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Kunstverein LeverkusenEmil Walde lädt in die Echokammer von Schloss Morsbroich ein

4 min
Ein Mann steht in einem dunklen Raum an einem Mikrofon

Emil Walde am Mikrofon, ein technisches Kernelement seiner Installation Reflektor.

„Reflektor“ ist der recht technische Titel der neuen Ausstellung im Kunstverein an Schloss Morsbroich. Doch der Eindruck täuscht.

Wer die neue Ausstellung im Kunstverein Schloss Morsbroich besucht, tut, bevor er oder sie den Schlosshof betritt, gut daran, einmal links oder rechts herum ein Stück auf dem Fußweg zu laufen, der sich am Schlossgraben entlang rundet. Solchermaßen innerlich vom geraden Weg abgebracht und in Schwingung versetzt, sind Betrachterin oder Betrachter adäquat präpariert für alles das, was Emil Walde in den Räumen des Vereins für sie vorbereitet hat.

Doch der Düsseldorfer Bildhauer begrüßt Besucherinnen und Besucher noch vor Betreten der Räume. Wer sich im Schlosshof rechts hält und auf den Eingang des Kunstvereins zustrebt, der entdeckt durch ein Fenster in der Fassade einen Strauß weißer Lilien im Scheinwerferlicht, platziert vor einer übermannshohen Wand aus verzinktem Stahlblech. Ein Blumengruß. Nur – für wen?

Ein Strauß weiße Lilien steht in einem leeren Raum auf dem Boden.

Ein Strauß weiße Lilien sind Teil der Installation.

Eingetreten in die Ausstellungsräume, findet sich der Betrachter dann auf der anderen Seite der grauen Trapezbleche wieder. Sie teilen den leeren Raum in einem weiten Bogen, der die Rundung des Schlossgrabens aufnimmt. Und machen den Platz für den Betrachter immer enger, je weiter er an der Rundung entlanggeht. Am Ende trifft er dann auf ein von der Decke hängendes Mikrofon. Eine technische Aufforderung, die Stimme zu erheben. Aber geht das in einem Ausstellungsraum für Kunst, einem Ort also, an dem man gemeinhin mit gedämpfter Stimme spricht?

Es geht. Wer seine Hemmung überwindet und mutig mit kräftiger Stimme in das Mikrofon spricht, der bekommt sich selbst zu hören. Aber nicht nur einmal, gleich achtmal hallt die eigene Stimme im Raum wider, besser gesagt von jenseits der Stahlbleche, die den Raum in ein Drinnen und ein Draußen zerschneiden. Möglich wird das durch acht Körperschallwandler, die Walde für den Besucher unsichtbar an den Trapezblechen montiert hat. Der Echo-Schall der Stimme wird wiederum vom Mikrofon aufgenommen und so dupliziert sich das Gesprochene noch eine Weile weiter. Kakophonie aus einem Mund.

„Reflektor“ heißt die Installation, mit der der 34-jährige, aus München gebürtige Künstler die Räume des Kunstvereins in Beschlag nimmt. Und für irritierende Raumerfahrungen sorgt. Die Inspiration für die Trapezbleche als Raumteiler hat sich Walde von den Bauzäunen auf dem Athener Exarchia-Platz. Der symbol- und geschichtsträchtige Platz ist seit Jahren mit solchen Stahlblechen abgesperrt, weil dort eine Metrostation gebaut wird. Was an dem öffentlichen Ort par excellence zu regelmäßigen Protesten führt. Walde betont im Gespräch das Attrappen- und Kulissenhafte der Trapezbleche: „Wir denken, das ist etwas ganz Solides. Aber das ist es gar nicht.“

Emil Walde im Gespräch mit der Kunstvereins-Vorsitzenden Susanne Wedewer-Pampus in der Installation

Emil Walde im Gespräch mit der Kunstvereins-Vorsitzenden Susanne Wedewer-Pampus in der Installation

Tatsächlich versetzen die verachtfachten Stimmen im Raum das Stahlblech in Schwingung. Proteste, weil ein Teil des öffentlichen Kunstvereins-Raums von Trapezblechen abgesperrt ist, sind nicht zu erwarten. Und doch regt sich im Betrachter selbst Protest. Er bekommt Blumen gezeigt, aber dran schnuppern geht nicht, denn sie stehen unerreichbar hinterm Fenster. Er darf ins Mikro sprechen, aber die Kontrolle über das Gesagte entgleitet ihm, sobald er den Mund aufmacht. 

Walde, der in diesem Jahr schon für das Mahnmal zur Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Arbeits- und Erziehungslagers am Flughafen Essen/Mülheim verantwortlich zeichnet, regt den Besucher an, übers Drinnen und Draußen ins Gespräch zu kommen. Und übers Dazugehören und Ausgeschlossensein. Susanne Wedewer-Pampus, die Vorsitzende des Kunstvereins, hob hervor, dass die Installation vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kultur und Wissenschaft gefördert wird. Sie betonte, man sei als Verein „sehr froh, dass wir hier Arbeiten machen können, die in einer Galerie nicht möglich wären. Es ist unser Anliegen, den Raum hier für solche künstlerischen Interventionen zu nutzen“. Interventionen, die geeignet sind, den Kunstverein Leverkusen als Ort der Kommunikation und des Austauschs zu stärken.


Vernissage am Donnerstag, 2. Oktober

Die Vernissage für die Installation „Reflektor“ von Emil Walde ist am Donnerstag, 2. Oktober, 19.30 Uhr. Die Ausstellung dauert bis Sonntag, 2. November. Am ersten Novembersonntag findet die Finissage von 15 bis 17 Uhr statt. (ps)