AOK-BerichtBeschäftigte auch in Leverkusener Krankenhäusern immer häufiger krank

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Die Notfallambulanz des Klinikums Leverkusen von außen, ein Rettungswagen steht davor, zwei Pflegerinnen sind von hinten zu sehen.

Laut AOK waren niemals zuvor so viele Beschäftigte in Krankenhäusern (hier das Klinikum Leverkusen) krankgeschrieben wie 2022.

Den Zahlen der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) nach war der Krankenstand unter Klinikpersonal 2022 so hoch wie noch nie.

Beschäftigte in Krankenhäusern sind immer häufiger krank. Das geht aus Zahlen hervor, die die Versicherung AOK Rheinland/Hamburg jetzt veröffentlicht hat. Demnach sind Klinikmitarbeitende 2022 im Schnitt 27,3 Tage krank gewesen. Die Versicherung formuliert es drastisch: „Niemals zuvor waren Beschäftigte in Krankenhäusern so häufig krankgeschrieben wie im Jahr 2022.“ Vor allem psychische Diagnosen hätten zu diesem Ergebnis geführt.

Die AOK zieht ihre Zahlen aus einer Analyse des Instituts für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) in Köln. Das Institut habe Daten von mehreren zehntausend Beschäftigten in Kliniken in Nordrhein-Westfalen und Hamburg ausgewertet. Die AOK zitiert auch den „Branchenbericht Krankenhäuser 2023“. Laut diesem sei die Zahl der Fehltage wegen seelischer Leiden in den Jahren 2021 und 2022 um rund zehn Prozent gestiegen, auf die vergangenen 20 Jahre schauend sogar um 150 Prozent.

Situation während Corona noch schlimmer geworden

17 Prozent alles Ausfalltage 2022 seien auf psychische Erkrankungen zurückzuführen gewesen. Es folgen Atemwegserkrankungen (16 Prozent) und Probleme mit den Muskeln oder dem Skelett (15 Prozent).

Andreas Schmidt, BGF-Geschäftsführer, hat einen Erklärungsansatz: „Vielfältige Herausforderungen in Krankenhäusern erhöhen das Risiko der Beschäftigten, psychisch zu erkranken. Oft ist die Arbeitsbelastung sehr hoch, es fehlt an Personal und Rückendeckung. Zudem erfahren die Mitarbeitenden wenig Unterstützung bei der Bewältigung emotional schwieriger Situationen.“ Während Corona sei das noch schlimmer geworden.

Arbeit im Krankenhaus verliert an Attraktivität

Das Ganze führe dann auch noch dazu, dass der Arbeitsplatz im Krankenhaus an Attraktivität verliere. Schmidt fordert „eine gemeinsame Initiative, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und das medizinische und pflegerische Personal zu stärken und mit gesundheitsfördernden Maßnahmen zu unterstützen“.

Den Zahlen der untersuchten 50.000 AOK-Versicherten nach sei der Sprung bei den Krankenständen unter Klinikpersonal noch nie so stark gestiegen wie von 2021 auf 2022: nämlich von 6,2 Prozent auf 7,5 Prozent. Von 2013 bis dahin habe sich der Krankenstand immer zwischen 5,9 und 6,5 Prozent bewegt. Rund 2,1 Krankenscheine entfielen im Jahr 2022 auf jeden AOK-Versicherten in Kliniken. Verbessert habe sich allerdings die durchschnittliche Ausfallzeit, von 15,1 Kalendertagen im Jahr 2021 auf 12,8 Kalendertage 2022.

Sandra Samper Agrelo, Leiterin der Unternehmenskommunikation im Leverkusener Klinikum, kann zwar keine Zahlen für ihr Hospital liefern, zeigt sich aber nicht überrascht: „Die hohen durchschnittlichen Ausfalltage sind an sich für einen Klinikbetrieb nicht verwunderlich.“  Mitarbeitende bleiben auch zu Hause, um Patientinnen und Patienten vor Ansteckungen zu schützen. „Wir behandeln ja viele Patientinnen und Patienten mit einem geschwächten Immunsystem, Neugeborene oder andere sensible Patientengruppen.“

Leverkusen: Krankentage im Opladener Krankenhaus gestiegen

Außerdem sei die Gefahr groß, dass auch Pflegekräfte oder Ärztinnen und Ärzte sich im Krankenhaus ansteckten. Ob psychische Erkrankungen der Grund für den erhöhten Krankenstand sind, könne man am Klinikum nicht sagen, weil Angestellte nicht den Grund für ihre Krankschreibung mitteilen müssten. Aber: „Um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei belastenden Situationen zu unterstützen, haben unsere Beschäftigten die Möglichkeit, einen kostenlosen psychologischen Dienst zu kontaktieren“, sagt Samper Agrelo.

Diese kurzfristigen Beratungen dürfen Mitarbeitende auch bei privaten Problemen in Anspruch nehmen. Es gebe im Klinikum zudem regelmäßige Angebote zu den Themen Resilienz, Entspannung und Achtsamkeit.

Cerstin Tschirner, Sprecherin des St.-Remigius-Krankenhauses in Opladen, kann zwar mit 0,75 Prozentpunkten einen deutlich geringeren Anstieg des Krankenstandes in ihrem Haus vermelden, als es die AOK-Zahlen hergeben, „aber jeder Ausfall muss ausgeglichen werden“. Um in der Pflege Ausfälle auszugleichen, gibt es im Remigius-Hsopital den „Flexpool“, einen Pool aus Pflegekräften, die einspringen und Lücken füllen können. So müssten die ohnehin schon belasteten Kräfte nicht noch einspringen, wie Tschirner sagt: „Neben dem anspruchsvollen Beruf ist die Frage, ob man zusätzlich kommen könne, eine weitere Belastung.“ Und „auch Hilfsmittel und Fortbildungen beispielsweise zum rückenschonenden Arbeiten gehören zu den Entlastungen“ im Opladener Krankenhaus.

Tschirner weist auch auf die Corona-Pandemie hin, die nicht spurlos an den Krankenhäusern vorbeigegangen sei: „Viele sind an ihre Grenzen und darüber hinaus gegangen, um die Patientinnen und Patienten zu versorgen, wenn Kolleginnen und Kollegen erkrankt oder in Quarantäne waren. Das verzeiht der Körper nicht einfach so.“ Für das kürzlich zu Ende gegangene Jahr 2023 rechnet das Krankenhaus mit einer weiteren Steigerung der Krankentage um 0,3 Prozentpunkte.

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