Wenn Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ auf Piazzollas Tangos treffen, fliegen musikalische Funken: „The Twiolins“ schaffen ein Klangabenteuer
„Eight Seasons“Acht Jahreszeiten und zwei Geigen in Leverkusens Spiegelsaal

„The Twiolins“ verbinden Vivaldi und Piazzolla in ihren „Eight Seasons“ ein Duett der Gegensätze.
Copyright: Timon Brombach
Ein warmer Herbsttag draußen und doch klingt im vollbesetzten Spiegelsaal des Schloss Morsbroich der Frühling auf eine Weise, die jeder Jahreszeit trotzt: kristallklar, filigran, mit einem Hauch von Unschuld. Zwei Geigen treten in Dialog, als wären sie zwei Stimmen, die einander seit Jahrhunderten kennen und dennoch frisch ineinander finden. Marie-Luise Dingler und Marta Danilkovich, das Geigenduo „The Twiolins“, eröffnen ihren Zyklus „Eight Seasons“ mit Vivaldis wohlbekannten Motiven. Doch kaum hat man sich im Barock eingerichtet, schiebt sich Piazzolla dazwischen: Der Frühling wird plötzlich von Engeln bevölkert, die sterben und auferstehen. Der Klang kippt vom italienischen Licht in die dunklen Gassen von Buenos Aires: „¡Ay, caramba!“
„The Twiolins“ Auftakt wie ein Fenster in den Frühling
Das Konzept ist so schlicht wie riskant: Vivaldi und Piazzolla, nebeneinander, gegeneinander, miteinander. Schon andere haben diese Kombination gewagt, doch „The Twiolins“ spannen ihren Bogen enger, mutiger. Nicht zwei Welten prallen aufeinander – sie verschränken sich. Da fließt der Sommer von barocker Hitze in melancholische Tangoschwermut, als sei das eine die logische Folge des anderen. Da stehen im Herbst keine Jagdhörner, sondern ein „Hora Zero“ – eine Stille, die den Puls der Musik kurz anhält, bevor er umso heftiger wieder einsetzt. Dinger hat dafür eine zweite Violine, die mit tieferen Seiten bespannt ist, um ein Cello zu imitieren.
Was bei all dem auffällt, ist die Balance zwischen Virtuosität und Zurückhaltung. Beide Geigerinnen verfügen über atemberaubende Technik: blitzsaubere Intonation, federleichte Läufe, rhythmische Präzision. Doch sie setzen das im Dienst einer Erzählung ein. Ein leiser Strich, ein hauchzartes Vibrato, kann hier mehr sagen als hundert schnelle Töne. Das Publikum spürt, dass sich diese beiden nicht in brillanten Effekten verlieren, sondern eine gemeinsame Sprache suchen.
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Tango im Winter, Licht im Klang im Schloss Morsbroich
Wenn es im letzten Teil der Zyklus in den Winter tritt, überrascht das Duo mit einem Augenzwinkern: Wo man klirrende Kälte erwartet, klingt plötzlich ein Tango, warm, pulsierend, ein bisschen trotzig. Und es gibt eine Christbaumkugel zu gewinnen. Es ist, als wollten die beiden Musikerinnen, Leverkusen zurück in den Süden entführen – gegen jede Wetterprognose. Und genau das macht den Abend so charmant: Die Musik bleibt nicht im Korsett von Jahreszeiten stecken, sondern öffnet Räume, weckt Gedanken, lädt ein, die Welt draußen mal neu zu hören.
„Eight Seasons“ ist ein geschicktes Arrangement und ein künstlerisches Statement: „The Twiolins“ zeigen, wie Klassik heute klingen kann – traditionsbewusst und gleichzeitig neugierig, respektvoll gegenüber dem Alten und zugleich bereit, Grenzen zu überschreiten. Musik nicht in Schubladen zu sperren, sondern auch Klassik als lebendige Kunstsprache zu erleben.