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Kommentar

Disziplinarverfahren
Leverkusens Stadtkämmerer liefert ungewollt Wahlkampfmunition

Ein Kommentar von
3 min
Der am 11. August 2025 von der Stadt freigestellte Kämmerer Michael Molitor

Michael Molitor hat mit seinem Brandbrief ein Beben ausgelöst. Am Montag leitete die Stadt ein Disziplinarverfahren gegen ihren Kämmerer ein.

Es war abzusehen, dass Michael Molitors Brief disziplinarische Folgen haben wird. Das nützt dem Oberbürgermeister, aber nur auf den ersten Blick.

Wer Michael Molitor kennt, konnte an jenem Tag im Juli nur staunen. Aus dem überaus korrekten, kompetenten Beamten war ein Rächer geworden – und ein scharfer Kritiker dessen, was an Leverkusens Stadtspitze im Argen liegt. Im Rathaus wie im Stadtrat.

Auf den zweiten Blick ist das erklärlich aus einer persönlichen Ausnahmesituation: Nach einem schweren Autounfall hat Molitor das getan, was viele tun, nachdem sie in einer lebensbedrohlichen Situation waren. Er hat sich gefragt: Was mache ich hier eigentlich? Will ich das? Oder bin ich in selbstauferlegten Zwängen gefangen?

Thomas Käding

Thomas Käding

Redakteur in Leverkusen und kümmert sich dort um Wirtschaft, das politische Geschehen und alles, was sonst noch interessant ist. Studienabschluss in Politischer Wissenschaft, Sozial- und Wirtschaftsge...

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Seine Antwort: Ich lasse mich im Führungsgremium der Stadtverwaltung zum Sündenbock machen. Und ich habe keine Unterstützung. In der Verwaltung nicht, und im politischen Raum werden Gewährsleute kalt gestellt. Zusammengefasst: Hier läuft zu viel falsch. 

Wer auf diese Weise menschlich agiert, alles Taktieren und alle Vorsicht fahren lässt, muss damit rechnen, dass das System zurückschlägt. Vor allem einen Monat vor einer Kommunalwahl. Das ist nun geschehen: Die Stadt leitet ein Disziplinarverfahren gegen ihren Kämmerer ein. Ungeachtet der Tatsache, dass Molitor angekündigt hat, nicht mehr Kämmerer sein zu wollen und sich abwählen zu lassen.

Richraths Taktik scheint gut – auf den ersten Blick

Es ist natürlich klug, wenn sich die Stadtspitze von externen Juristen beraten lässt, bevor sie auf den unerhörten Brief mit einem unerhörten Verfahren reagiert. Damit tritt Oberbürgermeister Uwe Richrath dem Eindruck entgegen, sich für die Vorhaltungen seines gewesenen Gewährsmanns platt zu rächen. 

Trotzdem bleibt etwas haften am Stadtchef: Er ist als OB erster Verantwortlicher für die Geschicke Leverkusens. Auch er hat nicht adäquat darauf reagiert, als im Frühjahr und Sommer 2024 binnen kurzem mehr als 60 Millionen Euro im Voraus gezahlte Gewerbesteuer vom Finanzamt wieder abgebucht wurden. Womit nicht nur jede Einnahmekalkulation über den Haufen geworfen, sondern auch absehbar wurde, dass Leverkusen in einen riesigen finanziellen Schlamassel geraten wird. Keine komfortable Lage für einen Oberbürgermeister, der in knapp fünf Wochen wiedergewählt werden will.

Und es ist längst publik geworden, dass Richrath nicht gegensteuerte, als dem Kämmerer die ganze Verantwortung zugeschoben wurde. Dass aus der Haushalts- eine Führungskrise im Rathaus wurde, hat der OB auch gegenüber dem „Leverkusener Anzeiger“ mit einem Satz weggelächelt: „Ich habe eben einen anderen Führungsstil.“

Nur: Dieser Stil hat den Stadtkämmerer Michael Molitor zum Äußersten veranlasst. Das Ergebnis dieser Affäre: Die demnächst mit einer Milliarde Euro verschuldete Stadt Leverkusen hat im Spätsommer 2025 keinen Haushaltsplan, kein Konzept, wie sie finanziell wieder auf die Beine kommen könnte – und keinen kompetenten Kämmerer mehr. Sondern juristischen Streit mit einem über Jahrzehnte loyalen Beamten.