohnte, über mehr Effizienz nachzudenken.

Ausdrucken, Zuschneiden, Gerät suchen

Normalerweise läuft es so, wenn sich ein Preis ändert: Im Geschäft geht eine Nachricht ein, der Artikel wird im Rechner aufgerufen, der neue Preis eingegeben, das neue Schild ausgedruckt und zugeschnitten. Dann sucht der Verkäufer oder die Verkäuferin das Gerät im Laden, pult das alte Schild aus dem Aufsteller, fummelt das neue hinein. „Und so läuft es ja nur, wenn kein Fehler passiert“, schränkt Alexander Wallraff ein. Aber auch das „dauerte mindestens sieben Minuten, jedes Mal“.

Auch in seiner rund 30-köpfigen Belegschaft war das bei weitem nicht der begehrteste Teil des Jobs, sagt der Geschäftsführer: „Das war schon eine eher ungeliebte Aufgabe.“ Dazu kommt der Materialaufwand für Drucken, das Papier, das Einpflegen ins Warenwirtschaftssystem. Einen Chef, der gerade erst seit 2020 in der Verantwortung steht, stört so etwas.

Das war schon eine eher ungeliebte Aufgabe
Alexander Wallraff über das Austauschen von Preisschildern

Deshalb habe ihn ein Pilotprojekt seines Einkaufsverbunds „Expert“ auch gleich angefixt, sagt Wallraff. Der wollte digitale Preisschilder testen, auf denen sich die Zahlen von selbst ändern, wenn man in der Datenbank neue Werte einträgt. Selbst von nahem sind die digitalen von den analogen Schildern nicht zu unterscheiden: Sie stehen ebenso in Plexiglas-Aufstellern, der Preis wird ergänzt durch die üblichen Angaben zum Produkt und zur Energieeffizienz-Klasse. Daneben sieht man noch einen QR-Code, den man auch mit dem eigenen Smartphone scannen kann, um an ergänzende Informationen zu kommen.

Auch im Online-Shop ändert sich der Preis

Dass das Schild tatsächlich „lebt“, macht Wallraff dann vor. Er schwenkt ein kleines iPad, gibt einen anderen Preis ein – und kurz darauf erscheint der auch auf dem Schild. Der Flachbild-Fernseher ist gerade ein bisschen teurer geworden, natürlich nur zu Demonstrationszwecken. Schöner Nebeneffekt: Der neue Preis läuft gleichzeitig im Online-Shop von Wallraff ein, dem zweiten, immer wichtigeren Vertriebskanal. Auch das ging im analogen Zeitalter nicht.

Dass im riesigen „Expert“-Verbund gerade Wallraff unter die Tester für die digitalen Preisschilder gekommen ist, erkläre sich auch aus der Versuchsanordnung: Wallraff betreibt nur ein Geschäft – der Elektro-Großhandel in Opladen ist der andere, größere Teil des Unternehmens –, sodass man bei technischen Problemen keinen Domino-Effekt an mehreren Standorten befürchten musste. Allerdings habe es in der Testphase kaum Pannen gegeben, erinnert sich Wallraff.

Ein Förderprogramm half

Dazu kam: In der Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns habe man sich mit dem Experiment auch leichter getan. Dass so ein neues technisches System erhebliche Investitionen erfordert, habe ihn nur kurz zögern lassen. Zumal sich Wallraff erfolgreich um Fördergeld aus einem Mittelstandsprogramm der Bundesregierung bewarb. „Aus diesem Topf kamen 50 Prozent der Summe“, berichtet Benjamin Schulz. Der Wirtschaftsförderer mit Schwerpunkt Digitalisierung hat Wallraff auf seinem Weg begleitet. Und mit Genugtuung aufgenommen, dass Wallraff vorigen Mai vom Mittelstandsverbund der Kreativpreis verliehen wurde.

Die schlauen Preisschilder ersparen aber nicht nur Arbeitsgänge, Material und schließen Fehlerquellen. Sie bieten auch weitere Möglichkeiten. Alexander Wallraff sieht in dem zugrundeliegenden Datensatz auch die Möglichkeit, in Zukunft die Inventur komplett digital abzuwickeln. Das würde es ihm ersparen, das Geschäft für einen Tag zu schließen. Das ist Zukunftsmusik. Für die hat der Fachhändler ein feines Ohr.

Unter den Kollegen haben sich die positiven Erfahrungen mit den digitalen Preisschildern längst herumgesprochen. Inzwischen hätten rund 100 der 400 Elektronik-Händler im „Expert“-Verbund das System eingeführt, berichtet Wallraff.

Freilich hat er das digitalisierte Preissystem auch eingeführt, um seine Berater von lästiger und im Grunde stumpfsinniger Arbeit zu befreien. Die Corona-Zwangspause habe er außerdem für Weiterbildungen im Haus genutzt. Und auf die Abwanderung der Kunden ins Netz reagiert, indem er die früher so wichtige letzte Stunde gestrichen hat: Sie bringe kaum noch Umsatz, weil viele Leute tagsüber kommen – Arbeit am heimischen Schreibtisch macht einfach flexibler.

Auch für sein Team sei es natürlich eine Umstellung gewesen, schon um 18 Uhr Feierabend zu haben: „Auf einmal kann man abends noch etwas erledigen.“ Und das muss nicht unbedingt der Weg zur Tankstelle sein.